Argentinienfahrt 2001
Montag, 19. Februar

Um Acht fuhr ich los zu der angegebenen Versicherung. Die Straße fand ich dank der genauen Beschreibung des Thekenwärters im Hotel sofort, an der Versicherung fuhr ich allerdings erst drei Mal vorbei, bevor mir klar wurde, daß ich nicht nach einem verglasten Bürogebäude mit mehreren Stockwerken zu suchen brauchte. In einem böse heruntergekommenen Haus hing ein hangeschmiertes Schild mit der Aufschrift "José da Matta - Seguros", übersetzt in etwa "Sepp vom Busch - Versicherungen". Ich klingelte und es kam bald ein kleiner Mann mit noch kleineren Augen zum Vorschein, der mich freundlich fragte, was er für mich tun könne. Ich erklärte ihm, daß ich eine Haftpflichversicherung für das Auto abschließen möchte, gültig für ganz Südamerika, wenn möglich. Er sah sich das Auto an. "Was ist denn das für eine Marke? Und das ist ja ein ausländisches Kennzeichen!" - "Genau deshalb brauche ich ja eine Versicherung..." Er erklärte mir, daß das überhaupt nicht möglich sei. Das Auto müsste erst ein brasilianisches Kennzeichen haben. Wie bitte? Sonst noch was? In Brasilien würden nur brasiliansiche Autos versichert, denn "wir hier in Brasilien sehen immer nur die Schlußlichter vom Zug" - wörtlich. Scheint mir auch so. Mein Gott... man muß feststellen, daß sie auf einigen Gebieten auch den ärmsten Ländern auf der Welt Meilenweit hinterherhinken. Nicht, daß eine in Mali abgeschlossene Versicherung im Ernstfall etwas zahlen würde, aber man kann, muß sie sogar abschließen, aber daß die Brasilianer einfach eine Gelegenheit auslassen, an Touristen Kohle zu verdienen, das wundert mich schon etwas. Liegt vielleicht daran, daß sich die Autotouristen hauptsächlich auf der Panamericana bewegen und die führt verständlicherweise nicht durch Brasilien. Na gut, dann eben ohne Versicherung weiter.
Um 9:25 Uhr tankte ich nocheinmal voll und dann ging es endlich zur Grenze. Bloß raus hier, und wenn es nur für ein paar Tage ist.

An der Grenze
Zehn Minuten später stand ich an der Grenze, nach 1.839 km, doch die Ausreise war dann doch erst um 11:15 Uhr beendet.

Die Ausreise, wohlgemerkt. Genau deshalb sieht es in diesem Land auch so aus, denn das Wichtigste ist, daß man aus den kleinsten Verrichtungen einen Staatsakt macht. Bei der Einreise machen sie Theater, bei der Ausreise auch und bringen tut es doch nichts, die Bürokratie existiert hier um ihrer selbst Willen.
Wie anders gestaltet sich doch die Einreise in Argentinien: freundliche Beamte, die alles nötige schnell ausfüllen und einen weiterweisen. Man merkt, daß etwas vorangeht. Nach nicht ganz 30 Minuten ging es weiter über erstklassigen Asphalt immer der Beschilderung nach Buenos Aires folgend weiter. Wenn man die Grenze von Brasilien nach Argentinien passiert kann man sich leicht vorstelen, wie eine Grenze zwischen dem Kongo und der Schweiz wohl aussehen könnte, würde es sie geben. Zwischen dem fünftgrößten und dem sechstgrößten Land der Erde liegen Welten. Das hebt die Stimmung ganz entschieden.

Bienvenidos a Argentina
"Willkommen in Argentinien - Mercedes Benz "
Fängt bestens an, so mag ich das.

Auffällig waren die vielen Polizeikontrollposten. Die gibt es in dieser Form in Brasilien nicht, aber man kennt sie aus Afrika. Anhalten, Papiere, woher, wohin und weiter. In Argentinien kam allerdings nie die Frage nach "Kadoh" oder die Feststellung, daß man gegen dieses oder jene soeben erfundene Gesetz verstoßen hätte. Wäre hier auch etwas teuer, denn hier ist nicht der CFA sondern praktisch der Dollar die Währung.

