Libyen 2008 / 2009
Montag, 29. Dezember

Tobruk wurde im Januar 1941 von den Briten erobert, was keine Kunst war, weil die Stadt nur von Kamelen und Italienern verteidigt wurde. Wenn man erfolgreich Krieg führen will, darf man Italienern nur einsetzen als Köche in der eigenen Feldküche oder als Verbündete des Gegners. Mißachtung dieser Regel führt zum Verlust des Krieges. Aber nein! Kaum ist der Krieg vorbei, sind wir schon wieder gemeinsam in der Nato. Auch die Siegermächte haben nichts aus der Geschichte gelernt. "Apropos. Was Neues aus Palästina?", fragte ich Almut. Aber sie hatte keine Nachrichten abgerufen. Und einen anständigen Sender bekam man auch nicht rein. Östlich von Tobruk sollen irgendwelche Verteidigungslinien sein, damals von den Australiern angelegt. Wenn die Aussies handwerklich nur halb so gut sind wie die Deutschen, kann man dort vielleicht in einem der Unterstände übernachten. Wir durchfuhren Tobruk und suchten in der Dunkelheit nach den Stellungen. Ungefähr dort, wo sie im Reiseführer angegeben waren, verließen wir die Straße. Doch was wir fanden, waren nur Baustellen und Fabriken. Nach einer halben Stunde gaben wir die Suche auf und beschlossen, am Ehrenmal zu übernachten. Doch das führte lediglich zur nächsten Suchaktion. "Das gibt es doch nicht! Ein riesiger Klotz und wir finden ihn nicht!", regte ich mich auf, "warum können die ihn nicht einfach anstrahlen, wie sich das gehört?" Ich verließ die Straße nach Norden und fuhr durch etwas wie ein Wohngebiet. Nur die Straßenbeleuchtung brannte, alles andere war duster. Ein dunkelblauer Toyota der Polizei setzte sich in Bewegung und hatte uns nach wenigen Sekunden eingeholt und angehalten. Die beiden Polizisten fragten, wonach wir denn suchen würden. "Das deutsche Ehrenmal", ließ ich übersetzen. Sie unterhielten sich untereinander, dann wieder mit Almut, hin und her. Dann sagten sie, wir möchten ihnen hinterherfahren. Ich drehte um, folgte ihnen zurück auf die Straße. Als sie diese erreichten, wurde Gas gegeben und wenig später war das Polizeiauto nur noch als winziger Punkt am Horizont zu sehen. Da konnte der alte 200er nicht wirklich mithalten. Zwar fuhr ich Vollgas mit 140 Sachen hinterher, aber der Abstand nahm immer mehr zu. Dann gingen die Bremslichter an. Als wir heranwaren fuhren sie weiter und stoppten schließlich am englischen Friedhof, an dem wir bereits zweimal vorbeigefahren waren. Das war jetzt zwar nicht ganz richtig, so, aber bevor wir noch stundenlang durch die Prärie irren. Sie fragten, ob wir wirklich hier übernachten wollten, ob es uns nicht kalt werden würde. "Nein, nein. Kein Problem. Paßt alles. Vielen Dank!", sagten wir und sie fuhren wieder zurück zu ihrem Posten. Kein "das darf man nicht", kein "das ist Verboten", nicht einmal das in Afrika übliche "das geht nicht", welches gleichbedeutend ist mit "das kostet". Ich stellte das Auto neben ein kleines Mäuerchen und wir legten uns auf die Mauer zum schlafen. Irgendwann wurde ich wieder Wach. Almut starrte in die Dunkelheit, wie ein Jagdhund, der irgendetwas gewittert hatte. "Was ist los?", fragte ich, etwas irritiert. "Was sind das für Viecher?", fragte sie mich und starrte weiter an die andere Mauer. Am Boden sah man schemenhaft irgendwelche undefinierbaren Gebilde, größer als Meerschweinchen, kleiner als Katzen. Ich richtete mich auch auf und sah genauer hin. "Das sind irgendwelche Plastiktüten!", sagte ich. "Nein, das sind doch Viecher. Die bewegen sich doch." Eine Weile verweilten wir reglos und sahen zu. Tatsächlich. Es läuft, bleibt stehen, läuft weiter, dann kehrt es wieder um. Die Geister der Vergangenheit? "Das sind Plastiktüten, oder Plastikbecher. Jedenfalls irgendein Müll. Du siehst weiße Mäuse. Schlaf jetzt!" Die Nacht war kühl und windig. Nicht unangenehm. Um Sieben wachten wir auf. Und es war doch nur Müll. Aufregend, was? Der ließ sich immer noch von der einen Seite auf die andere wehen und von der anderen auf die eine. Das würde er wohl auch noch eine Weile tun, denn wir hatten einiges vor und daher blieb Almut keine Zeit, den fremden Müll einzusammeln. Das habe ich sowieso noch nie verstanden. Dafür studiert man doch nicht jahrelang, um dann fremden Müll einzusammeln, den es sowieso nur von woanders wieder herweht. Wir sahen uns die Tafel vor dem Friedhof noch genauer an.

Tobruk Tafel Englischer Friedhof
Die Tafel vor dem englischen Friedhof.

Dort war der Schlachthergang geschildert. Je mehr man sich beschäftigt damit, desto idiotischer wirkt er auf einen. Es wäre so viel mehr für beide Seiten herauszuholen gewesen, wenn Deutschland und England an einem Strang gezogen hätten, aber nein, die dummen Germanen mußten uns mal wieder die Köpfe einschlagen, während sich andere ins Fäustchen lachen und absahnen. So sind sie gestorben auf blutigem Feld, vom Bruder erschlagen für jüdisches Geld. Deutschland und England haben in beiden Weltkriegen gegeneinander gekämpft und beide waren letztendlich die Verlierer. Blödheit bestraft die Natur nun mal unbarmherzig, denn wenn sie Fehler verzeihen würde, wäre sie schon längst abgetreten. Aber für Action ist weiterhin gesorgt, denn der Krieg bleibt schließlich, er wird nur von anderen ausgefochten. Es bleibt also spannend. Wir begaben uns wieder zu den eigenen Linien und fuhren zum deutschen Ehrenmal. Bei Tag war es relativ einfach, dieses zu finden. Es ist wirklich ein riesiger Klotz in Form einer Sandburg, der auf einem Hügel in der Landschaft steht, schon von weitem sichtbar, alles andere überragend. Als hätte sich ein gigantisches Kind im Sand gespielt. Man fährt einfach auf ihn zu, biegt bei einer Erdölplantage links ab und ist dort. Wenn man näherkommt, dann sieht man auch die kleinen Hütten, die dem Ehrenmal vorgelagert sind. Um fünf nach halb acht waren wir da. Wir parkten davor und wollten hinein. Die schwere, schwarze, gußeiserne Türe ließ sich allerdings nicht öffnen. "War da nicht was gestanden, daß man den Schlüssel in irgendeinem Haus holen muß?", fragte ich. Almut konnte sich auch dunkel erinnern. Wir gingen zu den kleinen Häusern. "Ich glaub, das hier war es", sagte ich und zeigte auf das, welches mir eben danach aussah. Wir klopften. Keine Reaktion. Nach einer Weile patschte ich mit der flachen Hand dagegen. "Da ist niemand da", meinte Almut. "Doch, ich hör irgendwelche beschissenen Kinder quengeln, außerdem werden die sich schon nicht mit dem Schlüssel verzupfen", meinte ich und schlug gegen die Tür, weil mich Almut bestimmt davon abgehalten hätte, dagegenzutrappen. Aber da ging tatsächlich plötzlich die Tür auf und vor uns stand eine Rotzgöre - im wahrsten Sinne des Wortes. Ist das widerlich! Almut fragte nach dem Vater. "Nicht da". Mutter? "Auch nicht da". Das sah man ja wohl, wenn dem depperten Kind der Rotz über das ganze Gesicht läuft. Dann erschien ein anderes Kind, das etwas älter war. Dem Aussehen nach zu urteilen, dürfte es zehn gewesen sein, dem Benehmen nach war es sicherlich älter als ich. Es gab uns den Schlüssel und bat uns, nach unserem Besuch die Türe zuzusperren und den Schlüssel zurückzubringen. Blöde Ansage. Hat der Angst, daß wir das Gebäude unter den Arm nehmen und damit wegrennen?

Wir schlossen auf und gingen hinein. Viel hatte sich hier in den letzten Jahren nicht geändert. Eigentlich gar nichts. Das Ehrenmal ist wie eine einfache Burg konstruiert. Ein viereckiger Klotz, mit einer Zinne an jeder Ecke. Oben offen, in deutscher Tradition: Eine Festung ohne Dach. Im Innenhof befindet sich ein Brunnen, der wohl noch nie in Betrieb war. Die Innenwände sind voll von Namen sinnlos gefallener, oben kann man entlanglaufen. Wir blieben eine Weile und sahen uns alles genau an. Wer weiß, wann wir wieder herkommen? Wir wußten nur, daß es dann immer noch so aussehen würde wie jetzt. Zumindest war das sehr wahrscheinlich. Bevor wir hinausgingen, sah ich mir noch das Gästebuch an. Die meisten Einträge stammen von Engländern, Australiern und Amerikanern. Ehemaligen Gegnern also. Aus den Einträgen konnte man einen gewissen Respekt vor den Leistungen des Afrika Korps herauslesen sowie eine Bewunderung für seinen berühmten Feldmarschall. Deutsche Einträge gab es nur zwei. Zum Glück! Da kriegt man am Schluß noch Augenkrebs, wenn man mehr von diesem weinerlichen Gestammel lesen muß. Und zum Glück kann auch man davon ausgehen, daß Amis, Tommies und Aussies kein Deutsch können. Die Vorstellung, daß es so ein Haufen von Transen und Schwuchteln gewesen sein soll, der sie quer durch Nordafrika gejagt und ihnen die Hölle heißgemacht hat, würde sie in eine tiefe Identitätskrise stürzen. Dann war da noch ein Eintrag irgendeines balkanesischen Bastards auf Englisch: "God will forgive you for what you did." Ein Balkanese, der schon deshalb ein Verbrecher ist, weil er irgendeinem Völkchen angehört, das schon seit Jahrhunderten ausschließlich aus einer geistigen Unterschicht besteht, die sich hauptsächlich aus Diebstahl, Erpressung und Raub ernährt. Die im Krieg nicht viel mehr zustande brachten, als nach sechs Tagen zu kapitulieren, um dann als Zivilisten verkleidet aus dem Hinterhalt auf die zu schießen, die sie tagsüber um Brot anbettelten. Ausgerechnet ein Vertreter dieser Randvölker, die als ausschließliche Leistung für sich beanspruchen können, die mittelalterliche Barbarei in das Europa des 20 Jahrhunderts hinübergerettet zu haben, muß sich als Richter über Gut und Böse aufspielen. Sein Eintrag klang wie ein mittelalterlicher Gassenjunge, der einen von zwei Rittern anquäkt, die einst sich im Schlachtfeld gegenüberstanden und nun gemeinsam auf der Straße vorbeireiten. Ich schrieb auch etwas hinein in das Gästebuch. Den letzten Vers des Afrikaliedes: "Doch wenn mich die feindliche Kugel fand, so lasset mich ruhen im Wüstensand. Und rühret noch einmal die Trommel: Vorwärts mit unserem Rommel."

Deutsches Ehrenmal Tobruk
Parkplatz vor dem Ehrenmal...

