07:30 Uhr GMT: Fast pünktlich brachen wir zur Werkstatt auf, wobei man sich jetzt nicht ein großes Gebäude mit einer klimatisierten Kfz-Annahme mit Café, einer Halle mit Hebebühnen und mit Blaumännern mit der Aufschrift Mercedes-Benz bekleidete Fachkräfte vorstellen darf. Es gab eine große Pfütze, zwei Bäume, einigen Müll und ein paar zerlumpte Gestalten, die sich mit Hammer und Schraubenzieher über meine Lichtmaschine hermachten. Sie wollten das Teil mit den Kupferdrähten auswechseln. Sie löteten auch ein neues, anscheinend selbstgebasteltes Teil ein, aber nicht mit einem Lötkolben, den man an der Steckdose anschließt, sondern mit einem
Schraubenzieher, den sie lange genug in die eigens angeworfene Glut gelegt hatten. Beim Einbau mußte ich ein bißchen nachhelfen, da ich nicht zusehen konnte, wie drei halbwüchsige
versuchten, das Rätsel um den Riemenspanner zu ergründen. 25.000 CFA wollte er haben, etwa 80 DM. Wenn's hebt...
Um Zehn Uhr war alles wieder fertig, die Lichtmaschine schien ihre Tatigkeit wieder aufgenommen zu haben und wir fuhren zum Zug. Eine Stunde später stand das Auto auf der Plattform.
Bahntransport in Mali. Wenigstens ersparte uns die neugebaute Straße zwischen Tambacounda und der Grenze einen Bahntransport ab Senegal mit Grenzübergang auf Schienen. |
Auch hier darf man sich nicht ein Bahnhofsgebäude mit Zeitungskiosk und Restaurant vorstellen. Ein paar Gleise, riesige Pfützen und irgendwie schaukelt man das Auto auf die Plattform, auf der schon zwei Peugeots mit Tubabs drin stehen. Daraufhin wird das Auto fixiert mit dicken Drähten. Wenigstens waren wir nicht allein, denn ich hatte über diesen Zug schon einiges gehört und gelesen. Und Dank unserer Reiselektüre "Afrika - Patt Problemm" von Peter Kohle, wußten, wir was auf uns zukommen konnte und machten nicht den Fehler zu bezahlen, bevor das Auto auf der Plattform stand. Die Franzosen hingegen hatten erst bezahlt und waren dann in eine Zwangslage gekommen, denn nun war es in ihrem Interesse, daß ihre Autos auf die Plattform kommen. Remember? "Punkt a.) etwas wollen", das wird natürlich teuer.
Das einzig Positive war, daß der Zug irgendwann in Bamako ankommen mußte. Ansonsten nur Sachen, die einem die bevorstehende Bahnfahrt nicht gerade wie eine Vergnügungsfahrt durch die afrikanische Savanne erscheinen lassen wollten. Zuviel hatten wir darüber gelesen, von tagelangem Warten in brütender Hitze auf einem Abstellgleis, von stundenlangen Stopps an jedem
dicken Baum, von der Weigerung der Zuständigen, das Auto nach der Ankunft von der Plattform zu nehmen, alles mit dem Ziel, Geld aus dem Reisenden herauszupressen.
Nun stand das Auto da und wir harrten der Dinge, die da kommen sollten, räumten das Auto um, verjagten nervende Kinder. Die sind wirklich lästig, aber ich befolgte den Rat des Schweizers
und benutzte die Fliegenpatsche und sie kam sich nicht einmal zweckentfremdet vor.
Der festgesetzte Abfahrtstermin war 13:00 Uhr, doch keiner glaubte wirklich daran, daß um 13:00 Uhr auch nur eine einzige Lok am Horizont zeigen würde. Am Nachmittag, schon weit nach 17:00 Uhr, wir standen immer noch an der gleichen Stelle, vor einem Hügel, der zur Auffahrt auf die Plattform diente, schlossen wir wieder mal Wetten ab, wann wir wohl losfahren würden. Der Einsatz war der für Afrikawetten übliche: eine Cola / Fanta.
Joe sagte heute, 20 Uhr, ich meinte, morgen früh, 8 Uhr und Almut sagte 2 Uhr morgens.
Kann man ein bißchen schlecht erkennen: Bildmitte im vergitterten Wagen sind Leute drin. |
Ich ging nochmal los, um zwei große Fantas zu holen. Nirgends gab es Literflaschen. Ich fragte an einem Stand nach und der Typ sagte, er würde schnell losfahren und mir zwei Flaschen holen. Als ich ihn angrinste und versuchte, im zu sagen, daß es vollkommen ausreicht, wenn er mir sagt, wo ich hingehen muß, beteuerte er, ich könnte ihm ruhig vertrauen, er sei kein Betrüger und er würde wieder kommen. Also beging ich meinen Fehler und gab ihm den 100 FF-Schein. Zurückkommen mußte er wieder, da er hier arbeitete, so dachte ich könnte nicht viel schief gehen. Denken ist aber Glückssache. Er kam dann irgendwann mal wieder mit den zwei Fantas und dem Restgeld von 2.000 CFA, 20 FF. - "Und wo ist der Rest?" Dann erklärte er, jede Flasche würde 4.000 kosten. "Das kannst Deiner Großmutter erzählen. Eine Fanta für über 10 DM." Aber ich war ihm nicht böse, denn eigentlich war ich selbst Schuld. Das war auch das letzte mal, daß ich in Afrika freiwillig irgendwas einem Schwarzen anvertraut habe.
Gewonnen hatte Joe, denn um 19:40 Uhr (km 644146) wurden wir angekoppelt. Wir hatten gerade einen Tee aufgesetzt als die Lok kam. Um zu vermeiden, daß beim ankuppeln alles in die Botanik flog, saßen wir auf dem Hügel. Ich hatte meine Tasse in den händen und sprang auf die Plattform. Die Lok dockte an - RUMMMS - meine Tasse war nur noch halb voll, abberr ich stand auf der Plattform und krallte mich am Gepäckträger fest. Ich hatte ja einiges erwartet, aber doch nicht gleich, daß man bei jeder Bremsung meint, die Welt ginge unter. Die anderen liefen der Plattform hinterher und ich konnte nichts tun, außer darauf aufzupaßen, daß sich die mir verbliebene Hälfte des Tees nicht auch noch verabschiedete. Erst warten wir den ganzen Tag, dann scheppert es kurz und schon fährt die Plattform. Aber zum Glück nur bis zur nächsten Weiche, dann ging es wieder zurück und so nach und nach fanden sich die zu den Fahrzeug gehörigen Leute wieder auf der Plattform ein. Bei jedem Halt sprangen einer oder mehrere auf. Während der Zug noch zusammengestellt wurde begann es zu regnen.
Um 23:05 Uhr, 10 Stunden un 5 Minuten verstpätet, rollt dann der zusammengestellte Zug an. Wir waren gut in der Mitte plaziert und ich deutete das als gutes Zeichen, konnten sie uns nicht einfach abhängen ohne den ganzen Zug auseinander zu nehmen. Oder sie mußten die hälfte vom Zug mit auf das Abstellgleis tun und dann würden sie hoffentlich eine
auf den Deckel bekommen.
Endlich verließen wir das Bahnhofsgelände, es ging über die Straße, wer jetzt allerdings meint, es gäbe auch nur etwas ähnliches wie eine Schranke, der liegt Meilenweit daneben. Es läuft auf jeder Gleisseite je ein dunkel (!) gekleideter Neger auf die Straße und hält die Autos an. Und da bot sich mir ein etwas verschärftes Bild: Ich sitze also da auf meinem Chefsessel, die Landschaft zieht verkehrt herum vorbei und der Zug rollt gemächlich über die Straße und ich schaue cigarettenrauchenderweis' zur offenen Türe auf die Straße hinaus, wo Autos, Fahrradfahrer und Fußgänger stehen und darauf warten, bis der Zug vorbei ist, damit sie weiterfahren können. Viele winken und schreien "Tubaab" oder "Kadoh" oder sonstwas. Das ist normal und keiner Wundert sich oder denkt sich was. Da steht also auch ein junger Afrikaner, bekleidet mit einem roten Basketballshirt, schwarzer Bermuda und Strandlatschen, schaut mich an, reißt beide Arme hoch, winkt ganz aufgeregt, dann nimmt er den rechten arm nach vorne abgewinkelt wieder runter und streckt das rechte Bein aus, winkelt das ab und reißt den rechten Arm wieder hoch, läßt ihn wild weiterwinken, während der ganzen Vorführung brüllt er irgendwas und der Kopf ist immer in meine Richtung gerichtet, so daß er irgendwann mit dem Kinn die rechte Schulter berührt und den rechten Arm mit angewinkelter Hand weit nach hinten streckt.
Ich kann das nicht richtig mit Worten beschreiben, ich hätte es filmen sollen, es ist schon etwas seltsames, wenn man nichtsahnend dasitzt und plötzlich sieht man etwas und weiß nicht, wie man das jetzt einordnen soll, ob das gerade beschriebene Verhalten irgendein hochkulturelles Ritual ist, zu dem man als Europäer keinen Zugang hat, oder ob der Typ uns zu
verstehen geben wollte, daß er gerne ein Gorilla werden will, wenn er groß ist oder ob er schlichtweg nicht alle Tassen im Schrank hat. Der Witz bei der Sache ist nämlich der, daß man
das nicht nur einmal sieht, sondern eigentlich in jedem Dorf und sogar auf der Landstra ße, zwar nicht ganz so gekonnt, aber schon in die Richtung gehend.
Leider fuhr der Zug nicht allzuweit, etwa einen Kilometer, dann hielt er, die Plattform füllte sich mit Leuten, die zwischen den Autos Platz nahmen und wir dachten, es würde bald weiter gehen, aber nichts da...
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