Die Malvinas sind argentinisch
Die Argentinier scheinen es nicht vergessen zu haben, daß ihnen England anfang der 80er etwas weggenommen hat.

Die Landschaft hier ist auch nicht besonders ansprechend, aber allein der Umstand, daß man sich nicht in Brasilien befindet macht das Ganze gut erträglich. Irgendwann muß schließlich die Metropole am La Plata auftauchen und dann wird alles gut. Ich freute mich darauf, Buenos Aires mal per Auto anzusehen. Das heißt zwar automatisch, daß die Innenstadt selbst diesmal sogut wie nicht angeschaut wird, da man auf einen bezahlbaren Parkplatz nicht hoffen braucht, aber das Vergnügen, die Innenstadt zu besichtigen, hatte ich bereits gezwungenermaßen. Mit einem Rucksack durch die Gegend zu stapfen hat eindeutig nichts und ohne Auto macht das Reisen keinen Spaß. Da fehlt einfach die traute Umgebung, das Gefühl, daß jeder Handgriff sitzt, man sieht die Welt nicht mehr wie ein Fernsehprogramm, welches sich vor der Haube abspielt, sondern irrt durch die Fremde und dafür muß man geboren sein, ist nicht mein Ding, wenn man nicht einfach mal die Tür zu- und den Diesel anmachen kann und die Außenwelt wie ein Zuschauer betrachten kann, sondern man selbst mitten im Geschehen ist, das man ja doch nicht beeinflussen kann. Im Daimler hingegen kommt man sich immer fast vor, wie daheim, er ist "ein Stück Heimat, sozusagen"... Zuhause - Mercedes-Benz, hieß es irgendwo mal. Das kann ich nur unterschreiben.

Über den Paraná
Hier sehen die Brücken schon ein bißchen besser aus. Diese hier über den Paraná sieht man schon aus über fünf Kilometern Entfernung.

Bevor ich die Innenstadt von Buenos Aires erreiche, schaffe ich es natürlich, mich zu verfahren, was ich hier allerdings nicht schlimm fand, da ich ohnehin nicht wußte, wo ich eigentlich hinwollte. Zunächst wohl Geld wechseln und das läßt sich für gewöhnlich an jedem internationalen Flughafen erledigen. Nur muß man den eben finden und man muß wissen, daß er "Ezeiza" heißt. Darauf hatte ich natürlich nicht geachtet. Nach der dritten Mautstation wurde mir der Spaß ein wenig zu teuer, da sie hier durchaus auch DM akzeptieren. Der in Brasilien ab und zu angewendete Trick, nur ausländisches Geld zu haben funktioniert hier leider nicht. Aber was soll's. Dafür bekommt man hier als Gegenleistung wenigstens eine Straße geboten und das ist dann ein normales Geschäftsverhältnis, statt der Abzocke, wie sie in Brasilien betrieben wird.

General Paz
Das sind mal wieder Autobahnen. Für argentinische Verhältnisse sogar als billig zu bezeichnen. Leitplanken, Beschilderung und Belag sind vorhanden und in Bestzustand, Schlaglöcher gibt es keine.

Um 19:00 Uhr stand ich wieder in Buenos Aires. Diesmal nicht mit Rucksack, neidisch jedem vorbeifahrenden 123er hinterherblickend, sondern vollwertig. Hier sind sie wieder, die wahren Autos. Fahren umher wie selbstverständlich. Nicht zu fassen, daß man im Nachbarland gefragt wird, was das für eine Marke ist... Auch sonst merkt man sofort, daß die 13 Millionen Einwohner zählende Hauptstadt Buenos Aires ein ganz anderer Schlag ist als alles, was sich in Brasilien "Stadt" nennt. Die Hauptstadt Brasilia damit zu vergleichen wäre eh ein Witz, wenn nicht Brasilia selbst schon einer wäre. Als Vergleich muß man schon São Paulo nehmen, vielleicht auch Rio, die ehemalige Hauptstadt Brasiliens, aber es ist wirklich egal, welche brasilianische Stadt man denn nun als Vergleich nimmt, mithalten kann sie nicht im Ansatz, da hilft es den Brasilianern auch nicht weiter, wenn sie noch so sehr über die Argentinier schimpfen, ihr Geschrei gleicht dem der Hyänen, die gerne das Zebra hätten, das sich der Löwe gerade gerissen hat. Bin fast versucht, das Geschimpfe, das in Brasilien einzusetzen pflegt, wenn man das Wort "Argentinien" ausspricht als "Neid der Besitzlosen" abzutun. Es ist die alte Leier: "Was stört's eine Argentinische Eiche..?"