Wir waren gerade dabei, die Türe zu schließen, da stand der kleine Junge wieder da. Er sagte nichts, wartete wohl nur, bis wir fertig waren. Dann übergaben wir den Schlüssel und ein paar Tafeln Milka, die wir noch hatten. Er nahm alles und verschwand wieder in seiner Hütte. Ich sah nochmal nach dem Ölstand. "Langsam wird's aber kritisch." Nun war schon weniger als Minimum angezeigt. ".bei der nächsten Gelegenheit müssen wir nun doch ein Öl da reinhauen."

Wir brachen auf. Genau eine Stunde waren wir hier gewesen, denn es war nun 8:35 Uhr. Auf dem Rückweg wollten wir die Innlandsroute nehmen. Auf einem Abzweig sah ich eine Tankstelle. Tanken mußten wir sowieso. Warum gibt es für Autos nicht sowas wie "inflight refuelling". Vielleicht "indrive refuelling". Gerade auf so einer Strecke wäre das bestimmt machbar. Dann würde ich neben einem dieser Laster aus dem Sudan herfahren, Almut würde ihn anzapfen und nach zehn Minuten wäre der Tank wieder voll. Dieser Standard-Tank mit seinen 65 Litern ist sowieso ärgerlich. Alle zwei Kilometer muß man anhalten, um ihn wieder aufzufüllen. Da ist der 80-Liter-Tank doch wesentlich angenehmer. Auch eine Sache, die erst auffällt, wenn sie fehlt. Ich bin es gewohnt mich auf acht Stunden Betriebsdauer zu verlassen. Irgendwann geht das dann ins Gefühl über und man braucht die Tankanzeige nur noch in wirklich kritischen Situationen. Aber hier verursachte eben dieses Gefühl kritische Situationen. Ich fuhr und fuhr und fuhr und irgendwann fiel mir dann siedendheiß ein, daß das hier ja nicht der Braune ist. Zum Glück hatten wir die Kanister. Wir also an der Tankstelle raus, den Tank vollgemacht, mit den Kanistern aufgerundet. Motoröl hatten die aber keines. Wenige hundert Meter zuvor waren wir an irgendwelchen Baracken vorbeigekommen, die Werkstätten sein könnten. Ich fuhr zurück. Da stand ein großer Laster und darauf etwas, was ich als Kran identifizierte, was aber auch gut irgendetwas ganz anderes sein könnte. Ich ging in die Werkstatt, aber da war keiner da. Ich fragte, nein, fuchtelte nach Öl. Da fragte mich der LKW-Fahrer, ob ich Franzose sei. "Nein, Franzosen sind scheiße." Ich bin nicht scheiße, also bin ich kein Franzose. Verdammt nochmal! Wieso ist man immer gleich überall Franzose? Ich bin doch gar nicht schwarz. Er war Tunesier und konnte etwas Englisch. Ich fragte nach Öl, aber er meinte, die Werkstatt hätte zu. "Und wann macht sie auf?", fragte ich. Das wußte keiner. Irgendwann bestimmt. War doch irgendwie klar. Dann mußten wir wohl zurück nach Tobruk, um Motoröl zu besorgen. Aber der Typ, der sich gerade am Laster zu schaffen machte, brachte eine Dose heran. Rot und Goldfarben, mit lauter für mich unverständlichen Schriftzeichen und den Zahlen 20 und 50. Wird wohl 20W50 heißen, dachte ich mir. Almut konnte ich nicht fragen, weil sie schon wieder verschwunden war. Irgendwo in irgendeiner Bäckerei, zwischen hier und dem Horizont. Ich kippte den Inhalt in den Motor. Der Tunesier fragte, ob ich Kaffe wollte. "Nein, danke!", sagte ich, und öffnete stattdessen ein Cola. "Cola zum Frühstück?" Diese Reaktion ist weitgehend international. Ich zog noch den Keilriemen nach, denn der hatte in den letzten zwei Tagen ein wenig gepfiffen und das mag ich nicht. Fremdgeräusche und Rost hasse ich einfach. Die sind was für moderne Autos, und haben an einem 123er nichts verloren. Der Sicherungskasten ist eine der wenigen Sachen, die mich am 123er nerven. Der ist so idiotisch angebracht, daß ich den Deckel vom Braunen schon in der Mitte zerschlug, damit er sich besser biegen läßt. Der vom Blauen kam gerade noch so davon. Viel hätte allerdings nicht mehr gefehlt. Drecksteil!

Almut kam zurück und ich fuhr los. Wir hatten alles. Jetzt aber mit Vollgas nach Westen. Es war immerhin schon fünf nach halb zehn. Eine Stunde war wieder vergangen. Der Termin an der Uni war mittags. Zwar wußte ich, daß das einfach nur "irgendwann" bedeutet, aber es konnte auch gut sein, daß die irgendwann kurz nach Mittag einfach abhauen und sich schlafen legen. Dann würden wir eine neue Odyssee aufführen müssen, um an die Bücher zu gelangen - wenn sie die überhaupt hergerichtet hatten. Aber bis Mittag würden wir es sowieso nicht schaffen. Die Inlandsroute ist zwar kürzer, aber es sind immerhin dennoch über 500 km. Ein Schnitt von 200 ist zwar möglich, aber nicht mit einem 200D. Wir würden mindestens viereinhalb Stunden brauchen. Daher nahm ich mir auch die Zeit einigen Kamelen nachzustellen, die ich südlich der Straße am Horizont aufgemacht hatte. Ich fuhr von der Straße und quer durch die Serir auf die Herde zu, hinter uns eine mächtige Staubfahne in die Höhe schleudernd. Der Kies spritzte an den Unterboden, der Benz schaukelte über die langgezogenen Bodenwellen wie ein Schiff auf ruhiger See. In wenigen Minuten waren wir ran. Ich ging vom Gas, um die Kamele nicht zu erschrecken. Schließlich wollte ich sie photographieren. Mit Schleichfahrt krochen wir an die Herde heran. Doch je näher wir kamen, desto mehr entfernte sie sich von uns. Ich fuhr also im Kreis um die Herde herum, aber eine Herde mit nur einem Auto einzukesseln ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Das merkten die Kamele auch sehr schnell. Ich ließ also das Auto stehen und ging zu Fuß raus, um an meine Bilder zu kommen. Die hatten keine Brandmarken, keine Seile und sie waren im Gegensatz zu denen in Bir Rimit auch sehr scheu. Wahrscheinlich also wilde. Es gelang mir nicht, ein Bild vom Auto neben einem Kamel zu machen.

Zwischen Tobruk und Ajdabiya
Zwischen Tobruk und Ajdabiya.

 

Unverrichteter Dinge fuhren wir also wieder zur Straße. Es war immerhin schon fast Elf. Als wir wieder auf der Straße waren und ich wieder auf 120 beschleunigt hatte, sah ich ein Kamel, von dem ich sicher wußte, daß es nicht weglaufen würde. Ich verließ die Straße und hielt genau daneben, stieg aus und konnte viele schöne Bilder machen. Das ging ganz gut...

...weil es sich nämlich nicht bewegt, und man nicht zu sagen brauchte "Bitte recht freundlich!"

Die Straße ist kerzengerade und hat nur eine einzige Kurve. Anfangs ist die Vegetation noch relativ üppig, aber je mehr man sich von der Küste entfernt, desto weniger Ginster sieht man. Für viele Kilometer ist es dann auch Vollwüste. Erst wenn man sich wieder Ajdabiya und somit der Küste nähert, nimmt die Vegetation wieder zu. Auch das hat sich in den letzten zehn Jahren nicht geändert. Ich könnte sogar schwören, daß es die selben Ginsterbüsche waren. Die lebten also auch noch. Kein Wunder. Einige Dünen hatten sich der Straße genähert. Ich denke, die werden hier ab und zu mit dem Bagger weggemacht. Wir selbst fuhren der einen oder anderen mit 120 über den Fuß, weil es so schön staubt, allerdings klatschte der Sand einmal dermaßen aggressiv an die Bordwand, daß ich fortan etwas drosselte.

