Donnerstag, 29. Januar 2004

Das einzige, was fehlte, war es, das Auto nach Royal Oak zu bringen. Ich rief bei ungefähr 200 Abschleppunternehmen an. Die meisten davon hießen scheinbar entweder "Wassup, mä..?" oder "Hau ka' ei he'p ju?". Ich versuchte es halt auf Englisch, sie schienen mich prima zu verstehen, aber ich kam mit diesem "liberianischen" Dialekt hier in Destroit noch weniger klar als in L.A., weil ich sie dort meistens nicht an der Leitung, sondern persönlich vor mir habe und am wilden Gestikulieren erkennen kann, was sie meinen. Ab und zu verstand ich dann wenigstens die Preise. Zwischen 80 und 165 Dollar. Bezeichnend, daß die überteuerten klares Englisch sprachen - oder umgekehrt. Wie dem auch sei, irgendwann des Nachmittags fand ich dann einen. Besser gesagt eine. "Ja, Sweetie, geh einfach runter zum Auto in einer halben Stunde, mach die Haube auf und die Warnblinker an, OK?" Daran hört man, daß sie zusätzlich auch noch dick gewesen sein muß.

Martin war eingetroffen und der Plan war folgender, daß ich mit dem LKW mitfuhr und er mit dem "Panzer" hinterher, um mich wieder zurückzubringen. Allerdings wurde aus der halben Stunde dann doch eine ganze und Martin und ich standen ewig in der Kälte und warteten auf den LKW. Nachdem mich die Dicke dann wieder anrief um mir zu sagen, daß der Fahrer mich nicht findet, ging ich dann doch zum Auto und machte die Haube auf. K.T.B. hatte mir vor einigen Tagen ein eMail geschickt und mir gesagt, ich sollte mal unter die Haube sehen, vielleicht sei nur der Schlauch zur Öldruckanzeige gerissen. Wider Willen sah ich es mir also doch an und als ich den Anschluß am Ölfiltergehäuse erblickte, wußte ich nicht, ob ich losheulen oder lachen sollte. Ich hielt nur mit ernster Miene das Stück Schlauch in der Hand und meinte zu Martin: "Ich bin doch das blödeste A*&%$ unter der Sonne..."

Einige Minuten später kamen sie mit dem LKW an. "He, was ist das denn für ein funny car?", begrüßte er uns.beides Baraber, waren aus dem Libanon, aber hier aufgewachsen. Und sie brüllten sich ständig gegenseitig auf Arabisch an.

Die beiden LKW-Fahrer und ich beim Aufladen des etwas desolaten Daimler.

