Wochenende, 24. und 25. Januar 2004

Hias mußte am Samstag zum Flughafen, es ging nach Washington. Die Herren Studiosi fahren nicht, sondern es wird geflogen. Aber es sei. Ich brachte ihn im "Panzer" hin. Der stand mir bedingt zur Verfügung während seiner Abwesenheit. Sehr nett und kameradschaftlich, doch es ist nicht das gleiche Gefühl, als ob man gestern noch im Federbett geschlafen hätte und heute seine müden Knochen auf auf Asphalt gelegte Gammeldecken bettet. Man fühlt sich wie ein verarmter Milliardär. Es ist zwar von Zeit zu Zeit nicht schlecht, einmal ein anderes Auto zu fahren, damit man weiß, was man hat, aber das Bewußtsein, daß man gerade nicht anders kann, gibt dem Anblick des Escort einen bitteren Geschmack. Die andere Sache, die hinzukommt und sehr ungewöhnlich ist, ist die, daß das Auto geteilt wird. Man kann vieles teilen: Freud' und Leid, die letzte Cigarette, Geld sofern vorhanden, ich hab sogar meine erste Freundin mit meinem Vorgänger, gleichzeitig ihrem Ex geteilt. Aber beim Auto ist Schluß, um nicht zu sagen, die Grenzen des guten Geschmacks erreicht. Damit, daß man sich ein Auto aber auch noch mit einer Frau teilt, ist die Grenze zum Perversen bereits bei Weitem überschritten. Aber man will ja niemandem dazwischenquatschen.

"The Panzer"

Vor uns lag das Wochenende, nichts hat offen, zwei tote Tage, in denen ich in Kalifornien Geld verdienen könnte. Man konnte nichts machen, die Zeit vergeht und man tritt auf der Stelle, das schlägt natürlich gewaltig auf die Stimmung. Anrufe von daheim... In Kalifornien scheint die Sonne, es ist Frühling, die Diesel singen, die Bäume schlagen aus, mein Tinchen bedient wieder im Biergarten und ich sitze hier in Destroyed fest, der Matsch auf der Straße wird immer grauer, kalt ist es, trist und ungemütlich. Und der Diesel schweigt, was dem Ganzen eine Endzeitstimmung verpaßt, was einem die Kehle zuschnürren mag. Das Gefühl, sich nicht einfach ins Auto setzen und wegfahren zu können, diese Möglichkeit nicht zu haben, die erzeugte mir schon seit Fahrtbeginn das Gefühl, daß alles verloren sei. Wie damals in Kayes vor dem Bahnhof, wobei es damals weit weniger dramatisch war. Natürlich ist es lange nicht aus, aber wo der Diesel fehlt, da muß man selbst gegen dieses Gefühl ankämpfen. Es lagen einige eMails vor mit Fragen, woher das Öl käme, was denn nun kaputt sei. Ich habe es vermieden, nachzusehen. Das Auto ist kalt, es knattert nicht mehr und heizt auch nicht. Der Innenraum riecht nach verbranntem Motorenöl und die Haube kommt mir vor wie ein Sargdeckel, den zu öffnen schwerfällt. Da ist einiges schief gelaufen. "Dann wird uns der Daimler zum ehernen Grab", hieß es immer. Uns, wohlgemerkt, nicht dem Motor alleine, davon war nie der Sang.

Der Sonntag war schon immer, seit in ein Schüler war, der Tag, den ich am wenigsten ertragen konnte. Der Tag ist von jeher tot gewesen. Nichts los, gar nichts. Jeder Montagmorgen war ein Segen, er kam immer wie der Gnadenschuß. Ich erinnere mich an lange Sonntagabende, jeder muß um Acht ins Bett, morgen früh aufstehen, Hausaufgaben machen, was auch immer. Ich zog Stunden um Stunden im Benz sinnlos hin und her und auf und ab, oft in der Hoffnung, daß irgendwer anruft, der irgendwo hin möchte, damit der Weg wenigstens ein Ziel hatte. Das war schön, tat gut und es es war die beste Möglichkeit, gegen Sonntagabenddepressionen anzukämpfen. Komisch, daß solche Erinnerungen, einem genau dann in den Sinn kommen, wenn man sie überhaupt nicht gebrauchen kann.

Vom alten Banknachbarn Diessl aus den Schultagen in den heiligen Hallen von St. Stephan kam ein interessantes eMail. Darin hieß es unter anderem: "Am Ende seines Lebens baut der Phoenix ein Nest, setzt sich hinein und verbrennt. Wenn die Flammen verlöschen, bleibt ein Ei zurück, aus dem nach kurzer Zeit ein neuer Phoenix schlüpft." Nebenbei machte er mich darauf aufmerksam, daß der Phoenix auch im Wappen des Gymnasiums bei St. Stephan abgebildet ist. Jahrelang läßt man mich in dem Glauben leben, es handle sich um einen Pleitegeier, da muß man erst nach Detroit fahren, den Motor ermorden, um zu erfahren, worum es sich wirklich handelt. So wie es die alten Griechen sangen, so wollen wir es denn auch halten.


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