Persien 2006
Samstag, 19. August

Die Klimaanlage in diesem Bereich des Schiffes funktionierte recht gut. Das merkte ich am frühen Morgen. Die Decken waren schließlich im Auto. Die Pullmannräume waren durch zwei Türen getrennt. Dazwischen waren die nicht klimatisierten Niedergänge zu den Decks. Ich ging zwei Decks tiefer und legte mich vor eine Tür, die die Aufschrift "Crew only" trug. Als es mir da zu kalt wurde, zog ein Deck weiter nach oben und schlief dort weiter. Als mir da zuviele Leute herumspazierten, nahm ich Platz auf einem der Pullmann-Sitze. Mittlerweile war es hell geworden. Es gab sogar eine Steckdose und ich hatte das Ladegerät ür das Mobiltelephon dabei. Leider funktionierte die Steckdose nicht. War mir schon klar. Strom ist wohl beim Pullmann-Ticket auch nicht mitinbegriffen.

Gegen zehn ging ich mit Michl zum Frühstücken, nachdem ich ihn auf dem Außendeck eingesammelt hatte, auf dem er ohne Probleme die Nacht verbracht hatte. Zwei Semmeln, eine Knackwurst, ein wenig Speck, dazu Kakaomilch und Orangensaft für stolze 15 Euro. Dann genehmigte ich mir noch eine Dusche. Als ich fertig war, legte die Fähre gerade an. Erstaunlicherweise auf die Minute pünktlich, fuhren wir zu der beim Ablegen angegebenen Zeit, 11:55 Uhr Ortszeit, von der Fähre.

Noch schnell ein Bild von der Ankunft, ein bißchen einfahren auf dem riesigen Hafengelände und dann konnte es auch schon losgehen.

Zehn Minuten später verließen wir ohne jede Kontrolle den Hafen und fuhren auf die A2 in Richtung Ioánnina, das wir nach zügiger Fahrt nach genau einer Stunde erreichten (13:05 / 269.090). Immer wieder mußte man die Autobahn verlassen, um auf Landstraßen weiterzufahren, die wieder auf die Autobahn führten. Meistens nach Schildern mit der Aufschrift "Kombos". Ich hatte nicht lange genug Griechisch, um herauszufinden, was das hieß.

Weit nach Ioánnina, wir waren wieder einmal auf einer Landstraße, legte ich einige Überholmanöver in schneller Reihenfolge hin, wobei mit die Kurvenoptimierungstaktik sehr half. Ich versuchte erst, einem Ford Transit mir Dortmunder Zollkennzeichen zu folgen. Der fuhr ziemlich zügig, daher war ich mir sicher, daß es ein Türke sein mußte, der auf dem Weg in die Heimat fuhr. So brauchten wir ihm bloß zu folgen, und brauchten die Schilder nur zur Bestätigung. Als wir aber hinter ihm waren und ich glaubte, der 200D sei doch ein wenig schneller, überholte ich auch ihn und fuhr weiter.Kilometerfressen war angesagt. Erste Haltestelle sollte Thessaloniki sein. Kleine Pause zwischendurch. Doch es kam anders. Der Innenspiegel begann extrem zu zittern. Das irritierte mich, auch wenn ich nicht hinsah. Ich klemmte ein eigens zu diesem Zweck zusammengeknülltes Tempo zwischen Spiegel und Aufhängung. Es wurde ein wenig besser. Noch während ich rätselte, warum das nicht schon die ganze Fahrt der Fall war und schon dabei war, es auf den Belag zu schieben, tat es plötzlich einen Knall und das Auto stolperte mehr, als daß es fuhr.

Ich versuchte, es ausrollen zu lassen, aber das Schlagen war so heftig, daß ich einfach im Schrittempo weiterfuhr. All die Autos, die ich mühsam überholt hatte, fuhren nun an mir vorbei. Ich polterte ganz am rechten Rand der Fahrbahn bis zu einer Stelle, die zum Halten geeignet schien. Kardanwelle fiel als Defektquelle schon mal aus, denn das Auto reagierte noch auf das Gas. Noch währen der "Fahrt", gab ich den Befehl, den Schaden festzustellen. "Schaut mal nach dem Reifen, es muß vorne rechts sein. Almut meldete ihren Reifen funktionsfähig. Also war es der vordere Steuerbordreifen, auch wenn Michl nichts sehen konnte. Vor einer Bar in einem Kaff Namens Meléa kamen wir zum Stehen. Der Reifen war im Eimer, und zwar auch für afrikanische Verhältnisse, nach der Art und Weise zu Urteilen, in der er sich abmeldete. Wäre es ein Nagel gewesen, hätte sich der Wagen langsam abgesenkt, mehr Gas benötigt und schließlich zu Poltern angefangen. Der aber war einfach ohne Vorwarnung geplatzt.

Reifenwechsel bei sengender Hitze und unverschämter Luftfeuchtigkeit.

"Den Wagenheber hab ich natürlich ganz unten reingeworfen, also wieder alles ausräumen". Langsam wurde das zur Gewohnheit. Ich räumte alles leer, während eine Band in dem Café einen ohrenbetäubenden Lärm veranstaltete und die Sonne herunterbrannte, was ging. Als ich dann endlich das Objekt meiner Begierde ausgegraben hatte und vorging, um den Reifen abzunehmen, stellte ich fest, daß es wohl eine kompliziertere Angelegenheit werden würde. Der hydraulische Wagenheber paßte nicht unter den Wagen. Den Originalwagenheber hat irgendjemand irgendwann einmal verloren. In Marokko hatten wir ihn doch noch? Von Ratschlägen eines der Bandmitglieder begleitet, von denen ich nur sowas wie Xylos (=Holz) heraushören konnte, ging Michl zu dem Sägewerk gegenüber, um Holz zum Unterlegen zu holen. Wir hatten nämlich Glück im Unglück, denn Das Kaff bestand aus einer Bar und zwei Sägewerken, die ihre Produkte am Zaun lagerten. Eines davon war genau neben uns, das andere auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Als er zurückkam, hatte ich bereits drei Bohlen von dem etwa drei Meter entfernten Zaun geholt. Ich hob mit dem Kapellmeister das Auto vorne rechts einige Zentimeter hoch, so daß Michl den Wagenheber unter die Wageheberaufnahme schieben konnte.

Dann wollte ich loslegen, doch der Wagenheber stand genau verkehrt. "So. Jetzt heben wir die Karre wieder hoch, und Du drehst den Wagenheber um genau 180 Grad", sagte ich, als ob ich ein kleines Kind vor mir hätte. Der Rest war relativ einfach und von einem Mann zu bewerkstelligen. "Wegtreten. Rest mach ich allein." Ich pumpte das Auto hoch, so daß ich die Bohlen unter die Wagenheberaufnahmen plazieren konnte. Dann ließ ich ihn wieder ab und stellte ihn auf eine weitere Bohle. Wieder hochpumpen. Nun kamen die Bohlen, die Michl geholt hatte zum Einsatz.

Der Reifen war nun in der Luft, ich holte das Radkreuz und Nahm das Rad ab. Die Schrauben hätte ich vielleicht vorher lockern sollen, denn nun brauchte ich eine weitere Bohle, die ich unter das Rad schob, damit es sich nicht mitdrehte. Den kaputten Reifen, der einen etwa 15 cm langen Riß auf der Lauffläche aufwies runter, den "neuen" drauf. Garantie gibt es keine. Dieser Reifen war einer von meinem Daimler. Der war schon damals in Libyen dabei und hatte die letzten sechs Jahre bei uns in der Garage verbracht. Wie lange der es mitmachen würde stand in den Sternen. Aber besser als nichts. Sollte der platzen, hatten wir noch zwei Versuche.

Der Gepäckträger bog sich unter dem Gewicht.

Das Herablassen des Autos vollzog sich auch wieder Stufenweise. Ich hatte zwar zwei Beifahrer mit überdurchschnittlich hohem IQ, ganz anders, als damals in Südamerika, aber die praktische Veranlagung war bei keinem überaus hoch. Die eine braucht erst eine wissenschaftliche Begründung, um ein Bild zu schießen, der andere zerstört durch seine Ungeschicklichkeit die Kamera aus Versehen, so blieb das erstellen von Bildern auch an mir hängen.

Beim Einräumen des Kofferraums, füllte ich noch den Saft von einer großen Flasche in eine der weitaus praktischeren kleinen mit Radfahrerverschluß. Als der Kofferraum eingeräumt war, zurrte ich noch die Reifen auf dem Dach fest. "Sind die Radschrauben schon angezogen?", fragte mich Almut. "Fuck!", kam die Antwort, nachdem mir bewußt wurde, daß ich das Radkreuz bereits wieder ganz unten verstaut hatte.

Also alles wieder raus, das Wasser lief mir die Stirn runter, das Hemd war schon wieder klatschnaß. Die Radschrauben festziehen, alles wieder aufräumen. Beim Einsteigen festgestellt, daß die Reifen auf dem Dach nur halb verzurrt waren, denn der Vorgang wurde schließlich unterbrochen. "So. Haben wir jetzt alles?" Nochmal überlegen. "Aufsitzen, weiter geht's." Eine Stunde hatten wir dadurch nun verloren. Es war 15:45 Uhr (269.169), als wir weiterfuhren.

Der Reifen schien zu halten. Die Wetzgeräusche waren weg. 17:15 Uhr, Kilometer 269.280: Ich sah, als wir durch ein Dorf fuhren, links der Straße, mehrere Autowraks. Sofort erkannte ich darunter auch einen dunkelblauen 123er mit Frontschaden. Ich fuhr links von der Straße ab und auf den Friedhof. Am Eingang stand, von der Straße aus durch die Hütte, die an der Einfahrt steht, verdeckt, das, was von einem weißen T-Modell übriggeblieben war. Während Almut und michl an der Tankstelle nach Wasser und nach dem Besitzer oder Verwalter des Schrottplatzes suchten, nahm ich die Wracks unter die Lupe. Alles Brauchbare war bereits weg. Ich hatte vorhin beim Reifenwechseln bemerkt, daß die rechte Schraube fehlte, die die Frontschürze mit dem Kotflügel verbindet. Nach der suchte ich nun. Bei dem Blauen war sie bereits weg, am T-Modell war sie noch da.

17:15 Uhr / km 269.401
Der Autofriedhof neben einer Landstraße, die von und zur A2 (E90 Ioánnina - Thessaloniki) führte.

Ich kramte nach einem Kreuzschraubenzieher. Keiner da. Das Bordwerkzeug von ganz unten rausgeholt, zu diesem Zweck natürlich wieder den gesamten Kofferraum ausgeräumt. Das nervte langsam. Und erst recht, nachdem ich feststellte, daß außer einer Zange und ein paar Maulschlüssel sich rein gar nichts in der Bordwerkzeugtasche befand. Ich schraubte also die Schraube mit einem Schlitzschraubenzieher ab. Das dauert eine Weile. Die Klammern der Scheinwerfer nahm ich auch noch mit. Die Schraube, die die Scheinwerfer mit der Karosserie verbindet, fand ich nicht. Die wollte ich für den braunen mitnehmen, denn bei dem fehlen die schon seit Längerem. Almut und Michl kamen mit einer kalten Cola für mich und mit dem Besitzer zurück. Ich gab ihm zu verstehen, daß ich zahlen wollte. Ich verstand, daß ich ihm geben sollte, was ich für richtig hielt. Zwei Schrauben, eine Klammer. "Zwei Euro OK?", fragte ich und hielt ihm die entsprechende Münze hin. Er nickte bejahend. Ich gab sie ihm und wir fuhren weiter.

"Wir können jetzt links fahren auf die Landstraße oder geradeaus auf die Autobahn", gab mir Michl zur Entscheidung. Ich fuhr weiter. Ich kann mich erinnern, daß ich irgendwo mal keine Maut bezahlt hatte, weil Feiertag war. Vielleicht war ja heute auch Feiertag. Ich fuhr also geradeaus. Und siehe da, alle Schranken waren oben und man konnte einfach durchfahren. Wir blieben auf der Autobahn und erst sehr viel später kam eine funktionierende Mautstelle, die uns zwei Euro kostete. Das ließ sich verkraften, schließlich spart man dadurch Zeit.