Dann fuhren wir los, erst fuhr Martin, allerdings stellten wir fest, daß es eine längere Aktion werden würde und daß es planlos wäre, wenn er die Vorlesung verpassen würde, zumal ich ja auch in der Lage bin, ein Kraftfahrzeug zu conducieren. Ich fuhr voraus, die beiden mir hinterher. Wir fanden die Werkstatt in der Delemere auch fast auf Anhieb. Als ich gerade mit Cliff, dem Besitzer, verhandelte, wo das Auto hinsollte, bekomme ich einen Anruf von der Dicken. "Mein Fahrer hat sie verloren!" Ich checkte wieder mal gar nichts. "Wieso verloren? Der LKW steht hier vor dem Laden, ich seh ihn, er steht hier gleich gegenüber..." Was waren denn das für Penner? Ich bat um einen Moment und sprang über die Straße, wobei mich beinahe einer dieser SUV plattgemacht hätte. Als Fußgänger war ich schon immer eine Null. Am LKW angekommen klopfte ich ans Fenster. Der Fahrer kurbelte es im Zeitlupentempo hinunter und mir entgegen kam eine Wolke mit diesem typischen, brechreizverursachenden Geruch von Gras. Kein Wunder, daß die keine Peilung mehr haben. Ich hangelte mich am Rückspiegel hoch und versuchte, die Wolke mit der Hand aufzulösen. "Seid's so scho bleed, was brauchts ihr noch rauchen?" - Deutsch ist eine wunderbare Sprache. "Da bist Du ja, wir haben Dich dich ganze Zeit gesucht. Wo soll das Auto hin?" "Das versuch ich gerade herauszufinden, wenn ihr mich nicht wieder 'verliert', dann sag ich's Euch in fünf Minuten." Wieder hinein in die Werkstatt. Ich hätte zuvor anrufen sollen, er hat keinen Platz da. Wann denn der Motor einträfe. Das konnte ich ihm nicht sagen. Aber er hatte keinen Platz da. Die beste Idee, die ihm kam, war das Auto an den Parkplatz vom Supermarkt zu stellen. Die Baraber drängten zur Eile, also fuhr ich mit ihnen hin und wir stellten den Daimler zu Mijer's, in das hinterste Eck. Begeistert war ich davon natürlich nicht, aber erst mußte ich diese bekifften Chaoten loswerden. Ich ließ mich zurück zur Werkstatt fahren und verwickelte sie in sinnlose Gespräche in der Hoffnung, daß sie vergessen, daß ich ja noch überhaupt nicht bezahlt habe. Als wir an der Werkstatt ankamen, sprang ich hinaus und erklärte ihnen den Weg zur Woodward. Die war zwei Blocks weiter, aber ich hielt die Beschreibung so kompliziert wie möglich, dann verabschiedete ich mich mit Schukran, Ma'asalam, wie mir es Almut beigebracht hatte und ging in die Werkstatt. Sie fuhren los. Währenddessen erklärte ich Cliff, daß die Idee also nicht wirklich die tollste sei. Er hätte dort nie einen Einbruch gehabt und ließe die Autos immer dort stehen. Mir ging es aber weniger um Diebesgesindel, denn auf eine Scheibe mehr oder weniger kommt es in diesem Falle wirklich nicht an, wo der Schaden so schon in die Tausende geht, da sind mir 50 Dollar für eine Scheibe gerade wurscht. Mit ging es um die Deutschen Nummernschilder. Irgendein überfleißiger Bulle, der viel weniger Ahnung hat als sein Kollege im Sengal, kann mit den Shcildern nichts anfangen und beschlagnahmt das Auto und ich sitze in Kalifornien und erfahre es nicht einmal. Das fehlt mir noch. Die Jungs mit dem LKW standen wieder vor der Tür und veranstalteten ein Hupkonzert. Wunderbar, es muß ihnen wohl jemand gesagt haben... Ich ging hinaus und beglich die Rechnung. Die Quittung mußte ich mir selber ausstellen. Der LKW war übrigens so beieinander, daß sich sicher im Libanon noch jeder weigern würde, in so ein Teil einzusteigen. Keine Heizung funktioniert, keine Lüftung, alles versifft, Mahlzeit. Die Bremsen gingen auch nicht richtig, was im nachhinein erklärt, warum der LKW on Woodward geradeaus weiterschoß, als ich abgebogen war - nach ausgiebigem Blinken. Dieses Eck der USA ist definitiv dritte Welt.

Ma fiesch mushkila...

Danach setzte ich mich in den Panzer und fuhr zu einer Werkstatt neben dem Supermarkt, die ich vorhin auf dem Rückweg gesehen hatte. German Motors oder so. Ich fand schnell heraus, daß es die Werkstatt von Karl-Heinz, dem Cölner, war. Er war allerdings nicht da, nur der Chef von der angeschlossenen Spenglerei "Elite Collision", Namens Kevin und ein Angestellter, der gerade einen 67er Porsche herrichtete. Ich fragte an, ob es in Ordnung sei, wenn ich das Auto bei ihnen unterstellen würde. Selbstverständlich gegen Bezahlung. Es würde abgeholt, sobald die Maschine bei Cliff einträfe. Nach einigem Hin und Her und unter einbeziehung Cliffs ging es dann. 20 Dollar pro Tag. Das ist OK.Wäre dieser Karl-Heinz nicht so unverschämt teuer, würde ich das Auto von ihm richten lassen, so allerdings nicht.
Das Telephon klingelte und Susanne war dran. Sie brauchte das Auto. Auch das noch. Ich sagte ihr, ich käme so schnell wie möglich. Vorher wollte ich allerdings den Daimler undter Dach und Fach wissen, ansonsten rühre ich mich nicht vom Fleck. Kevin schleppte mit seinem riesigen Ford das Auto hinter Stacheldraht und -zaun und damit war ich schon wieder sehr beruhigt. Dann mit Vollgas zurück zum UT, man will ja niemanden verärgern. Natürlich hatte ich in der Eile auch noch vergessen, meine Sachen aus dem Auto zu holen, doch dafür war nun keine Zeit mehr.

Abends ging ich noch mit den anderen weg, ließ mich vollaufen und versuchte den Tommies zu erklären, daß sie endlich aufhören müßten, ihren Kolonien das metrische System vorzuenthalten, zumal sie schon den Sprung halbwegs geschafft haben. Es klappte natürlich nicht, die USA bleiben bis auf weiteres unlogisch.


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