Fahrt nach Feuerland
Dienstag, 1. Januar 2002

Almut und Ines gingen wandern. Sie überquerten auch die chilenische Grenze und magellanische Spechte erlaubten ihnen, ein Auspicium abzuhalten. Ich, für meinen Teil, blieb lieber da. Ich merkte zwar schnell, daß meine Knie wieder in Ordnung waren. Das muß wohl der Alkohol gewesen sein... Aber ich wollte sie nicht gleich dem Härtetest unterziehen. Stattdessen begab ich mich zu den Motorradfahrern. Wir zogen ein wenig durch Ushuaia. Eikka lebte, wie gesagt in Playa und ich fragte ihm ein Loch in den Bauch. Ob es da irgendwelche Verdienstmöglichkeiten gäbe. "Genug." Er selbst arbeitete an einem Projekt für Harleyfahrer. Und bei den großen Wochentouren bräuchte man einen Vanfahrer. Das wäre zum Beispiel was. Oder bei Alltournative, die hätten Unimogs und ich könnte da den Guid spielen mit meinen Sprachkenntnissen. Man fände immer etwas. Ich sollte einfach mal dort hinfahren. Aber vorerst waren wir noch im wunderschönen Südargentinien, über Mexiko konnte ich mich in Brasilien noch lange genug den Kopf zerbrechen. Vor allem über die Frage, wie ich es anstellen würde, nach Mexiko zu kommen.

S 54° 50,612 / W 68° 34,684
Gruppenphoto der Ushuaiafahrer.

Es waren allerhand interessante Leute darunter. Am interessantesten war wohl Klaus Schubert. Irgendwann in den achzigern mit seiner damaligen Freundin in Deutschland losgefahren. Wollte seine Schwester in Japan besuchen und nahm sich erst ein halbes Jahr Urlaub, dann ein Jahr, dann kündigte er. nach 16 Jahren kam er dann wieder in Deutschland an.

Seine damalige Freundin ist mittlerweile zu seiner Frau geworden und zwei Kinder haben sie unterwegs auch noch zustandegebracht. Ich unterhielt mich lange mit ihm. Sowas ist immer interessant, vor allem, wenn man vor hat, es genauso zu machen. Allerdings die Geschichte mit Frau und Freundin, die lassen wir weg. Mittlerweile verdient er sein Geld mit Diavorträgen...

S 54° 50,612 / W 68° 34,684
Sein Auto. Zwar kein Klassiker, aber wenigstens Mercedes.

Auch ein Aichacher war da. Der versuchte, sein Geld mit Diavorträgen zu verdienen, aber es klappte noch nicht so ganz. Und er fuhr einen MörderUniMog. Sehr geil, aber über den Verbrauch wollen wir mal nicht diskutieren. Selbstverständlich auch mit Aichacher Kennzeichen. Ich hatte schon seit Jahren keines mehr gesehen. Der bekam mit, daß wir von Afrika nach Südamerika verschifft hatten und bat mich um die Unterlagen der Linie, die das erledigt hatte. Ich gab sie ihm, aber riet davon ab. Die umgekehrte Richtung war schon schwierig genug gewesen, aber in Afrika ein Auto aus dem hafen zu bekommen, dazu braucht man schon ein Expeditionskorps. Oder Unmengen an Geld. Er fragte mich, was ich von Brasilien so halte. Das war schnell erklärt: "Scheiße." Er hätte da andere Sachen gehört. "Klar, jeder sieht es anders. Ich hab dort hin verschifft, das trägt zu meiner Meinungsbildung Wesentliches bei." Aber daß man nicht nach Brasilien verschifft, das wußte hier irgendwie jeder. Keiner von ihnen hatte diese Idiotie begangen. Sie hatten entweder nach Argentinien, nach Chile, oder in die USA oder nach Kanada verschifft und waren hinuntergefahren.

S 54° 50,612 / W 68° 34,684
UNiversal-MOtorGerät, kurz Unimog.

Jedenfalls gibt es kein Reisebüro, das wertvollere Informationen für Autoreisende liefern könnte, als andere Autoreissende. Auch gegen Geld nicht. Ich fragte einen Schweizer, der von Nordamerika hinuntergefahren war, wie er das Darien-Gap bewältigt hätte. Er war mit einem LandCruiser unterwegs und hatte 700 US$ für die Verschiffung von Panama nach Equador bezahlt. Klingt gut, 700 Dollar ist in Ordnung, da waren immerhin auch noch zwei Personen auf der Fähre mitgefahren.
Als ich Nachmittags auf den Camping Municipal hinunterfahre, kommen mir gerade Chris und Eikka entgegen. "Wo fahrt ihr hin?" "Ins Gefängnis. Fährst Du mit?" "Nun sag schon..." "We're going to jail. We are all arrested. Siehst Du nicht die vielen Polizeiautos dort?" Tatsächlich. An dem Platz, an dem wir unser lager hatten, waren etwa drei Polizeiautos. "Jetzt red's keinen Mist, was habt ihr angestellt? Habt ihr eines dieser nervigen Kinder erschlagen? Ich dachte immer, dafür gibt es eine Belohnung... Apropos erschlagen... Wo ist eigentlich mein Brecheisen?" Das hätten die Bullen beschlagnahmt. Jetzt mußte ich doch hinunter, um nach dem rechten zu sehen. Ich begrüßte den ersten Polizisten. "Grüß Gott. Können sie mir den Weg zu meinem Brecheisen sagen?" "Ein rotes?" "Jawohl." das ist in dem Auto dort im Kofferraum..." "Darf ich es da rausholen?" "Ja, klar..." Ich ging hin zum Polizeiauto, machte den Kofferraumdeckel auf und nahm das Brecheisen heraus. Ich sah es genau an von oben bis unten und umgekehrt. Der Polizist fragte mich, wonach ich suchte. "Nach Blut... Was geht denn hier überhaupt? Was ist los, Wer hat was angestellt? Soll ich ihm in die Fresse schlagen?", fragte ich und schwang dabei das Brecheisen. Nein, nicht nötig, alles unter Kontrolle, nur ein kleiner Diebstahl, wenn überhaupt. Gehören sie zur der Gruppe dazu?" "Jawohl". Ich wußte zwar nicht, um was es ging, aber ich wußte, daß weder Chris noch Eikka irgendwas angestellt haben konnten. Und die Bullen waren auch schwer in Ordnung. Man stelle sich vor, was ein deustcher Bulle, der sich wichtiger vorkommt als die Sonne, gesagt hätte, wenn ich gefragt hätte, ob ich was aus seinem Auto holen dürfte. Wahrscheinlich hätte ich schon dafür eine Anzeige bekommen. Wir fuhren auf die Wache. im Konvoi. Ein Polizeiauto voran, dann die drei Motorräder, dahinter ich mit dem Benz und hinter mir zwei weitere Poliziautos.

Im Konvoi zum Arrest.

Als wir vor der Polizeistation ankamen meinte man, ich müsse leider draußenbleiben, weil ich nicht angezeigt wurde. "Kann ich mich nicht selber anzeigen?" Nein, das ginge nicht. Ab und zu kam Eikka raus und erzählte, was vorgefallen sei: Am Tag zuvor, auf der Silvesterparty waren einige Touristen beisammengesessen. Darunter auch eine deutsche Touristin, mit dem Motorrad unterwegs. Da es so warm war, häten die Kradfahrer ihre Jacken ausgezogen und auf eine Eckbank gelegt. Am Ende des Abends hatte der Mexikaner einfach den ganzen Bollen gepackt und mitgenommen. Die Deutsche hätte dann ihre Jacke vermißt und gefragt, wer die Jacken mitgenommen hätte. Der Wirt meinte, es sei einer der drei Motorradfahrer gewesen. Sie fuhr also die Campingplätze ab, bis sie sie fand und fragte nach der Jacke, in der sich auch der Geldbeutel befang. Marco suchte halbherzig, weil er sich sicher war, daß er keine fremde Jacke mitgenomen hatte und meinte dann, er hätte sie nicht. Sie ging und kam mit der Polizei wieder. Ein Polizist fragte nochmals nach der Jacke, und meinte, daß er auch selbst nach der Jacke suchen würde, wenn es sein müßte. Marco nahm alles aus dem Zelt und - siehe da - die Jacke kam zum Vorschein. "Oh!" Er entschuldigte sich und gab ihr die Jacke wieder. Sie nahm den Geldbeutel heraus, doch der war leer. 300 US$ fehlten. Nach dem Verdächtigen brauchte nicht lange gesucht zu werden - eigentlich. Aber wenn ich 300 Dollar aus dem Geldbeutel klaue, dann lasse ich das Zeug verschwinden, der Fluß ist gleich drei Schritte weiter. Ich behalte nicht das Corpus Delicti bei mir. So ein Schmarrn. Sie einigten sich darauf, daß jeder der drei ihr hundert Dollar gibt. Allerdings wollte sie das nicht, denn es war nich sicher, daß es einer der drei gewesen ist. Ich persönlich glaube, es war der Wirt. Kein Wirt achtet darauf, wer welche Jacken mitnimmt und kein Mexikaner ist zu blöd zum klauen und die Nordländer klauen nicht, weil sie genügend Geld haben. Abgtesehen davon, daß es einfach hirnverbrannt ist, die Jacke samt Geldbeutel unbeaufsichtig irgendwo hinzuwerfen.

Danach fuhren wir in den einzigen offenen Laden in Ushuaia und kauften Brot. Wir fanden zwar nur eine Pckung und die war schon verschimmelt, aber das störte nicht. "Schimmel ist ein edles Gewächs. In der Art von Hyazinthen. Gerade hier soll man sich über alles freuen, was wächst..."
Wir fuhren zurück auf den Camping. Ich fuhr die Straße noch bis zum Ende, nur um den südlichsten Punkt zu erreichen, den man auf der Erde überhaupt mit dem Auto erreichen kann. Das hatte was. Nun waren die beiden Extreme angefahren worden. Gamvik im Norden und Ushuaia im Süden. Dann ging es zurück auf den Camping. Alles schlief, es war drei Uhr bei der Nacht, am Himmel war nur ein ganz leichter Schein am Horizont, der den neuen Morgen erahnen ließ. Auch Ines und Almut waren wohl schon seit mehreren Stunden in tiefen Schlaf versackt. Kurz nach mir trafen die Motorräder ein. Langsam kamen die Lichter näher. Jeder beklagte sich über die Kälte. Ein kleines Feuer in der Nähe brannte noch. Feuerholz war auch noch da, aber es gehörte jemandem. Entweder die Leute wecken und fragen oder um drei Uhr in der Nacht im Wald nach Feuerholz suchen. Was war dümmer? Egal. Wir nahmen es einfach und grillten unsere Hamburger. "Morgen müssen wir in der Früh rüber und neues holen. Als erstes wurde der Schimme aus dem Brodt gepckt, dann das Brot angebraten. Geil... Endlich wieder Fleisch nach Wochen vegetarischer Kost. Am besten roh, aber das Gefrierfleisch hatte gar kein Blut mehr. Es schmeckte trotzdem. "I need a hand-shoe", meinte ich, da es etwas zu heiß war, um das Fleisch mit der Hand aus dem Feuer zu holen. "You need what?" "A hand-shoe, that stuff is too hot to touch." "What the fuck is a hand-shoe?" Ich zeigte auf seine Hand. "This thing you are wearing because it is too cold." Ich zog am Handschuh und zog ihn selber an. "That is called glove. Do you say hand-shoe in german?" Während ich die Burger aus dem Feuer holte: "Glove? Stupid word. Of course it is a hand-shoe..." Er schaute verstört, Eikka lachte. "And how do you call this in German?", er zeigte auf seine Mütze, "head-shoe?" Wir fraßen unsere Burger und gingen dann ins Bett.
Die Tage, die wir hier in Feuerland verbrachten waren laut ZDF außergewöhnlich warm und schön, sehr untypisch. Uns kamen sie kalt genug vor.


Voriger Tag Zum Anfang Nächster Tag

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold