Libyentour 1999
Samstag, 14. August

Der Tag auf der Fähre wurde sinnvoll genutzt. Während die anderen Latein lernten, nahm ich mir die Zeit, mich mit dem GPS-Gerät vertraut zu machen. Solche Gerätschaften waren mir seit jeher, ebenso wie die Orientierung an sich, ein Buch mit sieben Siegeln. Aber ich mußte feststellen, daß es so wild gar nicht ist, zumindest, was das Gerät selbst angeht. Man gibt einen Punkt ein und das Gerät zeigt immerzu darauf. Wenn man immer schön brav dem Pfeil folgt, dann kommt man zu dem Punkt. Das war alles, was ich eigentlich brauchte. Aber da ich sowieso sonst nichts tun konnte und es anfing, Spaß zu machen, spielte ich den ganzen Tag mit diesem "Mopped" und am Abend war ich schon ziemlich fit im theoretischen Umgang mit dem Garmin GPS 12. Grau, mein Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldener Baum. Aber das würde schon hinhauen, da war ich mir sicher.

1998 hatte sich mein Navigator darum gekümmert, aber es funktionierte auch ohne ihn ganz gut. Ich gab die einzelnen Routen ein, die ich vorhatte zu befahren. Die Koordinaten las ich aus dem "Göttler" heraus, das ist der Reiseführer, den ich schon im Vorjahr dabei hatte und den ich für den besten von allen Libyen-Reiseführer für den deutschsprachigen Raum halte. Ich kenne nur zwei und der andere ist für mich als Autotourist völlig uninteressant, weil er keine Routenbeschreibungen enthält. Geplant waren insgesamt fünf Pistenrouten:

A8 Darj - Idri 576 km
B3 Timsah - Wau an-Namus 287 km
A21 Durchquerung der Serir al-Gattusah 227 km
B2 Östl. Nord-Süd-Verbindung - al-Fogaha 277 km
B7 Zilla - Tazurbu 566 km

Damit wäre die Planung der Fahrt schon im Groben beschrieben, nämlich über Pisten, welche gerade für einen PKW sehr viel Zeit erfordern, in den äußersten Süden und auf Asphalt zurück. Wohlgemerkt, so sah der Plan aus, nicht die Wirklichkeit. Zum allgemeinen Verständnis: Unter Pisten versteht man nicht asphaltierte, sondern mit dem "Catterpillar" geschobene, manchmal geschotterte Trassen oder einfach nur ausgefahrene, mit Fässern, Reifen oder Schrotteilen markierte Strecken, die durch die Wüste verlaufen. Meistens handelt es sich um die alten Karawanenwege, die kaum noch von Einheimischen benutzt werden, seit die Asphaltstraßen fertiggestellt wurden. Auf diesen Asphaltstraßen sollte es dann wieder nordwärts nach Tobruk und die Küste entlang westwärts über Tripolis wieder zurück nach Hause gehen.

Die Planerei ist an sich schon planlos, weil es ja doch immer anders verläuft, als geplant. Das wußte ich auch. Doch hat man dann wenigstens eine grobe Richtschnur und was soll man auf der Fähre sonst schon großartig anstellen, als sich bei Cola und Kippen in der klimatisierten Bar niederzulassen und mit Karten, Reiseführer und GPS spielen, wenn man schon den Schreibkram für die Einreise in Tunesien nicht erledigen kann, weil man ein Held ist und die KFZ-Papiere im Auto liegen gelassen hat, das nun im Frachtraum stand, zu dem man während der Überfahrt keinen Zutritt hat? Was man nicht schon an Bord erledigt, muß man im Hafen tun und das bedeutet, daß die ohnehin schon langwierige Hafenprozedur unnötig in die Länge gezogen werden muß. Bis dahin hieß es warten und das Leben auf See genießen...

Um 20:15 Uhr war es dann soweit. Wir verließen die Fähre. Erstaunlicherweise waren wir nur 35 Minuten später schon fertig. Es war nicht viel los und zusätzlich habe ich meine mir im Lauf der Jahre angeeignete und gerade im deutschen Straßenverkehr sehr wirkungsvolle Methode angewendet, mir Platz zu verschaffen und mich vorzudrängeln; hier ist richtiges Vordrängeln gemeint, und nicht das, was der ewige Anfänger (= der typische deutsche Autofahrer) als "Vordrängeln" bezeichnet und in Wirklichkeit nur ein vorschriftsmäßiges Einfädeln auf den letzten 200 m darstellt (Reißverschlußverfahren). Vordrängeln, so mit an der Kolonne vorbeiziehen und bei der nächsten Lücke, die sich beim Anfahren des stehenden Verkehrs bildet, sofort hinein steuern, meist hat man anschließend ein Auto mit deutschem oder österreichischem Kennzeichen hinter sich - das ist kein Geschwätz. Die meisten Deutschen scheinen es sich angewöhnt zu haben, beim Stehenbleiben immer den Gang herauszunehmen und die Handbremse zu ziehen. Anders kann ich mich ihre Trägheit beim Anfahren nicht erklären. Bei den Deutschen funktioniert das zudem auch noch deshalb besonders gut, weil sie höllische Angst davor haben, daß ihr Auto einen Kratzer im Lack haben könnte. Die bleiben lieber sofort stehen, hupen und kreischen wie Hühner. Jedenfalls funktioniert es ganz gut, wenn man sich an allen vorbei schiebt und kurz vor dem Hineinfahren blinkt und kurz hupt, damit der Träumer, vor dem man einschert, das auch mitbekommt und nicht auf die Anhängerkupplung auffährt.

Am meisten macht es Spaß, wenn der hintere meint, er muß sich aufführen. Das sind nicht die Italiener oder die Tunesier, denn die sind das erstens gewöhnt und zweitens brauchen sie nicht erst eine schriftliche Einladung, um loszufahren, so daß der Trick bei denen meistens nicht funktioniert. Nein, es sind wieder mal die Prinzipienreiter und Verkehrserzieher aus den Bundesrepubliken Deutschland und Österreich, die schon einen Herzinfarkt bekommen, wenn ein anderer ihrem Auto zu nahe kommt oder wenn man ihnen "ihr Recht auf den x-ten Platz in der Schlange" streitig macht. Dann fangen sie an zu fluchen und zu schimpfen, als ob sie daheim wären. Wenn ich gerade nichts wichtigeres zu tun habe, dann mache ich das Spielchen mit: "Was? Ich versteh' Dich so schlecht. Wart...ich fahr' kurz zurück, dann hör' ich dich besser." Bei denen mache ich so was im Ausland immer gern, da können sie nicht gleich heulend zur Polizei laufen und das wissen sie auch, denn sie pochen auf einmal nicht mehr auf ihr Recht, sondern finden sich damit ab, daß sie nun einen Platz weiter zurückgefallen sind und einige Sekunden länger im Hafen bleiben müssen. Du mußt ihnen kurz und unmißverständlich klarmachen, daß deine Anhängerkupplung da hinten sich gerne in Kühler bohrt und daß sie leicht reizbar ist, dann hat er schon verloren und die Angelegenheit ist erledigt. Es ist erstaunlich, wie kleinlaut sie werden, wenn ihnen deutlich wird, daß man ganz genau weiß, daß sie sich nun, außerhalb ihres "deutschen Rechtsstaats" und somit des zweifelhaften Schutzes der deutschen Polizei beraubt, keine Ahnung haben, was sie tun sollen, wenn nun doch ein Kratzer in ihr Auto kommt. Meistens ist zwischen den Autos noch reichlich Abstand, aber da diese Leute keinen Plan über die Abmessungen ihres eigenen Wagens haben, sind sie erst mal schockiert, wenn vor ihnen die weißen Lichter angehen und das Auto plötzlich einen Satz auf sie zu macht. Witzig zuzusehen... Anders sieht es bei den wenigen Offroadern aus. Bei denen funktioniert das auch nicht, nicht nur, weil sie ein Stockwerk höher sitzen, sondern weil sie meistens auch noch fahren können. Die besten Autos der Welt für die schlechtesten Fahrer der Welt, so läuft's in Deutschland. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Nun aber, genug geschimpft.

Die ganze Hafenprozedur lief weit unbürokratischer ab, als ich es erwartet hatte: Ein paar Notizen, einen Dinar bezahlen, einen freundlichen Klaps auf die Schulter vom tunesischen Zöllner kassieren und ab durch die Mitte. Keine Durchsuchung, keine lästigen "Porteurs", auf die ich mich selbst und die anderen beiden schon vorbereitet hatte, alles bestens. Und wieder steht das Auto auf afrikanischen Boden, der Tacho zeigt 607.911 km an. Getankt wurde mit den tunesischen Dinars, die 1998 übriggeblieben waren. Dadurch konnten wir uns das Wechseln und somit eine Menge Zeit sparen. Ohne weiteren Aufenthalt ging es in Richtung libysche Grenze. Hier hatte ich die erste Gelegenheit, die Zusatzscheinwerfer zu testen. Die auf dem Dachträger spiegelten etwas an der Scheibe, doch das Licht, das sie voraus warfen, war richtig fein. Man sah sehr weit und es hatte noch einen Vorteil: in Nordafrika herrscht erfahrungsgemäß bei vielen Verkehrsteilnehmern die Unart, daß entgegenkommende Fahrzeuge, vor allem LKW, immer mit Fernlicht fahren und erst dann abblenden, wenn man ihnen mindestens etwas Gleichwertiges entgegensetzen kann. Mit denen gab es keine Probleme mehr. Ich habe mir das mal aus der Entfernung angeschaut. Bei eingeschalteter Festbeleuchtung sieht man des Nachts nicht mehr die sechs einzelnen Lichter, sondern nur noch eine leuchtende Fläche. Ich habe mir zusätzlich einen Schalter eingebaut, mit dem sich die Zusatzscheinwerfer bei Fernlicht eigens zuschalten lassen. Man braucht ja nicht immer mit sechs Leuchteinheiten zu fahren. Meist reicht das normale Fernlicht. Angeblich verbietet der deutsche Gesetzgeber diesen Schalter, denn die Zusatzscheinwerfer, von denen zwei erlaubt sind, müssen mit dem Fernlicht an und ausgehen, aber warum, das weiß keiner. Fragt auch keiner danach. Erst wird verboten, nachgedacht wird später. Gesetz ist Gesetz. Isch au a Logik...


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