Ich fuhr in der Früh ging es über die Grenze. Auf uruguayischer Seite, wie erwartet, alles kein Problem. Stempel, Autopaier zurück, keine Fragen, das war's. "Gute Reise", meinte er noch. "Wie soll die Reise gut sein, die nach Brasilien führt?" Er lachte, meinte, ich solle doch in Uruguay bleiben, sei doch schön. "Haben Sie Arbeit für mich? Ich mache alles. Putzen, kochen, Holzarbeiten. Falls Sie keine Arbeit haben, kein Problem. Geld allein genügt auch..." Hatte er beides nicht. So stieg ich ins Auto und fuhr zur brasilianischen Grenze. Ich ließ das Auto so geparkt, daß man es nicht gleich sah. Ich wollte nicht, daß die anfangen, Papiere auszustellen. Mittlerweile fand ich nämlich heraus, daß das auch ohne geht. Erstens will die eh keiner sehen, zweitens läuft man Gefahr, daß sie selbst das Papier bei der Wiederausreise verschlampen und das Auto als nicht ausgereist gilt, was zur Beschlagnahme bei erneuter Einreise führen kann. Außerdem haben die eh keinen Plan, was Sache ist. Nur nicht zuviel sagen, das nötige antworten, dumm stellen.
Am Cerro Negro (21.12.01) |
An der Grenze saß ein einzelner Typ. Die ganze Situation erinnerte stark an eine "afrikanische Grenze". Ich legte ihm mein Paß hin, er fragte, was ich in Brasilien wolle. Diesmal redete ich Portugiesisch: "Tourist." Er gab mir einen Stempel in den Paß. Dann blätterte er darinnen herum, schmierte den Stempel, den er mir gerade eben gegeben hatte, wieder zu und machte einen neuen hinein, ein paar Seiten weiter. "Was soll denn das jetzt?", fragte ich den Vollidioten etwas aufgebracht. "Damit da keine Unordnung hineinkommt." Klar, das ist typisch für diesen Bimbostaat: Man muß die Unordnung erst mal reinbringen, um sie dann zurechtzubiegen. Auch 'ne Logik. "Also, ich glaub's ja nicht, was ich da sehe. Das ist ein Paß und kein Schmierheft für Vorschüler, wo jeder reinmalt, was er gerne möchte. OK? Und jetzt den Paß her, aber schnell." So eine Absurdität... "Und wo ist der Einreisezettel?" "Was für ein Einreisezettel?", fragt er mich ganz erstaunt. "Peraí, moment mal, bin ich der Grenzbeamte oder Sie? Ich glaub ich bin im Amazonas gelandet. Den Einreisezettel will ich haben. Wenn Sie nicht wissen, was das ist, dann rufen sie ihren Vorgesetzten an und fragen den. Oder lassen Sie mich mit ihm sprechen..." Er ging ans Funkgerät und versuchte Kontakt zu seinem Planeten Mongolia oder Dementia aufzunehmen. Es meldete sich natürlich keiner, nur ein lautes, unangenehmes Krächzen... Das Funkgerät war wahrscheinlich auch nicht importiert, wie soll es denn dann funktionieren? Ich bräuchte keinen Einresezettel, es stünde alles auf dem Stempel. so ein Trottel, nichts stand auf keinem der beiden Stempel, nur das Datum, aber nicht, wieviel Tage ich im Land bleiben durfte. Es war mir zu blöd, ich nahm den Paß, setzte mich ins Auto und fuhr über die Grenze. Auch keine Durchsuchung, nichts. Den haben sie hier vergessen, wird wohl in nächster Zeit verhungern, weil er jemanden braucht, der ihn füttert, so bescheuert muß der Typ sein.
Seltsame Rehe. (Argentinien 05.01.02) |
An der ersten Tankstelle hielt ich, fragte, ob sie VISA-Electron akzeptieren
und machte den Tank voll, nachdem man mir versichert hatte, daß es ginge.
Ich frag extra schon zweimal nach - man weiß ja, wo man ist. Alles geht
immer, alles funktioniert immer. Nur eben nur so lange man es nicht ausprobiert.
Dann kommen die dummen Ausreden. "Ja, das geht nicht weil der Hund die
Leitung durchgebissen hat... Aber morgen wird es gerichtet." But tomorrow
never comes. Als ich zahlen wollte kam dann auch was ähnliches. Ging nicht.
"Tut mir leid, es geht nicht, sie müssen in bar bezahlen." Ich
lachte. "Natürlich geht es nicht. Wieso versichert man mir zuvor,
daß es doch geht?" Das sei ein Irrtum gewesen. "Schön.
Und warum, glauben Sie, frage ich vorher, ob VISA-Electron geht? Warum
frag ich obwohl dort deutlich das VISA-Electron-Zeichen aufgemalt ist?
Warum frage ich extra nochmal, obwohl das Zeichen da ist und obwohl
man mir bereits einmal gesagt hatte, daß es funktioniert? Warum? Weil ich kein
Bargeld habe, Schätzchen. So, und jetzt sag Du mir, was ich machen soll."
Das wußte er auch nicht, "Laß Dir was einfallen", war
seine kluge Antwort. Das war mir in der Schweiz schon mal passiert und ich machte
es hier wieder genauso: "Falsch: Mein Tank ist voll und ich hab
Zeit, also ist es Dein Problem, laß Du Dir was einfallen.
Damit Du nicht so lange überlegen mußt... es gibt zwei Möglichkeiten:
Ich hab im Kofferraum einen Schlauch. Du kannst das Diesel wieder abpumpen und
mit nach Hause nehmen oder ich fahr schnell zur Bank und hol' Geld." Abpumpen
geht nicht, weil er das Zeug dann nicht mehr verkaufen kann und er es folglich
selbst zahlen müßte. Zur Bank lassen geht auch nicht, weil er Angst
hat, daß ich abhaue. Das würde ich in diesem speziellen Fall schon
allein deswegen nicht machen, um nicht des Brasilianerseins verdächtigt
zu werden. Ich blieb an der Zapfsäule stehen und begann zu lesen. Er kam
und fragte, was ich denn zu tun gedächte. "Ich? Ich lese jetzt, wieso?"
Ob ich denn nicht zahlen wollte. "Wenn ich den Trick herausgefunden habe,
wie man Geld herzaubert, dann zahl ich. Könnte allerdings dauern, es wäre
besser, ich fahre schnell zur Bank, aber wenn das ein Problem für Dich
ist, dann lasse ich es eben... Ich hab Zeit." Ich könne ja zur Bank
laufen und das Auto als Pfand stehen lassen. "Ich? Laufen? Natürlich...
Laufen ist für Esel. Schau ich aus wie einer?" Keine Antwort, er ging
wieder. Nach einer Weile kam ein anderer. Ob ich denn nun nicht mit dem Theater
aufhören wolle. Da platzte mir der Kragen. "Jetzt paßt mal auf,
ihr Kasper: Ich fahre her, frage Euch, ob ihr die Karte nimmt. Zweimal habe
ich gefragt, es hieß 'ja'. Ich tanke voll und dann geht es doch nicht
(natürlich nicht, wieso sollte irgendwas in diesem Kackland funktionieren?)
So. Entweder ihr laßt mich zur Bank fahren oder ich werde jetzt die Polizei
holen und denen erklären, daß ihr mich hier festhaltet und ich bin
mir ziemlich sicher, daß ihr den Kürzeren zieht, wenn wir es drauf
ankommen lassen. Oder nein, wißt ihr was? Ich hol' jetzt gleich die Polizei,
so machen wir das." Ich ging zum öffentlichen Telephon, aber das funktionierte
auch nicht. Ich war wieder dort, wo man die Sachen, welche funktionieren, an
einer Hand abzählen kann. Als ich gerade auf die Straße gehen wollte,
kam der Tankwart und meinte, ich solle dann halt zur Bank fahren. "Daß
Du die Bullen holst und denen erzählst, ich sei abgehauen? Vergiß
es, ich hole sie selbst..." Angriff ist die beste Verteidigung. "Nein,
ich werde sie nicht holen. Ich bin ein ehrlicher Mensch!", meinte der Tankwart.
"Genau das ist das Problem hierzulande. Jeder ist ehrlich, schon mal aufgefallen?
Deswegen hast Du auch Angst, daß ich abhau, weil das jeder machen würde.
Und wenn Du mal fünf Sekunden überlegen würdest, kämst Du
zu dem Schluß, daß ich gar nicht abhauen kann, denn das Auto ist
nicht schwer zu finden, es ist zu auffällig. Es gehen hier zwei Straßen
weg, eine zur Grenze, die andere nach Pelotas, wo soll ich denn hin? Wegen 40
Real zwei Wochen in diesem Drecksnest untertauchen, was mich sicher mehr kostet
als 40 Real? Das ist Eure Logik, nicht meine. Bei mir muß sich Diebstahl
lohnen. Außerdem holt mich jeder zu Fuß ein, wenn er ein bißchen
aufgeregt ist, weil das Auto nicht schneller fährt als 100. Außerdem
hab ich keinen Bock, hier noch länger abzuhängen, ich hab 'nen langen
Weg vor mir, ich fahr jetzt zur Bank. Wo ist die nächste Banco do Brasil?"
Da er mir eine genaue Wegbeschreibung gab, ging ich davon aus, daß er
damit einverstanden war. Was sollte er auch sonst machen? Selbst wenn er die
Bullen holt, heißt das nicht, daß er sein Geld sieht - im Gegenteil.
Die Bullen sehen dann vielleicht hundert MickyMaus, aber dafür sollen sie
ihm die Fresse polieren. Das ließ ich ihn auch wissen. Ich fuhr zur Bank,
hob das Geld ab und fuhr zurück. Er war ganz überrascht, daß
ich wieder gekommen war. "Jeder andere wäre abgehauen..." Wieso
er denn nicht die Polizei geholt hätte? "Die würden eh nichts
machen, außer lachen, weil ich den Tank vollgemacht habe und Dich hätte
abhauen lassen. Selber schuld, würden sie sagen..." Nun, vielleicht
machst Du einen Zettel hin, daß VISA-Electron nicht funktioniert, sonst
wird das noch öfter vorkommen.
Ich fuhr los in Richtung Norden. Dauermonoton... Es gibt eigentlich über
die ganze Fahrt nichts zu berichten. Als ich in Campinas ankam war mir übel.
Ich ließ mir von Traudl einen Tee machen und legte mich ins Bett, aus
dem ich erst sehr viele Stunden später wieder erwachte.
Kilometerstand bei Ankunft: | 723.550 km |