Persien 2006
Dienstag, 29. August

Punkt sieben klingelter der in meinem Nokia 6610, das ich auch gerne als externen Hiernersatz bezeichne, eingebaute Wecker. Zehn Minuten lang redete ich mir ein, daß ich jetzt tatsächlich aufstehen sollte und dann sprang ich auf. Duschen, anziehen. Ich packte meinen Notizblock, meine Zollpapiere in die zweite LapTop-Tasche und zog los. Michl blieb im Hotel. Das war ein Behördengang, dazu war er ziemlich unbrauchbar, zumal ich mit dem Taxi fuhr. Ich hatte zwei Termine zur gleichen Zeit. Einmal sollte ich um acht beim Zoll sein, dann aber auch gleichzeitig bei der Polizei, um den Fehler von gestern beheben zu lassen. Aber da hatte ich keine Bedenken, insofern steuerte ich als erstes den Zoll an, nachdem mich der Taxifahrer bei der Polizei hinausgelassen hatte. Ich hatte nur den einen Wisch, den mir die Rezeptionistin geschrieben hatte und den hielt ich ihm unter die Nase.

Beim Zoll angekommen konnte ich gleich durchmarschieren. Man erkannte mich also wieder. Ich fuhr hinauf in den dritten Stock und ging nach links. Wie gestern, eben. Nur war da kein Großraumbüro, sondern nur eine Art Wartesaal. Dann muß es im vierten Stock gewesen sein. Ich stiefelte die Treppen hinauf. Wieder nichts. Ich stand vor einer verschlossenen Tür. Noch eins weiter hoch. Da endlich fand ich das Büro. Ich war zehn Minuten zu spät. Man erwartete mich auch schon. Der Herr Karimi sei noch nicht da, würde aber jeden Moment ankommen. Ich solle doch derweil Platz nehmen. Ob ich einen Tee wollte. "Ja, danke, gern..." Der Tee kam, auf jedem Tisch stand der Zucker. Es fehlte noch der Löffel zum umrühren. Mir fiel nichts anderes ein, als den Autoschlüssel dazu zu benutzen. Als ich mich gerade anschickte, schrie man nach dem Teebringer. Der kam eine Sekunde später mit dem Löffel angerannt. "Shukran", sagte ich. "Das ist Arabisch. Hier sagen wir Taschakuhr". "Ah, OK. Teschekür!", sagte ich dann. "Nein, das ist Türkisch. Dann sag Mahmnun". "OK. Beim nächsten mal. Eure Sprache ist etwas kompliziert. Ich dachte, hier kann jeder Arabisch, aber ist gar nicht so." "Nein, natürlich nicht. Wieso auch? Wir sind Arier. Die Araber sind Semiten." "Jaja, aber das Geschriebene ist ja auch Arabisch. Da dachte ich mir halt, daß wer Arabisch schreiben kann, auch Arbisch spricht." "Du schreibst doch auch Lateinisch und sprichst aber deutsch, oder?" "Ja, jetzt hast Du mich erwischt... Aber was ist das da hinten?", fragte ich und deutete auf das Hisbollah-Poster, das hinter seinem Schreibtisch hing, "Persisch, oder Arabisch? Und was macht das überhaupt hier? Ich will auch so eins!" "Ah, you like Hisbollah. Ich sag doch, Du bist Terrorist. Ist mir gestern schon aufgefallen." Ich packte meinen Geldbeutel aus, zeigte ihm den kalifornischen Führerschein, auf dem noch das Bild von 2003 mit dem Dreijahresbart war. Er lachte und reichte ihn seinen Kollegen weiter. "Bist Du der Neffe von Osama Bin Laden?" "Ich wünschte, ich wär's. Wißt Ihr, wieviel Kohle der Typ hat?" "Also gut. Weil Du ein braver Terrorist bist, schenke ich Dir das Poster." Er nahm es von der Wand und rollte es ein und gab es mir.

Der Schreibstubenvorsteher, der gerade in den Raum kam meinte dazu auf Englisch: "Na, endlich kommt durch das Fenster wieder Licht in die Bude." Er gab mir die Hand und sagte, daß der Herr von der Gesellschaft gerade an meinen Papieren arbeitete und fragte nach den Zollunterlagen. Ich gab sie ihm und er ging an seinen Tisch, ordnete an, daß mir der inzwischen leergetrunkene Tee nachgeschenkt werde und bat mich an seinen Tisch. Er fragte mich nach dem Grund der Verlängerung. Ich erklärte ihm, daß ich gerade mein Visum verlängert hätte, weil das Visum für Pakistan mindestens zehn Tage brauchen würde. Da ich aber mit dem Auto da bin, wäre es ganz praktisch, wenn ich auch eine Verlängerung für die Fahrzeugpapiere bekommen könnte. "Das werden wir schon hinkriegen... Ich schreibe einen Brief an die Grenze in Mir Jaweh und einen an die Grenze in Bazargan. Dann müssen wir nur abwarten, was der von der Gesellschaft sagt." Ich wartete eine Weile und fragte nach, ob es denn möglich wäre, daß ich schnell zur Polizei ginge. Es war 9:55 Uhr. "Ich wäre in einer Stunde wieder da." "Jaja, kein Problem..." Ich zog also los, kam an dem Zeitungsstand vorbei und nahm die Teheran-Times mit. Auf dem Ausländeramt kam ich gleich dran. Ich trug mein Anliegen vor, man vestand nichts und holte den Polizisten vom Vortag. Er bat um die Pässe und darum, daß ich Platz nehmen möchte, es würde nicht lange dauern. "Wenn ich das schon höre..." Aber bisher waren die hier recht zackig gewesen. Ich setzte mich, packte die Zeitung aus und las die Neuigkeiten.

Ich kam nicht dazu, den Artikel au Ende zu lesen, da rief mich schon der Polizist und gab mir die Pässe. "Hier Deine Pässe. Wenn die Frist abgelaufen ist, mußt Du aus dem Land sein." Ich bedankte mich, krallte mir die Pässe, hörte diesmal auf die innere Stimme und ging fast im Laufschritt aus dem Gebäude, links und Richtung Zoll. Es hatte keine Stunde gedauert, denn um fünf nach halb Elf saß ich wieder auf meinem Platz und schlürfte Tee. Der Vorsteher fragte mich, ob ich das Internet benutzen wollte. Eigentlich schon. Das war der einzige Weg, Almut zu kontaktieren. Es gab aber in dem Büro nur zwei Rechner. Einer auf seinem Scheibtisch, den anderen auf dem der einzigen Dame im Raum. Sei kein Problem. Ich nahm also am Rechner Platz und las erst mal die eMails. Es waren zwei von Almut da. Kurz und bündig: "Wie laeuft es bei Euch? Ich komme noch nicht einmal zum Telefonieren, versuche aber, Euch nachher zu erreichen. Muss los, A."
Ich schrieb zurück: "Bei uns alles soweit klar. Die Visa werden ohne weiteres verlängert. Wir konnten nun bis zum 14. September bleiben. Du mußt nur zur 'Polizeiabtheilung für außerirdische Liebschaften' gehen und denen eine Geschichte erzählen. War kein Problem. In Ankara mußt Du selbst anrufen und das Weiterleiten des Passes veranlassen. Allerdings kann es sein, daß dann der Paß in Teheran ankommt und wir schon wieder in der Türkei sind. Erwarte Anweisungen. Ich sitze gerade bei den Jungs vom Zoll und die Autopapiere werden auch gerade verlängert. Danach fahren wir los nach Esfahan. Bist sicher, daß Du nicht mitwillst?"
Auch an Martia schrieb ich eine eMail. Wer weiß, ob die SMS überhaupt angekommen war.

Kurz darauf war mein Papierkram auch schon erledigt. Sie wurden um sechzehn Tage verlängert und das auch noch kostenlos. Der Herr Karimi von der Mahan Tir, der Gesellschaft, die für uns bürgte, stellte sich kurz vor und bat mich, bei ihm anzurufen, bevor ich die Grenze erreiche, ob Bazargan oder Mir Jaweh. Um Elf stand ich bereits wieder vor dem Gebäude. Alles war erledigt, soweit. Nun konnte ich zur pakistanischen Botschaft fahren und versuchen, ein Visum zu beantragen. Ich stieg ins Taxi und sagte "Pakistan Seforat". Das war das einzige Wort persisch, das ich bislang behalten konnte. Seforat heißt Botschaft. Wir fuhren los. Eine Weile standen wir im Stau, aber das ändert am Preis nichts. 30.000 Rial hatte ich ausgehandelt. Ich wußte auch nicht, wie weit es war, aber drei Euro sind OK. Als wir uns dem Gebäude näherten, auf dem eine Flagge wehte, kam mir alles so bekannt vor. Ich deutete drauf und machte eine Geste des Unverständnisses. "Seforat Pakistan", sagte er. "Seforat Afghanistan in Pakistan Straße", berichtete ich ihn. Er hielt vor dem Gebäude. Ich deutete auf das Schild. "Afghanistan", las ich vor. Dann deutete ich auf die Straße und sagte: "Pakistan Street". Er verstand und fuhr los, nach einer weiteren Viertelstunde ließ er mich bei der pakistanischen Botschaft raus. Ich ging hinein. Es war nicht viel los in dem kleinen Raum. Ich kam folglich gleich dran. "Visa?", wurde ich gleich gefragt. "Yes, please..." "Nationalität?" "Deutsch". Er gab mir die Formulare und ein weißes DIN-A4-Blatt, das ich mir genauestens ansah, indem ich es vier-, fünfmal wendete. Es war tatsächlich unbeschrieben. "Da müssen Sie draufschreiben, warum sie das Visum nicht in Deutschland beantragt hätte. "Ah, OK, glad I checked..." Allein die Aktion zeigt sofort, mit wem man es zu tun hat. Planlos...

Ich steckte alles ein und ging wieder auf die Straße, auf der Suche nach einem Taxi. Ich fand eine Weile keines. Es waren viele Soldaten unterwegs, es war irgendwo eine Kaserne in der Nähe. Meist grüßten sie freundlich, manchmal versuchten sie, die Nationalität zu erraten. "American?" "French?" "Naaah. Bäh! Alleman!" Ich steuerte einen Taxler an, der gerade Kühlwasser nachfüllte und hielt dem Fahrer die Visitenkarte des Hotels entgegen. "Wieviel? How much? Rial?" "40.000". Dabei stellte ich fest, daß das Geld immer knapper wurde. Ich stieg ein. "40.000, aber dann AirCondition", sagte ich, schloß mein Fenster und schaltete die Klima an. Er fuhr los. Als wir in der Gegend des Hotel waren ging das Gefrage los. Das Hotel zu finden beanspruchte mehr Zeit, als die ganze Fahrt von der Botschaft zum Khomeini-Platz.
Der Taxler beim beschaffen der Wegbeschreibung.

Irgendwann, als ich wußte, daß ich den Weg selbst finde, stieg ich aus und stiefelte weiter. Natürlich verlief ich mich, aber ich konnte mich bei Passanten durchfragen. Um zwölf war ich wieder am Hotel. Die Rezeptionistin fragte mich, ob ich denn die Rechnung begleichen könnte. Es sah mager aus. "Ich muß erst wechseln." "Ah, OK, kein Problem." "Doch Problem. Bank immer Problem" Sie sagte mir, wo es eine Wechselstube gab. Dann begab ich mich aufs Zimmer. "Und?", wollte Michl wissen. "Alles erledigt. Das Auto darf bis zum 14. im Land bleiben." Jetzt galt es noch, ein paar Kleinigkeiten zu erledigen und dann konnte es losgehen. "Pack Deinen Kram zusammen. Als erstes zum Geldwechseln, dann zur Botschaft." Wir gingen bald los. Zu Fuß. "Scheiße!", blieb ich stehen. "Was los?" "Hab meinen Block vergessen." Ich spurtete zurück und holte den Block. Dann ging es weiter. "Scheißdreck!", blieb ich weider stehen. "Was ist jetzt?" "Wir müssen doch wechseln. Hab meinen Geldbeutel im Hotel vergessen." Ich spurtete erneut zurück, holte das Zeug, überlegte, ob ich noch was vergessen hätte - doch solche Überlegung führen meist zu nichts. Selbst wenn ich vor dem Gegenstand stünde, würde es mir nicht einfallen. Ich ging also wieder zurück. Michl stand an der Stelle, an der ich abgedreht war, rauchte eine Cigarette und stierte in den Boden. "Gibt es da was Spannendes?", weckte ich ihn und wir gingen weiter, an den Autozubehörläden vorbei.

Ich griff nach meiner Brusttasche. "Fuck!", blieb ich stehen. "Was hast jetzt vergessen?" "Kippen." "Ah, ich hab vorhin welche gekauft. Du hast ja den Autoschlüssel mitgenommen." "Ja, aber auch das ganze Geld... Wie hast Du die Kippen bezahlt?" "Ich hab gewechselt. Einen Fünfziger." "Idiot!" "Wieso?" "Dann natürlich erst zur Botschaft, die Wechselstube hat länger auf."

Auf dem Weg zum Geldwechseln ging ich in ein Geschäft und fragte nach Keilriemen. Irgendwann brauchten wir schließlich einen Ersatz. Der Typ sprach wider Erwarten fließend Englisch und fragte nach der Größe. "Wo ist die Verpackung vom alten?" "Im Handschuhfach." "Ach, verdammte Scheiße, ich kotz gleich. Wo ist denn die Almut? Der Idiotie-Gehalt ist einfach zu hoch, wenn wir zwei unterwegs sind", ich stiefelte zurück zum Hotel und holte die Verpackung aus dem Handschuhfach. Wenigstens dachte ich an die Cigaretten, die unter dem Fahrersitz lagen. Nach einer Weile war ich wieder am Geschäft. Ich hielt ihm die Verpackung entgegen. Er sagte, wir sollen warten und fetzte los. Man bot uns Tee an. "Das ist ja mal ein Service..."

Als er den Löffel sah, glaubte er erst, den hätte der Arzt dort vergessen...

Wir warteten nicht lange, da kam er schon wieder an mit dem Keilriemen. Er hätte einen genommen, der die gleichen Zahlen hatte. Aber ich könne nachmessen. Er schnitt mir ein Stück zwirn ab und gab es mir. "Was kostet der denn? In Rial bitte." Die haben hier die angewohnheit, alles in Toman anzuschreiben. Dabei kürzt man einfach eine Null weg. 1.000 Tuman sind demnach 10.000 Rial, also ein Euro. Er sagte "20.000". "Tuman oder Rial?" "Rial. Du hast doch gesagt Rial", er tippte es in den Taschenrechner ein und schob ihn rüber. Da stand 20.000. "Rial", bekräftigte er nochmals. Das waren zwei Euro. Und wegen zwei Euro latsch ich sicher nicht nochmal zum Hotel zurück, obwohl diesmal nicht meine Blödheit der Grund gewesen wäre. Ich schob ihm einen 20.000er rüber, bedankte mich für den Service und wir gingen weiter. "Schon wieder viertel nach eins und nichts ist erledigt, Zefix... Was mach ich jetzt mit dem Keilriemen? Keinen Bock, den die ganze Zeit mir mir rumzuschleppen." Ich legte ihn mir an. "Das schaut ziemlich blöd aus. Warum tust Du ihn nicht einfach in den Rucksack?" Wortlos tat ich ihn in den Rucksack. "Iidot! Sag halt gleich, daß Du einen Rucksack dabeihast." "Sieht man das nicht?" "Nicht, wenn Du dauernd 20 Meter hinter mir schleichst, wie so'n Türkenweib..." Hauptsache, ich bin nicht schuld...

Auf dem Weg zur Botschaft kamen wir an einer Wechselstube vorbei. Das änderte nun die Reihenfolge. Erst wurde gewechselt. Jeder einen Fünfziger. Das sollte vorerst reichen. Anschließend gingen wir zum Essen in einen kleinen Laden an der Vali Asr. Zur Botschaft brauchten wir nicht mehr. Wenn sie nicht schon zuhatte, dann war sie zumindest gerade am Schließen. Es war ein kleines, schlauchförmiges Lokal, in dem sechs Tische standen und ein Tresen am Ende des Raumes. Wir ließen uns nieder, nach gewohnter Art setzte ich mich so, daß ich nach hinten von Wänden geschützt war und Sicht nach draußen hatte. Nur war genau hinter mir der Tresen, statt einer Wand. Bestellung: Eine Pizza und einen Burger. Was die hier Burger nennen ist ein längliches Brot, das ein in drei Teile zerhacktes Hamburgerpflanzerl hat, Tomaten und Gurken. Käse habe ich noch nirgendwo gesehen. Schmeckte allerdings sehr gut. Und wieder brachte man die Bestellung genau an den falschen Mann. Das passiert jedes mal. Dabei sind Chancen doch 50-50. Ich las die Teheran-Times. Ein Artikel rief mein Interesse hervor: "President's letter to German chancellor released". Der von der Bundesregierung nicht veröffentlichte Brief war nun hier in der Zeitung abgedruckt. Zwar nicht in voller Länge, aber in Auszügen. "Da schau her, da muß man erst bis nach Teheran fahren, um das lesen zu können. Soviel zur vielgepriesenen Pressefreiheit in der Bundesrepublik..." "Ja, aber ich denke in dem Fall ist es doch ja wohl auch irgendwie verständlich..." "Jaja, schon recht. Woher willst Du das wissen, wenn Du nicht weißt, was drinsteht?"
Wir waren fertig rauchten noch eine und ich damit auch noch fertig war und aufstehen wollte, blieb ich mir dem rechten Fuß am linken Tischfuß hängen und flog quer durchs Lokal, blieb mit dem Kopf am Kellner hängen und riß den auch noch mit, der er gerade eine Bestellung vom Tresen aufnehmen und zu einem der Tische bringen wollte. "Fuck! Scheiß Tisch! Dreck, da." "Sorry, Sir, excuse me", sagte der Kellner und hatte sichtlich Mühe, das Lachen zu unterdrücken. "Paßt schon. Nicht Dein Fehler. Fehler vom Tisch..."

Um dreiviertel Fünf waren wir wieder am Hotel. Ich beglich die Rechnung und zahlte eine Übernachtung im Dreierzimmer und zwei im Zweier. Die Wäsche war gewaschen und auf das Zimmer gebracht worden. Ich legte mich hin, um den Schlaf nachzuholen, den ich in der Vornacht vertippt hatte. Es war alles erledigt, was zu erledigen war.

