Grand Canyon 2006
Donnerstag, 6. März

Um halb neun wurde langsam Aufgestanden. Ausnahmsweise war ich mal als Erster wach. Jana schlief noch eine Weile weiter, während ich den Hügel hinanstieg, um mir sprichwörtlich ein Bild der Lage zu machen. Irgendein Depp hatte seinen häßlichen Pickup in die Landschaft gestellt. Nichts gegen Umweltverschmutzung, aber wenn diese sich optisch äußert, dann verdrießt das doch ab und zu. Ich kletterte auf die Felsen und sah auf unsere Stellung herab. Bei Tageslicht konnte man den Stacheldraht deutlich sehen. Wie man da nur reinlaufen kann... Zum Glück hat sie sich nicht dain verfangen.

Die Landschaft hier kann sich durchaus sehen lassen. Auch das Wetter war unerwartet gut an diesem Tag. Sonnig, aber nicht zu heiß. Doch es gemahnte mich, endlich die Klimaanlage instandsetzen zu lassen. Im Sommer ist das hier sicher kein Spaß, wenn die den Dienst versagt.

Um zehn Uhr morgens war alles aufgepackt, das Auto klar zum Auslaufen. Wir wollten den North Rim ansteuern. Mal sehen, was dort so geboten war. Nachdem wir die Wanderung wetterbedingt ausfallen lassen mußten, konnten wir uns noch einen kleinen Autoausflug erlauben. Zeit hatten wir noch genug. Freitag Nachmittag kam Janas kleine Schwester am LAX an und wollte abgeholt werden. Das würden wir auf alle Fälle schaffen. Doch nun wurden zunächst einige Bilder geschossen.

Um 11:00 Uhr (km 815.852), nach kurzer Besichtigung einer seltsam anmutenden Indianerhütte, fuhren wir los. Wir genossen die Landschaft und tuckerten gemütlich vor uns hin und Jana schoß mit der Kamera Dauerfeuer. Es ging durch wunderschöne Wüstenlandschaft, die jedoch nur zu oft von oftmals verschneiten Wäldern und Käffern gestört wurde. Man möchte schon fast zerstört sagen. Von unendlicher Weite war hier nichts zu spüren. Auch war relativ viel Verkehr. An dieser Stelle erscheint es mir sinnvoll, die Bilder sprechen zu lassen, da es nicht viel zu Schreiben gibt.

Indianerhütte

 

Landstraße

 

Landstraße

 

Als wir in einem unbedeutenden Kaff vorbeikamen und eine Tankstelle erblickten, hielten wir an. Zwar hatten wir noch einen vollen Tank, doch irgendwie mußte ich hier anhalten. Nun bildete ich mir ein, daß ich einen Luftfilter für den Benz brauchte. Der war längst schon überfällig. Wenn ich mich recht entsinne, ist dieser hier schon seit Brasilien drin. Daß da überhaupt noch Luft durchgeht ist ohnehin ein Wunder. Judd's Auto Service. Es war ein großes Werbeschild davor angebracht, das für Lotto, Bier, Waffen & Munition warb. Da mußte ich hinein.

Ich ging also hinein und sah mich um. An der Kasse ein fröhlich grinsender Typ, jede Menge Waffen und rechts davon ein gelangweilter Kerl mit der Aufschrift "Enrico" auf der Brust. Ich sprach ihn, als er mich fragend ansah, logischerweise auf Spanisch an. "Buenas Noches. Ich bräuchte einen Luftfilter für einen 82er 200D. Gibt's hier sowas?" Er sah mich nur verständnislos an, erklärte mir, er könne kein Spanisch. "Wie bitte? Du heißt Enrico, siehst aus wie ein Mexikaner und sprichst kein Spanisch? Wo bin ich denn hier gelandet?" Es stellte sich bald heraus, daß er wohl nordamerikanischer Indianer war. Na gut, dann das gleiche halt auf Englisch. Das Endergebnis war das gleiche, denn sie hatten keinen Filter. Ich ging zum Tresen und sah mir die Gewehre an. Jede Menge Karabiner hingen da. Der vorletzte sah mir so vertraut aus.
"Ist das ein K98?", wollte ich wissen
"Ja. German, Worldwar II."
"Kann ich mal sehen?"
"Ja. Klar." Er nahm das Gewehr und reichte es mir herüber, als wäre es eine Ölflasche. "Da. Feel it." Eine schöne Waffe. Einfach klassisch. Deutsche Wertarbeit. Ich las den Zettel: "German Rifle WWII, 8mm. 399 US$"
"Das hier würde ich nochmal nachsehen lassen", erklärte ich ihm naseweis, "meines Wissens ist das nämlich Kaliber 7,92, nicht, daß es beim ersten Schuß dem Schützen um die Ohren fliegt. Wäre schade um das schöne Gerät."
"Oh, das wußte ich nicht. Werde mal nachsehen. 7,92, sagst Du?"
"Ja."
"Mal was?"
"Hä?"
"7,92 x Was? Es sind immer zwei Maße. Durchmesser und Länge der Patrone."
"Achso. Ich glaube, 57, bin mir aber auch da nicht sicher. Aber vielleicht erledigt sich das gleich. 399 US$ ist ein guter Preis. Gibt es irgendwelche Verkaufsbeschränkungen?", fragte ich, während ich leer durchlud. Dieses Klacken hatte was. Wie sanft das Schloß noch glitt, mit einem leisen Klacken anschlug, zurückschlittert und fest und sicher zuging. Einfach schön. Auch der Abzug ging noch gut. Druckpunkt. Klick. Klack. Klack. Klack. Klick. Es fehlte nur der Klang der leeren Hülse, die auf dem harten Boden aufschlägt. Ansonsten perfekt.
"Ja, schon", sagt er. Und ich war gespannt. "Ich darf es nicht an Minderjährige verkaufen."
"Betrifft mich nicht. Ist das alles?"
"Nein. Ich darf es auch nicht an Leute verkaufen, die in Californien oder New York ansässig sind."
"Warum das denn?"
"Weil die so ein idiotisches Waffenrecht haben. Aber kein Wunder, da wohnen ja auch nur Bekloppte... Auch darf ich es nicht an Ausländer verkaufen."
"Verdammt." Ich hatte zwar meinen Michigan-Führerschein, das hätte gereicht, allerdings wollte ich mir keinen Ärger einhandeln, falls mich die Bullen anhalten, was bei deutschen Kannzeichen nicht unwahrscheinlich schien. "Kann ich wenigstens ein Bild davon machen?"
"Was hältst Du davon, wenn ich das Bild mache? Ich kann das!" Ich reichte ihm die Kamera über den Tresen.
Keine Frage. Sowas muß mal her. Wozu lebt man denn in Amerika, wenn nicht zum rumballern? Ich reichte ihm mit einer Schnute das gute Stück wieder. "Wie sieht es mit einer P08 aus?" "Suche ich für mich privat schon lange. Aber die sind alle so teuer. Diese Pistole ist einfach ein Kunstwerk. Muß ich haben."