Erst um eins waren wir in Ajdabiya. Und dort mußte auch erst mal wieder getankt werden. So ein Blödsinn. Wie kann man nur so einen beschissenen Tank einbauen? Da kann man doch nicht vernünftig fahren, das müssen die doch gewußt haben. Wie gehabt: Für 10 Libysche Dinar bekommt man 60 Liter. Wir tankten immer für 60 Dinar. Erst den Tank voll, dann den Rest in die Kanister, bis die meist analoge Uhr 10,000 anzeigte. Um drei erst waren wir an der Nationalbibliothek. Zwar waren die Leute, mit denen wir gestern gesprochen hatten schon weg, aber sie hatten Pakete an der Rezeption zurückgelassen, die wir nur einzusammeln brauchten. "Siehst Du? Alles kein Drama", sagte ich noch. Ich nahm das große Paket und trug es zum Auto. Das Teil fühlte sich an, als wäre darinnen eine tote Mädchenleiche, so schwer war das. In mehreren Etappen quälte ich mich zum Auto und wünschte mit sehnlichst meine Mexikaner herbei, die bei solchen Sachen immer geschickter waren als ich. "Muscle-Outsourcing", nannte ich das immer. Aber funktioniert nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Bloß das Teil nicht auf den Boden stellen, das bekomme ich nie wieder hoch. Ich legte es auf den Kofferraum, räumte die Rückbank frei, warf es auf die Rückbank, machte dann den Kofferraum auf und räumte die linke Seite frei. Die Kanister waren auf dem Dach rechts, also wollte ich die Karre trimmen. Sie sank merklich ein, als ich den schweren Karton hineinwuchtete. Was solls.

Ich ging wieder hinein, holte noch zwei Kartons, die ganz leicht waren und gegen den erste waren, wie eine Erholung. Die warf ich auch in den Kofferraum und wir konnten langsam los, wieder in Richtung Tripolis. Aber da ich vergessen hatte, auszuschlafen, fuhren wir wieder zurück zum Apartment. Auf dem Weg dorthin mußte Almut noch Waschpulver für Janette besorgen. Auch etwas unpraktisch, wenn man in Tripolis wohnt und das Waschpulver im tausend Kilometer entfernten Benghasi holen muß, aber bei den Spritpreisen lohnt es sich auf jeden Fall.

Um viertel nach vier erreichten wir die Wohnung. Ich stieg aus, ging unter die Dusche und legte mich dann ins Bett. Almut kruschtelte im Weltempfänger nach Nachrichten aus Palästina, fand aber nichts. Erst am Abend wachte ich auf. Es war schon dunkel. "Von mir aus können wir jetzt losfahren", sagte ich. Aber vorher wollte ich noch eine Pizza oder einen Burger essen in dem Restaurant, das ich letztens unten entdeckt hatte. Da saßen viele Leute drin und es dauerte, bis wir endlich drankamen.

Um 21:40 Uhr (km 293.788) fuhren wir endlich los nach Tripolis. Zwölf Stunden rechneten wir. Das Navi konnte uns leider nicht weiterhelfen. Mehr als Position und Höhe über NN konnte es nämlich nicht anzeigen, und die Anzahl der Satelliten, die es gerade empfing war auch nicht sehr hilfreich. Aber Almut funktionierte als Navigatöse immer noch genausogut wie früher. Wieder passierten wir diverse Polizeiposten. An einem merkte ich, daß die Maschine etwas unruhig lief, die Karosse übertrug den unruhigen Lauf. Wenn man den Leerlauf hochdrehte, dann war es wieder gut. Dann machte sich auch ein Leistungsverlust bemerkbar. Ich schob es erst auf den Gegenwind, aber ich war mir der seltsamen Zufallsanhäufung durchaus bewußt.


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