Um sechs, kurz vor Sonnenuntergang, trafen wir in Thessaloniki ein. Wir gurkten erst ewig planlos durch die Gegend, ohne richtig zu wissen, wohin wir eigentlich wollten. Wir standen an einer Linksabbiegerampelan zweiter Stelle, als ein Taxi neben uns fuhr und seinen Vordermann anhupte. Dieser fuhr kurzerhand über die rote Ampel und gab damit dem Taxi Platz, das nun auch fahren konnte. "Das ist ja praktisch. Einfach Hupen und die Ampel wird frei." Ich hupte auch, da fuhr mein Vordermann über die ebenfalls rote Linksabbiegerampel. Funktionierte tatsächlich. Wir warteten allerdings die Grünphase ab.

An einer Tankstelle hielten wir, doch die hatte weder Reifen noch Diesel. Ich wollte den geplatzten Reifen ersetzen, weil ich mir ziemlich sicher war, daß der nächste Reifen ziemlich bald platzen würde. (19:15 / 269.401) An der nächsten Tankstelle, einer "Kinitron", hatten sie zwar Diesel, aber keine Reifen. Ich fragte nach: "Visa?" "Ja", war die prompte Antwort des Tankwarts. "Master?", fragte ich, weil mir einfiel, daß ich ja mittlerweile Master fuhr. "Ja! Diesel? Ja. Full?", machte der Tankwart weiter. "Ja", sagte nun ich. "Jawoll", korrigierte er mich. Während er den Tank vollaufen ließ, bastelte ich einen Sahara-Kühlschrank. Ich wickelte zwei Saftflaschen in ein Wiledatuch, legte das Ensemble vorne unten an den Kühler und ließ Wasser darüberlaufen. Fertig. Jetzt noch ein paar Kilometer fahren und wir würden kühlen Saft haben. Michl kam plötzlich mit Cigaretten an. "Wo hast Du die her?" "Über der Kasse..." Hatte ich wohl übersehen, weil ich die ganze Zeit die Kassiererin angestarrt hatte. Die war meiner Meinung nach ungewöhnlich hübsch für diese Breiten, doch als wir kurz darauf nach Kalamaria an die Strandpromenade fuhren, wurde ich eines Besseren belehrt, denn hier liefen lauter solche Exemplare umher.

Die Strandpromenade von Thessaloniki.

Michl lotste uns danach wieder auf die Ringstraße, die uns über kurz oder lang auf die Landstraße zurückführen mußte. Auf dem Weg dahin schickte ich eine SMS an Mamma Besold, die heute Geburtstag hatte. Kurz darauf kam auch schon eine Antwort, und zwar vom Vater: "Reifen vorne links an ungarisch - ukrainischer Grenze geplatzt". Somit war ich wenigstens nicht der einzige Besold mit Reifenproblemen gewesen.

Etwa um Acht waren wir wieder auf der Landstraße Richtung Kaballa. Thessaloniki war die letzte größere Stadt vor der Grenze. Alexandroupolis versprach vergleichsweise ein Kaff zu sein. Die Fahrt war entspannt. Michl und ich unterhielten uns über die alten Schulzeiten. Die eine oder andere Schote sorgen heute noch für Lacher. Es ging ab und zu über Serpentinen. Es erstaunte mich, daß die griechischen Straßen so gut ausgeschildert waren und daß der Fahrbahnbelag ganz glatt war. Keine Ahnung, ob das an EU-Geldern lag, oder ob ich nach der Erfahrung in Brasilien überhaupt noch wagen kann, welche Straße auch immer als schlecht zu bezeichnen. Ich hatte jedenfalls 1999, als ich in die Türkei fuhr, noch nie schlechtere Straßen befahren als diese hier. Und genau die kamen mir jetzt erstklassig vor. Seltsam, wie sich Dinge ändern und man nicht immer sagen kann, woran es liegt. Waren nun die Straßen tatsächlich besser geworden, oder war das nur in meinem Kopf der Fall? Ich werde es wohl nicht herausfinden. Zwischen Kaballa und Xanthia fuhren wir eine Tankstelle an. Ich stellte als erstes fest, daß der Kühlschrank bestens funktionierte, aber bereits ausgetrocknet war - kaum zu glauben, bei der Luftfeuchtigkeit. Das hieß kürzere Pausen zu machen.

Thessaloniki

 


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