Skandinavientour 1997
Donnerstag, 4. September

Es war sehr windig und ein warmes Essen konnte man eher vergessen, da die Flamme unseres Gaskochers ständig ausging. Dann eben Knäckebrot mit Nutella. In Lakselv wieder mal getankt (12:30 Uhr, km 4.094). Das Diesel ist im Norden allgemein sehr teuer. Man bezahlt teilweise umgerechnet 3,10 DM pro Liter und das, obwohl die Norweger nach den arabischen Staaten die größten Erdölförderer sind.
Um 14:00 Uhr badeten wir im Eismeer, auch meine Wenigkeit, aber auch nur, um von mir sagen zu können, ich wäre im Eismeer geschwommen. Angenehm war es nicht. Danach kochten ab, da sich die Sonne gerade zeigte und der Wind etwas nachgelassen hatte. Tat gut, so ein warmes Essen und der heiße Tee. Traumstrände sind das, solange man sie nur ansieht, das Wasser ist aber ziemlich kalt. Auch stellte ich hier fest, daß sich Seife in Salzwasser anfühlt wie ein Stein.
Während der Fahrt mußte ich mir die Stecke nach Gamvik nocheinmal durch den Kopf gehen lassen. Erdkunde wurde fortan Gesprächsthema Nr.1. Tundra, Taiga, Polarkreis, Nordlicht, Jahreszeiten, das Thema ist ja unerschöpflich und an sich sehr interessant. Der Autor mußte seine Gymnasiallaufbahn zwar unter anderem wegen Erdkunde abbrechen, aber diese Art von Erdkunde, die streng nach Lehrplan vorgehen muß und deren Auswüchse sich dergestalt manifestieren, daß man den Schülern Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion noch unnützes Wissen über Kolchosen und Sofchosen und über Kaugummiplantagen in den Great Planes eintrichtert, ist alles andere als interessant.
Nach Lakselv fuhren wir auf die Stichstraße zum Nordkap. Auch eine sehr schöne Strecke, aber nicht ganz so unberührt wie die nach Gamvik. Hier sind hauptsächlich Touristen unterwegs.

Auf dem Weg zum Nordkapp
Hier die Straße zum Nordkap. Es dürfte sich wohl um die E69 handeln.

Als wir so gegen 17:00 Uhr das Nordkap erreicht und festgestellt hatten, daß das übersetzen umgerechnet 70,-DM kostet, sahen wir zu, daß wir möglichst bald wieder südwärts verschwanden und nahmen Kurs auf Hammerfest. Eine Unverschämtheit, selbst für skandinavische Verhältnisse. In Skandinavien, besonders in Norwegen ist alles teuer abgesehen von Fisch und Brot. Im September 97 kostete eine Schachtel Marlboro Lights 54,- nKr (13,50 DM) und ein Flasche Tuborg mit 0,25 l Inhalt 96,- nKr (24,- DM). Daß Alkohol im allgemeinen teuer war wußten wir, aber daß alles andere auch nicht gerade billig ist, mußten wir im Laufe dieser Fahrt erfahren. Verhungern würden wir schon nicht. Wir hatten unsere Fresskiste dabei, von der wir uns prima ernähren konnten.

Es waren öfter mal drei Mahlzeiten am Tag drin und die Kiste wurde nicht leichter. Außer Brot mußten wir nicht viel kaufen. Mit Cigaretten hatten wir uns gottseidank auf der Fähre eingedeckt. Das ersparte viel Unkosten, was wir käuflich erwerben mußten, war Diesel, denn ohne läuft nichts. Ich kam öfter in Versuchung, einfach das "Avgiftsfri", also das "Abgabenfreie" oder Steuerfreie, wie man bei uns sagt, für 0,12 DM zu tanken. Die dafür drohenden Strafen halfen mir, dieser Veruchung zu widerstehen.

Blick aufs Nordkapp
70,-DM für diese paar Meter waren uns doch zuviel. Die Nordkapbesichtigung ließen wir daher ausfallen.

Das kleine Städtchen Hammerfest erreichten wir gegen 19:15 Uhr. Dort leben ungefähr 19.000 Menschen und die ganze Stadt war fast vollständig in einer Wolke verschwunden. Eine kleine, urgemütliche Stadt.

Hier ist es im Winter fast ein halbes Jahr lang dunkel und ich stelle mir das sehr schön vor. Im Sommer ist es durchgehend hell, in den Zwischenjahreszeiten herrscht ewige Dämmerung.

Hammerfest
Das kleine nette Städtchen Hammerfest.

Die Stadtbesichtigung fiel leider flach, da wir die nächsten Stunden damit verbrachten, das Auto zu knacken, denn ich hatte intelligenterweise den Schlüssel eingesperrt. Nun standen wir da... mehr als 300 km nördlich vom Polarkreis, die Schlüssel, Jacken, Geldbeutel, Kameras lagen im Auto. Sowas wie Kriminalität scheint dort oben nicht vorhanden zu sein, denn nach langer Suche fanden wir ein kleines Kabäuschen, in dem ein vergessener Polizist saß (daß er noch keine Spinnenweben am Körper hatte war alles) und uns freundlich erklärte, er könne nicht weg, weil er allein hier Dienst schiebe.

Aber er holte uns einen Pannendienst, der uns dann endlich gegen 22:00 Uhr für 200 Kronen das Auto öffnete. Wer den Schaden (verursacht) hat braucht für den Spott nicht zu sorgen. Kommentar von Richard Günther: "Sag nie wieder über irgendjemanden, daß er dumm ist, wenn er nicht mindestens acht mal an der Sonderschule durchgefallen ist." Also dann... weiter. Nächstes Ziel hieß Tromsø.

Fjorde
Die Fjordlandschaften in der Finnmark.

Wir fuhren jedoch nicht lange und eine halbe Stunde später rumpelten wir schon wieder in die Botanik, um zu übernachten. Zuvor gab es noch ein Abendessen. In dieser Nacht hatte sich die Wolkendecke, die uns auf der Reise fast durchgehend begleitet hatte etwas gelichtet und am Himmel waren Nordlichter zu sehen. Ein schönes Naturschauspiel. Leider konnte ich das mit meiner Kamera nicht festhalten.
Wir hatten zwar ein Zelt dabei, aber wir waren immer zu faul, um es aufzustellen. Wir suchten uns anstatt dessen immer ein Dach. Meist wurden wir fündig. Wir stellen in dieser Beziehung auch keine großen Ansprüche, wichtig ist nur, daß es trocken ist. Eine leerstehende Fabrikhalle, ein überdachter Supermarktparkplatz, irgendwas einfach, zur Not tut es auch ein Haltestellenhäuschen. Da wirft man dann Schlafsäcke, Decken, Isomatten auf den Boden, ein Kissen noch darauf und dann lullt man sich in den Schlafsack ein und sobald man im Tiefschlaf ist, weiß man eh nicht mehr, wo man ist. Das senkt die Kosten ungemein, in Skandinavien besonders anzuraten. Allerdings ist das nicht überall so einfach möglich. Als ich mich einmal in einer Nacht von Samstag auf Sonntag bei Köln am Rhein in einem Industriegebiet vor ein Möbelhaus legte, war eine vieltel Stunde später die Polizei da und erklärte mir, daß das verboten sei, und daß ich mich unverzüglich entfernen solle, wenn ich keine Anzeige haben wolle. "Depp! Nichts zu tun, oder was? Kümmer dich doch um die Verbrecher, oder biste zu blöd dazu? Dann kauf dir 'ne Wurstsemmel und laß mich in Ruhe, nutzloser Penner!", dachte ich mir dabei, fuhr zum nächsten Möbelhaus oder Supermarkt und legte mich da hin.
Jedenfalls haben seine skandinavischen Kollegen (ohne diese jetzt beleidigen zu wollen) wirklich nichts zu tun und es wäre eher verständlich, wenn diese sich an derartigen "Verbrechen" aufhängen würden, aber davon keine Spur. Entweder sie baten uns, keinen Müll zu hinterlassen, was wir (außerhalb der BRD) sowieso nie tun würden oder sie fuhren einfach langsam vorbei und taten gar nichts, nachdem sie feststellten, daß wir nicht wie Schwerverbrecher aussehen. So soll es sein.


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