Alaska 2003
Donerstag, 8. Januar 2004

Wir hatten es eigentlich eilig, aber für eine Frühstückspizza ist immer Zeit. Es war noch immer ziemlich kalt, das Thermometer zeigte -30°C an. Der Innenraum des Daimlers war schön warm geblieben, denn das Gebläse blieb auf Stufe 2 laufen, wie immer in letzter Zeit. Kupplung wie gehabt, das Getriebe war schnell in Gang. Almut hatte in der Frühe schon wieder ihre 10 Kilometer abgelaufen, bis zur Brücke vor und wieder zurück. "Ziemlich kalt, draußen", meinte sie - nur nichts Genaues ansagen, das ist so ihre Art. Der Gang zum Thermometer wäre kürzer, schneller und effektiver gewesen, aber man will ja niemandem etwas ausreden. Und wenn die Lauferei am Morgen ihren Tatendrang bremst, so ist es mir auch recht. Wie man nur so websig sein kann?

Car and crew lined up for the morning prayer, spoken by the engine.

"Alte, hock Dich rein, lehn Dich zurück, halt Gosch und genieß die Landschaft - geht das nicht?" Nein, das geht nicht. Wenn sie nicht aktiv zu irgendeinem Vorgang etwas beitragen kann, schläft sie weg. Im Alter wird man ruhiger, hat es geheißen und vom Gemüt her ist sie das auch - war wohl nie anders. Wenn die Welt untergeht, dann käme von ihr nur eine Feststellung, daß die Welt eben gerade untergehe. Und wahrscheinlich würde sie dann schnell weglaufen um einen Baum zu pflanzen. "Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet..."

Wir blechten noch 50 Dollar für den kremierten Teppich und kamen dann so gegen ein Uhr nachmittags los. Schon wieder viel zu spät. Die kürze der Tage wirkt sich vernichtend auf den Kilometerstad aus. Doch noch stört es keinen von uns beiden. Bloß keinen Streß schieben. Aber immer noch der reinste Rummelplatz verglichen mit der Friedhofsstille, die an Bord herrschen würde, wäre ich mit Gabi unterwegs. Sie käme nicht mehr dazu Streß zu schieben, da wir längst irgendwo an einer Raststelle erfroren wären, der Bug des Daimler nach Norden gerichtet und von Anchorage weit entfernt. "Stell den scheiß Motor ab!!!"

Zwei Stunden nach Fahrtbeginn passierten wir die Grenze, ohne es zu merken. Blieb nur noch die Zeit, schnell ein Bild zu schießen. Vierzig Minuten später standen wir an der kanadischen Grenze. Diesmal dauerte die Einreise etwas länger, weil wir mit einer Immigrationsbeamtin zu tun hatten und ihr war langweilig, wie man aus den vielen Fragen schließen konnte. Woher, wohin, Flugticket, Pässen, alles wollte sie sehen. Aber dabei fiel mir auf, daß mir wohl noch in Kanada die Cigaretten ausgehen würden. Wir hatten noch drei Packungen. Und kaum waren wir wieder unterwegs, da fiel mir auf, daß wir vergessen hatten, in Alaska noch zu tanken. Der Tank war halb leer und das Diesel in Kanada teurer. Die Grenze hatte uns völlig überrumpelt, das passiert immer dann, wenn ich munter meine Vorträge halte und nicht darauf achte, was so des Weges kommt. Ich erinnere mich da an Tunesien, als mich ein Motorradbulle anhielt und ich verwundert fragte, was denn der jetzt von mir will. Almut stellte in aller Seelenruhe fest: "Du hast gerade im Überholverbot überholt." "Welches Überholverbot?" "Vorhin, als wir an dem VW-Bus vorbeigezogen sind..." "Hä??? Welcher VW-Bus..?" Ich hatte nichts davon gemerkt, umso bedenklicher, da ich am Steuer saß...

Abendrot im Yukon.

Aber nun war es rum, wir waren wieder in Kanada und mußten uns damit abfinden. Schön, daß wenigstens die Einheiten wieder normal waren. Wir hielten an einer Tankstelle, tankten und fuhren weiter. Wir wollten noch bis Whitehorse kommen, langsam mußten wir Gas geben. Und Whitehorse war schon nicht optimal. Bis Detroit ist noch ein gutes Stück und der 200D ist kein Rennwagen.
In Haines Junction angekommen, stellte ich als erstes fest, daß kein Nordlicht schien. "Was sollen wir mache? Hier bleiben oder weiterfahren?", fragte ich Almut. "Hm. Wir könnten schon hier bleiben. Andererseits könnten wir auch noch ein paar Kilometer fahren.", glaubte Almut, sinnvoll zu antworten. Ich bin mir ziemlich sicher, daß sie es nicht wirklich wahrnimmt, daß sie nicht antwortet, sondern nur die bestehenden Möglichkeiten auflistet und / oder ausführt. "Schön, Almut, klar, nur nicht Stellung nehmen. Keep sitting on the fence..." "Ja, ich weiß es doch nicht, was wir tun sollen, Du bist der Fahrer." Eben. Ich bin der Fahrer und warte auf Befehle. Die aber kommen nicht. "Wir woll'n die verlorene Rotte sein und harren der Sturmsignale." Da war nichts rauszuholen, ich ließ also die Motelpreise entscheiden. Ich fragte nicht in dem motel nach, in dem wir uns auf dem Hinweg einquartierten, die Preise kannten wir schon, sondern im Motel nebenan. Nach wenigen Minuten kam ich wieder hinaus. "Zu teuer, Nordlicht gibt's auch keines, also beschlossen ich, weiterzufahren bis Whitehorse. Beim Hinausgehen aus dem Motel unterhielt ich mich noch kurz mit zwei amerikanischen Touristen. Sie waren unterwegs nach Kalifornien. Wir fuhren mehr oder weniger gemeinsam bis nach Whitehorse. Erst hängten uns die Amerikaner ab, da sie dazu in der Lage waren, die Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überall zu halten. Es war Vollmond, ohne Licht sah man weiter, da die Straße sich als schwarzes Band deutlich von der umliegenden weißen Landschaft abhebt, so fuhren wir lange Strecken verdunkelt und machten das Licht nur bei Gegenverkehr an, oder wenn der rückwärtige nahe genug aufgeschlossen war. Etwaige Viecher, die auf die Straße laufen sieht man auf diese Weise schon von weitem. Wenn es allerdings schon die ganze Zeit auf der Straße steht, dann sieht man es auch erst im letzten Moment, aber das Risiko ist geringer, als wenn man nur so weit sieht, wie die Scheinwerfer reichen. Von den Zusatzscheinwerfern geht ohnehin nur einer, weil ich es zeitlich nicht geschafft hatte, einfach mal die Birne zu wechseln seit die Birne in Chile kaputtging. Wir sahen schon von weiten eine Büffelherde am Straßenrand, die sich bestens gegen den Hellen Hintergrund abhob.
Am letzten Rastplatz vor Whitehorse hielten sie und daher kamen wir doch zuerst an. Wir fanden ein billiges Motel und quartierten uns dort ein. Es hatte Minus Fünfzehn, das Auto wurde vor dem Motel geparkt. Die Visa wurde erneut abgelehnt. Nun wurde ich langsam wirklich nervös. Ich rief in Augsburg an und fragte, ob man das vielleicht ändern könne. Zum Abendessen gab es wieder Pizza, da ansonsten nichts mehr offen war, dann hauten wir uns hin.

Auch heute erreichten wir die Solltagesleistung lange nicht. Wir schafften nur 632 von 870 Kilometern. Somit lagen wir insgesamt fast 600 Kilometer zurück, wir hätten am Abend dieses Tages mindestens in Watson Lake sein sollen, doch bis dahin war es fast eine Tagestour.


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