Um 11:20 Uhr fuhren wir bei Brigitte los. Ich war nicht dazugekommen, das Auto einigermaßen instandsetzen zu lassen. Sie hatten endlich meine lang ersehnte Gelenkwelle dabei. Kein Wort von Übergewicht, kein Problem mit dem Zoll, nichts. War wohl nur gewichtsmäßig schwer gewesen, denn die Tasche wog gut und gern ihre dreißig Kilo. Falls es uns auf der Fahrt nun die Gelenkwelle verreißen sollte, hatten wir Ersatz, aber da die andere noch bestens hielt, hielt ich es nicht für nötig, die neue einzubauen. Trotz des verheerenden Baumschadens wollten wir aber nach Feuerland. Es ist schließlich ein Mercedes. Das Dumme war nur, daß der Kofferraum nicht wirklich dicht zu kriegen war, man konnte, wenn man dünne Hände hatte, in den Kofferraum fassen, wenn er geschlossen war. Ich wollte mich noch bei Harald erkundigen, wie man am besten nach Bariloche kommt. Er war die Tour erst kürzlich gefahren und war begeistert. Wir waren einmal beim Essen und er hatte mir damals die Bilder gezeigt. Einige davon hat er mir geschickt. Hier sind sie:
Harald und seine zwei Kumpels aus Stuttgart mit sehr viel Stil und Stuttgarter Kennzeichen auf Tour durch Argentinien. |
Klassisch mit einem alten 240D mit stuttgarter Kennzeichen. Das hat einfach
was. Er beschrieb mir den Weg und sagte mir, ich solle nach der Tour mal vorbeikommen.
Wir starteten. Anfangs hatten wir leichte Schwierigkeiten, erst aus der Stadt,
dann in die richtige Richtung zu finden. Schließlich schafften wir es
doch irgendwann. War nicht schlimm, wir hatten es ja nicht eilig. Wir fuhren
langsam aber beständig in Richtung Santa Rosa. Das stand schon ab und zu
angeschrieben, aber nie stand die Nummer der Ruta irgendwo zu lesen, auf der
wir uns gerade befanden. Es gingen nämlich zunächst zwei in Richtung
Santa Rosa. Es hätte mich gewundert, wenn wir bei einer Chance von 50 zu
50 ausgerechnet die richtige erwischt hätten, ich bin schließlich
Spezialist dafür, bei einer Chance von 99 zu 1 mit Gekonntheit genau die
eine Falsche zu erwischen. Nur beim Lotto klappt's nicht. Wir fanden auch nach
zig Kilometern heraus, daß wir falsch waren. Entweder zurück bis
zur Kreuzung oder aber einen Feldweg als Abkürzung nehmen. Wir taten letzteres.
Ein übler Feldweg, eigentlich die erste Piste auf der Fahrt. Schon so früh!
Damit hatte ich erst ein paar tausend Kilometer später gerechnet. Man kann
ja schon mal üben. Wir waren sicher, auf dem Richtigen Weg zu sein, wir
hatten sogar gefragt und waren der Beschreibung streng gefolgt. Plötzlich
hing ein Draht quer über den Weg. Wir fuhren erst weiter, um es uns dann
doch anders zu überlegen. Wir waren an einem Gehöft. Also wieder zurück
und nochmals gefragt. Wir hätten doch schon vorher abbiegen sollen und
hatten uns davon täuschen lassen, daß die Piste schmaler war als
unsere. Aber es gehörte so. Wir fuhren also dort weiter, die Strecke ging
irgendwie immer im Zickzack und wir zweifelten wieder, daß das der richtige
Weg war. Aber auch wir sind nicht wankend geworden und fuhren immer weiter und
weiter, bis eine gute Asphaltstraße unseren Weg kreuzte. Das mußte
sie sein, so viele Straßen sind hier dann auch wieder nicht. Wir Bogen
rechts ab und nach einigen Kilometern hatten wir die Gewißheit.
Wir waren bald in der Pampa Húmeda unterwegs, glaube ich, da passiert
nichts, wie der Name schon sagt, es geht geradeaus immer weiter weg von der
Zivilisation, also von den großen Städten. Der Verkehr nimmt ab,
die Straßen bleiben gut, es gibt kaum Mautstationen. Die Straße
geht in Ostsüdöstliche Richtung. Wir wollten nahe an die chilenische
Grenze, um von dort aus hinunterzufahren in Richtung Süden, ans Ende der
Welt. Dafür hatte ich hier die richtige Begleitung. Für Unterhaltung
war gesorgt, hatten wir uns doch über ein Jahr bzw. dreieinhalb Jahre nicht
gesehen.
Am Ende des Tages, kurz nach Sonnenuntergang, suchten wir uns einen Feldweg
und folgten ihm, bis wir dieser es uns erlaubte, ihn zu verlassen. Wir standen
vor einer Schule Nummer sowieso, weiß nicht mehr genau. Genau weiß
ich nur die Position, falls jemand hinfahren und nachsehen möchte: S 36°02,325'
/ W 62°49,273'. Der Tacho stand bei 710.870. Kaum war die Nacht hereingebrochen,
da kamen die Mücken zu Tausenden und abertausenden. Almut ließ sich
mal wieder nicht beeindrucken, obwohl sie diese Viecher anzieht, wie ich die
Bullen. Auch sonst hatten diese Mistviecher viel mit augsburger Polizisten gemeinsam.
Nachts kommen sie aus ihren Löchern und heften sich an einen und gehen
einem auf die Nerven mit ihrer blutsaugerischen Natur. Ich war nur damit beschäftigt,
sie zu töten, womit wir auch schon beim einzigen wesentlichen Unterschied
zwischen diesen gleichermaßen unangenehmen Zeitgenossen wären: Moskitos
darf man straflos erschlagen. Normalerweise sind diese Kreaturen bei Einbruch
der Dunkelheit sehr aggressiv aber ihre Angriffe lassen im Lauf der Nacht an
Heftigkeit nach. Nicht so diese hier. Man hörte es immer nur surren, egal,
was man tat. Wir hatten noch die vielen Libellen auf unsere Seite im Kampf gegen
diese Pest, doch es half auch nichts, sie gewinnen immer, es sind einfach zu
viele, und wenn man hundert erschlägt, es entstehen keine Lücken.
Ich baute das Zelt auf für Ines und mich, weil schon von vornherein klar
war, daß Almut auf den Sandblechen schlafen würde. Die muß
sie sehr vermißt haben...
Es gab noch ein Abendessen und anschließend eine Südamerika-Cigarette
für Almut und mich. Sehr angenehm.