Sonnenuntergang: 20:39 Uhr
Wir fuhren in der Früh nach einem Frühstück gleich weiter. Almut fragte in Ihrer stets höflichen, möchte fast sagen englischen Art: "Sag mal, macht's Dir was aus, wenn Ines und ich vorauslaufen?" Natürlich macht's mir nichts aus, aber ihnen sollte es was ausmachen, schließlich geht man nicht zu Fuß, wenn man fahren kann, oder, wie der Schwabe sagt; "besser schlecht gefahren als gut gelaufen", aber damit braucht man Almut nicht kommen, die läuft wohl "zum Spaß". Ich räumte also noch das Zelt zusammen, während Almut und Ines vorausliefen. Wenig später holte ich sie ein. Wir fuhren weiter, es war 10:55 Uhr, kurz vor Eilf. So ging es ein paar Stunden gemütlich vor sich hin. Um Punkt Zwölf passierten wir die Grenze zur Provincia La Pampa (km 710.940). Der Daimler sang vergnügt, wir lachten und scherzten, es gab immer noch viel zu erzählen. Und wie wir da so gemütlich tuckern, verreißt es uns da den vorderen rechten Reifen.
Meine Güte! Geht das Theater schon wieder los? |
Eigentlich ist das mit dem Reifen nicht wirklich schlimm, damit rechnet jeder normale Mensch, der mit Reifen unterwegs ist, die immerhin schon 75.000 Km runter haben und das nicht eben auf deutschen Asphaltstraßen. Nicht so ich. Jetzt standen wir ohne Ersatzrad sprichwörtlich Mitten in der Pampa. Anhalten - was sollten wir sonst auch tun? - und das Rad abnehmen. Anschließend recht blöd schauen. Ich fragte mal in die lustige Runde, ob jemand aufgepaßt hat, wann wir das letzte Kaff passiert hatten. Keiner hatte einen blassen Schimmer. War da nicht vor 7 km eines? Nein, das muß in Tunesien gewesen sein, bloß nichts durcheinanderbringen und in die falsche Richtung loslatschen. Wohin man schaute, man sah nichts. Keinen einzigen Anhaltspunkt. Wie man nur so blind durch die Gegend schaukeln kann. Blieb nichts anderes übrig, als zu wetten. Alte Tradition. Wir warteten darauf, daß jemand vorbeikam, der mich mitnahm bis zum nächsten Dorf, falls es sowas hier gibt.
So sieht ein Reifen aus, den man "runtergefahren" hat. |
Bei dem Reifen war jeder Versuch einer Wiederbelebung reinster Irrsinn. Es
dauerte eine Weile, aber es kam aus Richtung Santa Rosa ein Auto, das sofort
anhielt. Darin saß ein netter alter Herr, der uns fragte, ob er uns etwas
helfen könnte. "Ja, sie könnten mir sagen, wie weit das nächste
Kaff ist." Ich zeigte in die Richtung aus der wir gekommen waren. Er meinte
aber, daß dort erstens nichts sei und wenn, dann sicher geschlossen, weil
ja Sonntag ist. Aber in Santa Rosa ließe sich sicher was finden. Er könnte
mich mitnehmen. Das war mal ein Angebot. Ich nahm den Reifen und ein plattes,
aber nicht unrettbar verlorenes Ersatzrad und stieg ein. "Paßt's
mir fei ja gescheit auf das Auto auf". Es ging los. Er wollte eigentlich
hinausfahren, um bei der Ernte zuzuschauen. Ihm war langweilig. Er zeigte auf
die Schnurgerade Straße und meinte, das sei die Straße, wo sich
die Porteños, die Buenosairiner, sozusagen, sich derrennen ("Aqui
es donde se matan los Porteños"). Bis nach Santa Rosa waren es noch
60 km. Keine Ahnung, wie ich wieder zurückkommen sollte. Wir suchten nach
einer offenen Werkstatt und fanden sie schließlich am anderen Ortsende.
Er flickte den kaputten Reifen, den ich mitgenommen hatte und montierte den
auf die Felge des völlig zerstörten. Der hatte was mitgemacht, kein
Wunder, daß er so enden mußte. 75.984 Kilometer hatte er abgespult.
Ich dachte mir nur, daß es nun soweit sei. Die Reifen sind alle gleich
alt, haben gleich viel mitgemacht und jetzt ist die Zeit gekommen, da sie nacheinander
ihren Geist aufgeben werden. Und noch waren wir auf den guten Straßen
unterwegs, das würde schon noch anders werden weiter südlich. Der
alte Herr meinte, ich soll den Reifen in den Kofferraum tun, er fährt mich
wieder zurück. 60 Kilometer! Ich rechnete zusammen, was ich ihm hinterher
an Geld schuldig war. Doch als wir ankamen, wollte er keines Annehmen. Gut,
dafür bekam er eine Schachtel echter deutscher Pralinen. Wir bedankten
uns sehr herzlich und ich machte mich daran, das Rad zu befestigen.
Um Viertel nach Drei, fast drei Stunden später, konnte es endlich weitergehen.
Wieder kein Ersatzrad. Aber nicht nochmals. Gegen 16 Uhr kamen auch wir schließlich
in Santa Rosa an, fuhren zum gleichen Reifentandler und ließen das zweite
Ersatzrad flicken. Der erste Reifen seit der Abfahrt in Augsburg wurde hier
entsorgt.
Keine besonderen Vorkommnisse für den Rest des Tages.
Um 22.45 fanden wir einen Nachtplatz. |