Montag
Tagsüber geschah eher nichts. Internet, ein wenig in die Stadt. Auch für
Ines und Almut standen keine Touren auf dem Plan, für mich sowieso nicht.
Es regnete den ganzen Tag. Und mir schmerzten immer noch die verdammten Knie.
Eikka und die anderen wußten noch nicht, was sie am abend machen würden.
Mal sehen. Ich wollte eigentlich auf den Campingplatz, nur wollte keiner Eintritt
zahlen. Als wir am abend hinfuhren standen schon keine Wachen mehr da. Die kämen
erst am nächsten morgen zum kassieren. Roberto hatte so einen Eintrittswisch
"organisiert" und übergab ihn uns. Dieses Talent wollte ich mir
auch noch zueigen machen. Bis zum Campingplatz waren es etwa 20 Kilometer. Die
waren gleich zurückgelegt. Als wir auf den Camping einrollten brachen die
Anwesenden in lautes Jubelgeschrei aus. Wir sahen auch den Grund. Die Deutschen
stellen eine erdrückende Übermacht auf dem Camping dar. Man sah nur
deutsche Kennzeichen an himmelsündteuren Geräten fest. Unimogs, Geländewagen,
da waren wir natürlich völlig fehl am Platze. Wir stellten und in
die hinterste Ecke. Nachdem wir da so eine Weile gestanden hatten ging ich zu
dem weißen Unimog, unter dessen Vordach sich alle versammelt hatten. Auch
hier kam ich mir völlig deplaziert vor. Durchschnittsalter geschätzt
45 - 50. Meist ältere Ehepaare, die die Jahre zwischen Frührente und
Altenheim auf Reisen verbrachten. Sehr lobens- und beneidenswert, aber das half
mir in dem Moment auch nicht weiter, wie ich da antrottelte, in völlig
verdreckten und zerfetzten Klamotten. Das war eine völlig andere Welt,
eigentlich hätte ich Leute wie Eikka und Chris erwartet, unterwegs mit
wenig Vernunft und noch weniger Geld. Hier war es glatt umgekehrt. Nur vernünftige
Leute mit zu viel Geld. Da wußten wir Vagabunden nicht viel damit anzufangen
und sie mit uns wohl genausowenig. Nicht, daß sie nicht in Ordnung gewesen
wären. Sehr nett, allesamt, man kam auch leicht ins Gespräch, konnte
sich sogar prima unterhalten, nur über was? Die fuhren scheinbar eine völlig
andere Schiene, hatten völlig andere Sorgen, wenn sie überhaupt welche
hatten. Ich brachte noch eine zweite Plane, denn der Regen wurde stärker.
Einige waren auch in Libyen gewesen. Kein einziger Motorradfahrer weit und breit.
Almut und Ines zogen es erst vor, im Auto zu bleiben und kamen etwas zögerlich
nach. Fühlten sich wohl auch fehl am Platz. Wir unterhielten uns eine Weile
und fuhren dann nochmals los, um vielleicht die Motorradler zu finden, um zu
sehen, was bei denen so ging. Wir kamen auch an ein Lokal, vor dem die Motorräder
standen, allerdings hatten wir keinen Bock, Geld auszugeben und fuhren zurück
zum Camping. Um Acht Uhr wurde Silvester gefeiert, nach deutscher Zeit und nach
deutscher Art: "Prost Neujahr..."
Nachdem wir das Zelt aufgebaut hatten, leerten wir das, was vom Ettaler Klosterlikör
noch in der Flasche verblieben war. Köstlich... aber zu wenig. Ines legte
sich in Zelt, Almut folgte bald darauf, ich weigerte mich strikt. An Silvester
um Mitternacht ins Bett. Das mach ich mal, wenn ich tot bin, aber sicher nicht
hier und nicht heut. Ich kramte stattdessen dann noch die halbe Flasche Cachaça
hervor, die noch im Kofferraum lag und machte es mir auf dem Fahrersitz gemütlich.
Wo sind wir denn? Ich stellte resigniert fest, daß der Mond durch die
Wolken auch nicht ansatzweise zu sehen war. "Prost Neujahr..."
Der Camping lag wie ausgestorben, es brannte nur einzelne Funzeln an dem einen
oder anderen Wohnmobil, der Regen tröpfelte sachte auf den ehernen Leib
des braven Daimler, Beethovens 5. Klavierkonzert spielte leis darzu, mangels
Schifferklavier, und die Gedanken wanderten heim, wo jetzt, um diese Uhrzeit,
noch Party gemacht wurde.
"Und sein kleines Mädel, das wünscht er sich her,
Das Zuhaus' so heiß ihn geküßt..."