Buenos Aires Buenos Aires ist jedenfalls zweifellos die europäischste Hauptstadt Südamerikas - steht zurecht so in jedem Reiseführer. Vierzehnspurige Boulevards, überdimensionierte Parkanlagen, Gebäude in klassisch mitteleuropäischem Stil. Die Vororte erinnern mehr an die Prags, die Innenstadt ein wenig an Wien, der Verkehr deutlich an Neapel.

Ich wollte zum internationalen Flughafen, um Geld (DM) zu wechseln, landete aber beim Innlandsflughafen. Knapp verfehlt, die beiden liegen nur 40 km Luftlinie voneinander entfernt. Als ich wieder einstieg und das Auto startete erlosch die Ladekontrolleuchte nicht mehr. Mist! Toll! Das war die Lichtmaschine, die ich in Kayes / Mali für teures Geld hatte reparieren lassen. Irgendwann ging sie dann doch aus, was sehr beruhigend war. Dennoch war zu erwarten, daß sie es nicht mehr lange machen würde.

Den restlichen Abend verbrachte ich damit, ziellos in der Stadt herumzufahren, mal über die Prachtboulevards, vorbei an Obelisk und Theater, mal durch die engen Einbahnstraßen der Innenstadt. Die passende Musik hatte ich an Bord: Beethovens 5. Klavierkonzert. Am Klavier: Anno Graser. So macht das Fahren wieder Spaß. Keine Schlaglöcher, eine italienisch anmutende Fahrweise und die bunten Lichter der nächtlichen Großstadt.

Obwohl Montag ist, herrscht große Betriebsamkeit, auch bei den Fußgängern. Eigentlich bin ich ja nicht der Großstadtfreund, aber es tut gut, mal wieder Zivilisationsluft zu atmen. Das Gefühl in diese Stadt hineinzufahren war mir nicht ganz unbekannt. Es rief Erinnerungen wach an jene Nacht, in der wir nach Abidjan hineingefahren waren. Damals fuhren wir auch vom afrikanischen Busch direkt hinein in eine pulsierende Großstadt, die absolut nichts mit dem zu tun hatte, was wir in den Wochen zuvor zu sehen bekommen hatten. Diesmal kam ich direkt aus dem brasilianischen Busch, doch der Schock blieb leider aus, denn in Buenos Aires war ich drei Monate zuvor schon gewesen und wußte ungefähr, was mich dort erwartete. Das Hotel, das ich damals in der Innenstadt nahm kam diesesmal nicht in Frage, da es keinen Stellplatz hatte. Dafür war ich mobil und das ist wesentlich mehr wert.

Was es hier zur Genüge gibt, sind DreckDonald'se. Über 20 zählte ich an einer langen Straße. Ich fuhr einen davon an, bestellte ein Milk Shake, einen Big Dräck und mittlere Pommes und war schon mal über 15 DM los. Den Pommes fehlte es gewaltig an Salz. Ich kramte aus der Steuerbordablage meinen kultigen Salzstreuer raus. Leider war das Salz etwas verklebt von der Luftfeuchtigkeit. Ich wollte es dadurch lockern, daß ich mit dem Steuer gegen die Lenkhilfe klopfte. Das tat ich genau einmal, danach lag nicht nur der gesamte Inhalt des Salzstreuers, sondern auch ein großer Teil von ihm selbst in den Pommes, die ich geschickterweise genau daruntergehalten hatte. Scheiße! Das war mein Lieblingssalzstreuer, den hatte ich 1989 aus dem Speisesaal im Internat als Andenken gestohlen und er war bisher auf jeder Fahrt dabeigewesen! Ich versuchte, die Pommes zu essen, aber man schmeckte nur noch Salz und Splitter. Wutentbrannt warf ich sie im hohen Bogen zum Fenster hinaus. Drecksladen, können die die Pommes nicht selbst salzen? Kann man wohl für 15 DM verlangen...


Voriger Tag Zum Anfang Nächster Tag

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold