Fahrt nach Feuerland
Samstag, 5. Januar 2002

In der Früh gingen wir los und sahen uns diese versteinerten Wälder an. Es war kalt und grau, aber das ist ein angenehmes Fahrwetter. Eigentlich nichts besonderes. Lediglich Bäume, die vor einigen Jahrtausenden umgefallen sind. Sieht aus wie Holz, ist aber Stein. Außer uns waren keinerlei Touristen da, nur ein argentinisches Ehepaar mit einem kleinen Sohn teilte sich das Gelände mit uns und den spärlich vorhandenen Tieren. Ich machte ein Bild und genau in dem Augenblick sprang mit der Fratz vor die Linse. "Toll, jetzt hab ich den Rotzlöffel da mitten im Bild..." Ines war fleißig am Steinesammeln.

Versteinerter Baumstamm.

Der Parkwächter hatte ausdrücklich gesagt, daß man das tunlichst bleiben lassen soll. Natürlich sagte er das auf Spanisch und ich machte mir nicht die Mühe, es zu übersetzen, denn ich gehe einfach davon aus, daß jemand, der Deutsch, Englisch, Arabisch, Französisch und Russisch spricht, auch Spanisch kann. Ist ja klar. Dieses Spanisch, das ist ja gar keine richtige Fremdsprache nicht. Ich selber spreche es zwar nicht, aber heutzutage kann das ja praktisch ein jeder. Das bekommt man doch nebenbei so mit. Und als der Argentinier Ines dabei beobachtete, bat er sie auf Deutsch, die Steine wieder zurückzulegen. Das tat sie natürlich nicht, warum auch? "Dir würde es auch nicht gefallen, wenn ich in Deutschland Steine aufhebe." Alter, ganz falsch. Bei einem Deutschen ans Nationalgefühl zu appelieren ist das gleiche, wie bei einem Dieb an die Ehre zu appellieren. Hat keinen Sinn. Nun, ja, aber eigentlich hatte er recht, wenn das nämlich jeder macht, dann sind hier in zwei Millionen Jahren keine Steine mehr da, die man anschauen kann. Dann werden wir uns alle ärgern und über Steineklauer klagen. Nur geht das einfach nicht, daß man den eigenen Leuten in den Rücken fällt. Ich ging dann zu Ines hin und meinte, daß der Parkwächter vorhin eigens gesagt hatte, man soll keine Steine Aufheben. "Echt? Oh, das hab ich nicht mitgekriegt. Hat er das zu uns gesagt?" "Ja, laut und deutlich." "Sorry, hab ich wohl überhört", sie legte alle Steine brav wieder zurück.

Wir sahen uns noch das Museum an und fuhren dann weiter. 50 km Schotter auf dem Weg zurück zur Straße in Richtung Commodoro Rivadavia. Aber darauf kam es nicht mehr wirklich an. Das Wetter war Almuts Ansicht nach "drückend", irgendwie scheint die Dame ein schlechtes Gedächtnis zu haben. Damals, als wir in Benghasi lagen und die Luft nur so triefte, das war drückend. Hier war nicht die Spur von irgendeiner Feuchtigkeit. Aber es soll keiner versuchen, Frauen zu verstehen, er wird nicht weit kommen.

Die Füchse waren gar nicht scheu, trauten sich auf Armlänge an die Fahrzeuge heran.


Irgendwas mußte mit dem Reifen geschehen. Als wir auf die Fähre fuhren, mußte ich feststellen, daß die Pisten dem Reifen hinten links arg zugesetzt hatten. Er lief schon auf dem Mantel, die Drähte sah man und die weiße Leinwand. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis ihn das Schicksal abrief. Ersatzrad hatten wir natürlich keines.

Wir ließen in der ersten großen Stadt, Rio Gallegos, in den platten Reifen einen Schlauch einziehen und kauften einen gebrauchten Reifen. "Aber daß Du mir da fei ja keine brasilianische Arbeit machst. Der Reifen muß halten und ich schau Dir auf die Finger..."

Vor der "Gomeria Rio Gallegos".

"Nein, keine Sorge", sagte er, "ich mach das schon schön argentinisch, wie es sich gehört. Mit dem Reifen kannst Du dann bis ans Ende der Welt faheren." "Da komm ich grad her, zumindest stand das so auf dem Schild. Ich muß zum Arsch der Welt und der soll auch bis dahin halten." "Wo ist das denn?", fragte er, der mit der wörtlich übersetzten deutschen Redewendung wohl nicht viel anfangen konnte. "Brasilien, wo sonst?", erklärte ich ihm. "Hm. Ist halt doch ein ziemlich großer Riß." Er flickte ihn, zog alle Aufkleber vom Schlauch ab, zog den Schlauch ein und dann war der Reifen wieder fit. Einen Ersatzreifen ließ ich mir auch klarmachen. Dann ging es endlich weiter, die Fahrt wurde nur durch einige Straußenjagden unterbrochen.

In Commodoro Rivadavia kamen wir um Viertel nach Neun Uhr abends an, es war herrliches Wetter und das mußte genossen werden, denn je weiter man in den Norden kommt, desto schlechter wird das Wetter wieder, die Ungezieferkonzentration in der Luft nimmt wieder zu, die Hitze auch und ich bin nach wie vor der Ansicht, daß man besser bedient ist, wenn es zu kalt ist, als wenn es zu heiß ist, denn es ist einfacher etwas gegen die Kälte zu unternehmen als gegen die Hitze.
Und wir waren schon ziemlich weit in den Norden vorgedrungen. Bald würden die schönen Nachtplätze nicht mehr so leicht zu finden sein. Und auch, wenn der Wind hier unten manches mal störend ist, so hält er einem wenigstens das Ungeziefer vom Leib - sofern es hier überhaupt Ungeziefer geben sollte. Ich habe keines gesehen. In Commodoro Rivadavia erfuhren wir auch erstmals von der Abwertung des Peso. So ein Schmarrn, denn uns half das gar nichts. Wir hatten Dollar und egal, wo man zahlte, man nahm nach wie vor einen Dollar für einen Peso und es gab keine Diskussion.

Wir verließen wieder die Hauptstraße um in Richtung Punta Tomba zu fahren, denn in der Gegend soll es Magellanpinguine geben. Die wurden uns zur Besichtigung empfohlen. Kaum hat man die Hauptstraße verlassen, ist man wieder auf Schotterpisten unterwegs. Wir ließen uns nicht abschrecken. Ran an den Feind, über Stock und Stein, teilweise mit über 30 Grad Schlagseite ging es über die rauhen Straßen, denn je weiter man an den Rand fährt, desto weniger hat man mit Wellblech zu kämpfen und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, von einem Stein getroffen zu werden, den einen der Gegenverkehr entgegenfliegen läßt. Das war etwas, was mir ziemlich auf den Zeiger ging. Normalerweise drosselt man, wenn man sieht, daß jemand entgegen kommt. Einmal deswegen, weil man selber keinen Stein an die Scheibe bekommen will und im Gegenzug, weil es der andere auch nicht will. Das klappt bei PKW und Geländewagen bestens. Aber Busse und LKW sind da nicht besonders rücksichtsvoll. Einmal mußte ich im Kies scharf bremsen, weil ich eine Ausfahrt verpaßt hatte und wunderte mich dabei, wie der Kies umeinanderspritzt. Die Steine flogen von oben senkrecht auf die Mitte der Motorhaube. Das war ein seltsames Phänomen, das ich mir physikalisch gar nicht erklären konnte. Wie kann ein Stein in der Luft eine Kurve beschreiben, wenn keine Kraft auf ihn in Richtung Fahnrzeug einwirkt? Aber in Physik war ich schon immer eine Niete gewesen.

Jedenfalls praktizierte ich dieses Manöver das ein oder andere Mal, um die Steine absichtlich spritzen zu lassen, um den Gegenverkehr zu einer sozialeren Fahrweise zu animieren, jedoch half es nichts, denn es funktioniert nur bei hohen Geschwindigkeiten und ich drosselte immer, wenn Gegenverkehr kam fast bist zum Stillstand - der Gegenverkehr nicht immer. Wenn da noch Steine flogen, dann in unsere Richtung. Man mußte radikalere und rabiatere Methoden ergreifen. Das ist immer so. Naturgesetz: Setz Dich durch, oder werde vernichtet. Ich bin ja ein sehr geduldiger Mensch, aber das ging mir dann doch etwas an die Nieren und ich ging dazu über, einen faustgroßen Stein demonstrativ aus dem Fenster zu halten, wenn sich ein Bus näherte und keine Anstalten machte, zu drosseln. Einige Male fand er dann auch sein Ziel. "Blöder Hund!!!" - Klonk! Ich halte nichts von leeren Drohungen, wenn man droht, muß man dann auch Taten folgen lassen, deshalb mag ich das an sich nicht, aber was soll man denn machen? Noch waren alle Gläser heil, aber das konnte sich minütlich ändern.

Das hätte gewiß ein schönes Bild abgegeben...

Unseren Nachtplatz fanden wir bei Punta Tomba in einer riesigen Sappe abseits der Piste. Rings umgeben von riesigen Kieshäufen, die einen sehr guten Schutz gegen den Wind und Sicht boten, schliefen wir unter freiem Himmel ein.

S 43° 58,155 / W 65° 25,027 - Tagesmarschleistung: 681 km


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