Um zwanzig nach Acht stand ich wieder auf. "So, best fighting trousers on... Morgen geht's los." Mir gefiel es hier gut und ich mußte aufpassen, daß ich nicht die ganze Zeit in Teheran vertat. Bei den Spritpreisen wäre das glatt eine Todsünde. "Hab schon wieder Hunger. Gehen wir was fressen..." Wir zogen los um einen Laden in der Nähe zu suchen. Außerdem war das Cola schon wieder alle. An Bord waren wir auf Saft umgestiegen auf dieser Fahrt, denn der ist auch warm immer noch genießbar, während es nichts widerlicheres gibt, als warme Cola ohne Kohlensäure. Aber im Hotel hatten wir einen Kühlschrank, daher genehmigten wir uns den Luxus, diesen mit Cola aufzufüllen. Anderthalb Liter original Coca Cola kosten umgerechnet 60 Cent. Überall. Wir kamen an einer Unmenge Schuhgeschäften vorbei. Die Schuhe waren spottbillig, kaum ein Paar über 19 Euro. Michl brauchte neue Schuhe. Wohl weil es zu kompliziert ist, sie jedes Mal zu binden, nahm er welche ohne Schuh Bändel. Ich handelte sie von 190.000 auf 170.000 herunter und es ging weiter. Wenigstens dafür braucht er nicht so lange wie ein normaler Mensch. Bei allem anderen muß man das fünffache an Zeit einplanen. Wir fanden einige hundert Meter weiter ein Lokal, in dem persischer Döner serviert wurde und beschlossen, dort zu bleiben. Dazu gab es Parsi-Cola. Auch nicht schlecht. Als wir fertig waren, traten wir den Rückweg an, schlenderten den gleichen Weg zurück. "Scheiße! Geht's schon wieder los", blieb ich erneut stehen. "Was diesmal?" "Meine Haube." Ich lief zurück, nahm meine Schildmütze auf und ging zurück. An einem Rucksackgeschäft hielt ich und sah mir an, was so angeboten wurde. Der Besitzer des Ladens brachte uns Saft und Gebäck. Aber er drängte nicht zum Kauf. Wollte nur wissen, wo wir her seien. Als ich mich eine Weil in aller Ruhe umgesehen hatte, nahm ich einen für 70.000 Rial, sieben Euro. Da ist nichts kaputt. Ob er wirklich von Nike war, wagte ich zu bezweifeln. Aber er erfüllte seinen Zweck und war auch ziemlich rießfest, was ich gleich ausprobieren mußte. Wir gingen die Amir Kebir entlang und sahen uns die Autoläden an, die allerlei interessante Sachen anzubieten hatten.
Heila-Scheinwerfer, zum Beispiel. Sicherlich original.

Wir wären auch in aller Seelenruhe an der Hotelgasse vorbeigelaufen, wenn nicht der Reifenhändler am Eck "Hitler, Hitler" gebrüllt und nach einer Cigarette gefragt hätte. Ungewöhnlich dabei war nur, daß er brüllte, das macht hier normalerweise niemand. Ich gab ihm eine und mir fiel ein, daß wir ja immer noch den zerfetzten Reifen auf dem Dach hatten. "175 R 15", grüßte ich zurück. Aber er verstand nichts. Die waren gerade am Schließen, daher verschob ich das ganze auf den nächsten Tag. Wir hatten ja noch zwei und im Zweifelsfall sind Reifenhändler sicher keine Mangelware im Lande. Waren sie ja in Libyen auch nicht.

Zum Hotel waren es nur noch ein paar Meter durch eine enge Gasse, in der gerade ein Wasserablaufgraben Platz zu haben schien. Im Zimmer angekommen, versuchte ich noch, Almut zu erreichen, um sie davon in Kenntnis zu setzen, daß es morgen losging. Es war erst viertel nach Neun und somit durchaus noch christlich, bei Yassir anzurufen. Natürlich klappte es nicht. Jemanden telephonisch erreichen zu wollen, der kein Handy hat und sich ernsthaft überlegt, den Festanschluß abzumelden, letztlich die Telephonschnur mit einer Gartenschere durchschneidet, klappt auch im Iran nicht. "Da kann ich mir genausogut einen Knopf an die Backe nähen", gab ich nach dem dritten Versuch auf. Ich tippte noch eine Weile und legte mich dann schlafen. Wir wollten nicht erst am Abend los und ein paar kleinere Erledigungen standen noch aus.

Es kam noch ein Beitrag über die Bombenanschläge in der Türkei. Die Anschläge zielten auf Touristen, auch wenn sie nicht trafen. Es galt, der türkischen Tourismus-Industrie zu schaden. Nur rechnen die Anschläger wohl nicht mit der Blödheit mancher Touris. Der Großteil von denen rät von einer Reise in den Iran strikt ab. Wohl weil sowas bei Neckermann nicht angeboten wird.


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