Keine Filter, mit dem K98 sah es auch schlecht aus. Wir kamen und kamen nicht ins Geschäft. Schade. Weiter ging es durch die Wüste in Richtung Westen. Ich erblickte eine Piste, die nach rechts abzweigte. Ich konnte nicht widerstehen, hielt an - etwas verspätet - drehte um und fuhr ihr nach. Mit reduzierter Geschwindigkeit, wegen der Fahrrillen. Hier müssen nach dem Regen LKW gefahren sein.

Seit Jahren wieder einmal eine Piste...
Gut zu wissen, daß es hier auch soetwas gibt.

Aber mittlerweile war das Terrain schon fast wieder trocken und so holperte der Benz vorwärts. Weit fuhren wir allerdings nicht. Vielleicht einen Kilometer, dann drehte ich um. Keine unnötigen Strapazen für den alten Kamerad. Die Karosserie muß erst gründlich überholt und verstärkt werden. Die Nachwirkungen jenes Zwischenfalls mit dem verfluchten Baum machen sich akustisch immer wieder bemerkbar. Ab und an berührt das achtere Backbordrad den Radkasten, oder gibt sostige Schabgeräusche von sich. Das bedeutet Pistenverbot und darüberhinaus redizierte Marschgeschwindigkeit. Aber auf den Knien ist er noch lange nicht.
Hier muß schweres Gerät ran. Aber Kalifornien ist nicht der schlechteste Ort, um einen 123er wieder Einsatztauglich zu machen. Das Geld ist da, die 123er fahren noch tausendfach auf den Straßen, kein Mechaniker steht vor einem Rätsel, wenn man ihm die Karre hinstellt. Alles, was man braucht ist Geld und Zeit. Dann kommen auch die Zeiten wieder, da die Karosserie wieder hart und fest wird. Da der deutsche Musketier wieder mit seinem Gerät wieder auf den Pisten der Welt operien kann, und da wir wieder vorwärtsmaschieren werden. Doch noch ist es, wie gesagt, nicht so weit.

Zurück ging es auf die Straße und weiter in Richtung North Rim. Wir hatten an der Tankstelle gefragt und zur Antwort erhalten, daß der North Rim bis Anfang Mai geschlossen ist. Wieder nichts mit der Attraktion. Was soll's. Es läuft, wie gesagt, nicht weg.

In einem Kaff hielten wir, um zu Mittag zu essen. Es war gut und reichlich. Allerdings waren wir uns einig, daß hier nicht gelebt werden kann. Entweder draußen in der Pampa oder in der Großstadt. So ein Kaff, bei dem das Warnschild: "Vorsicht - Inzuchtgebiet" völlig überflüssig ist. Alle sehen gleich aus und an jeder Ecke fuhrwerkt ein Dorfdepp sinnlos durch den Tag. Aber der Service im Restaurant war relativ gut. Sehr aufmerksam.

Wir fuhren raus aus dem Kaff auf den Highway immer in Richtung Vegas. Da wir aber noch soviel Zeit übrig hatten, beschlossen wir, einen kleinen Ausflug an den See zu machen. Einfach nur, um etwas von der Landschaft zu sehen. Die Strecke versprach nicht ganz so belebt zu sein, wie der Highway.

Zwei Panzer nebeneinander. Links ein vermeintlicher Shermann, der sich im Nachhinein als M41A3 herausgestellt hat, umfunktioniert zum Kriegerdenkmal. Rechts ganz sicher der altbekannte W123. Hat bis zum Denkmaldasein noch einen weiten Weg. Aber wenn keine größeren Naturkatastrophen dazwischen kommen, wird er es schon hinkriegen.

Bald nach dem Kaff begann wieder Wüste und der Asphalt wurde mit einem Schlag schlechter. Das und die Landschaft erinnerten schon wieder stark an Südargentinien. Nur, daß dort der schlechte Asphalt einer Schotterpiste wich. In fortwährendem auf und ab wand sich die Straße durch Täler und Hügel. Hinweisschilder sorgten für eine Gewisse Unterhaltung, wenn die darauf aufmerksam machten, daß man nicht Off-Road fahren durfte, oder daß man nicht auf Ziele schießen durfte. "No target shooting". So hatten wir nebenbei was zu tun, nämlich darüber zu rätseln, was damit wohl gemeint war. Auf was soll man denn sonst ballern? Einfach so in die Landschaft?

Janas Rücken plagte sie wohl recht sehr. Kommt davon, wenn der Regen einen ins Auto treibt. Man sollte das Zelt immer aufbauen. Das dauert, wenn man in Übung ist eine Viertelstunde. Baut man es nicht auf und es regnet, dann kostet es eine Nacht und, wie dieses Beispiel zeigt, auch noch Muskelverspannungen. Darauf kann man im Urlaub getrost verzichten. Faulheit wird bestraft, doch diesmal hat es die Falsche erwischt, ich war schließlich derjenige, der zu faul gewesen war...

Es wurde bald dunkel und ich setzte die Marschgeschwindigtkeit hoch. Man sah eh nicht mehr viel. Ziel war nun Vegas. Das Wild Wild West. Gemütlich ein paar Bier bestellen, ein wenig tippen und dann ins Bett, morgen ausgeschlafen in der Früh in Richtung L.A. zurück. Wir kamen aus den Höhen herunter gefahren auf Vegas zu, das sich, wie immer, seit Einbruch der Dunkelheit als heller Schein am Himmel schon seit zig Kilometern ankündigte.

Las Vegas. Aufgenommen bei Nacht, 1/125 sek. Verschlußöffnungszeit.

Dank Janas Navigationskust erreichten wir das Hotel auf Anhieb. Es dauerte nur eine Weile, bis wir uns durch den Stau gekämpft hatten. Es schien wesentlich mehr loszusein, als noch am Montag. Wir wollten noch über den Strip latschen. Als erstes wollten wir natürlich einchecken. Irrsinnigerweise wollten sie nun gerade heut für das selbe Zimmer 200 US$ haben. "Was???", entfuhr es Jana, "Wieso das denn?" "In der Stadt findet ein Radiokongreß statt, deshalb sind alle Zimmer so teuer." "Das müssen wir erst noch besprechen", sagte Jana, wieder gefaßt und mit der Höflichkeit einer Profikellnerin. Als wir zur Tür hinausgingen und ich wissen wollte, was es zu besprechen gäbe, war ihre Antwort "Nichts, natürlich. Jetzt hätt' ich gesagt, fahren wir ins Hofbräuhaus, saufen a Halbe und fahren gleich weiter." Dagegen war nichts einzuwenden. Wenn man schon mal in Vegas ist...

"Und wenn es wieder zu hat?" "Hat es nicht. Das weiß ich aus Erfahrung. Das wäre schlecht für's Geschäft." Wir fuhren hin und es hatte tatsächlich offen. Auf dem Weg dorthin konnte man schon die Blosmusi aus den Lautsprechern hören. Angeblich handelt es sich hier um einen originalgetreuen Nachbau des Münchener Hofbräuhauses. Was ich leider nicht bestätigen kann, denn ich war in München nie im Hofbräuhaus. Eine Weisse und ein paar Weißwürste. Mit Brez'n und süßem Senft. Eine Blaskapelle aus Österreich sorgte dafür, daß der Geräuschpegel immer hoch blieb. Die Kapellenmitglieder waren auch nicht mehr ganz nüchtern, was aber der Stimmung keinen Abbruch tat. Das Essen kam auch prompt.

In Vegas steht ein Hofbräuhaus...

Es war ein Stück Heimat, sozusagen. Natürlich stark übertrieben, aber es handelt sich nach wie vor um ein Geschäft. Kohle muß her, und wenn die Amis drauf steh'n, so soll es sein. Wir blieben etwas länger als geplant, aber es war schon in Ordnung.

Es war schon fast eilf, als wir endlich hinauskamen. Hinein in den Benz und auf zum Highway. Noch soviele Kilometer wie möglich herunterrattern, damit wir morgen entsprechend früher da waren. Aber viel ging nicht mehr. Jana schlief auch schon bald, ich fuhr noch eine Weile, dann stoppte ich an einer Raststätte und schlief eine Weile.


Voriger Tag Zum Anfang Nächster Tag

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold