Almut stand wie immer zeitig auf. Ich weiß ja nicht, wie die in ihrem
Privatleben ist, aber ich unterstelle ihr einfach mal, eine Partybremse mit
Carbonbelägen zu sein. Früh ins Bett gehen, früh aufstehen. Jedenfalls
steht fest, daß sie absolut kein Nachtmensch ist. Und wenn ich sie jetzt
nicht mit jemandem verwechsle, dann ist sie auch nachtblind. Was aber auf Reisen
gar nichts macht, schließlich ist das wirklich besser, denn so sehr ich
es liebe, des Nachts zu fahren, wenn man in einer neuen Gegend ist, dann läßt
man das lieber. Nicht, weil es gefährlich ist (diese deutsche Paranoia
habe ich schon vor Jahren abgelegt), sondern einfach deswegen, weil die Dunkelheit
einem die Landschaft verbirgt.
Zum Frühstück gab es Kaffee und italienischen Kuchen - ich hab nie
herausgefunden, wie zum Teufel der Kuchen an Bord gelangte. Aber er schmeckte
wohl gut und wir aßen gemütlich, neben dem Auto liegend und die Morgenfrische
genießend. Auf keinen Fall hetzen, denn der Fahrer muß fit sein,
denn Fahrerwechsel gibt es nicht, schon seit Jahren nicht mehr. Der letzte muß
1995 auf der Fahrt zurück von Budapest gewesen sein. Ist doch für
Schwule... aber man kommt auch langsam in die Jahre.
Gewiss, das Alter ist ein kaltes Fieber
Im Frost von grillenhafter Not.
Hat einer dreißig Jahr vorüber,
So ist er schon so gut wie tot.
Und ich mit meinen 27 habe nicht mehr lange zu lachen. Frisch gestärkt
fuhren wir um viertel nach Neun weiter. Ein herrliches fahren, die Sonne schien,
der Wind wehte, klare Sicht. In Rio Gallegos angekommen nahmen wir eine Treibstoff-
und Proviantergängung vor und spülten das Geschirr. Der Brauchwasserkanister
leckte schon seit Monaten. Die Vorräte waren schon etwas angegriffen und
im Kofferraum war alles voller Staub, denn durch den Knick, den der Baum am
Heck verursacht hatte, konnte man bequem mit der Hand in den geschlossenen Kofferraum
hineinlangen und auf den staubigen Pisten bleibt nichts vor dem Staub verschont.
Gefrühstückt wurde auf dem Parkplatz des Supermarktes. Ab und zu sah
ich nach der Gelenkwelle, aber die hielt brav ihre Stellung. Ich weiß
gar nicht, warum ich nicht schon viel früher auf diese geniale Idee gekommen
bin, einfach einen Reifenschlauch um die kaputte Manschette zu wickeln.
Die Hunde lassen sich so ungern ablichten, man hatte wirklich Mühe und wechselte immer zwischen erstem und Rückwärtsgang. |
Wir fuhren weiter nach Piedra Buena (Guter Stein) und sahen unterwegs einen
ganzen Haufen dieser straußähnlichen Viecher. Ich glaube, die heißen
Emus oder so ähnlich, aber ich kannte sie nur aus Geschichten, die mir
meine Großmutter vor Jahrzehnten mal erzählt hatte. Aber bestimmt
kann man die essen, das sollte man glatt mal ausprobieren, leider ist das mit
zwei Vegetarierinnen an Bord unmöglich, mir allein ist das zu groß
und Bordkühlschrank hatten wir immer noch keinen. Dabei fällt mir
die Geschichte ein, die wir in Ushuaia zu hören bekamen und die so typisch
deutsch ist, daß ich sie hiermit gerne weiterleiten möchte:
Ein deutscher Motorradfahrer fährt durch Patagonoien und fährt dabei
ein Viech über den Haufen (ich weiß nicht mehr genau, was es für
eines war, jedenfalls kein Haustier). Anstatt wie jeder normale Mensch entweder
dem Tier, damit es sich nicht unnötig quält, den Fangschuß zu
verpassen oder einfach weiterzufahren, lädt dieser Kasper das Tier auf
sein Motorrad und will es zum Tierarzt bringen. Mitten in Patagonien einen Arzt
zu finden ist schon eine Kunst, aber einen Tierarzt finden zu wollen, das ist
schon wirklich umnachtet. Natürlich kam er an einen Polizeicheck, wahrscheinlich
hat er die Polizei auch noch aufgesucht, weil er keinen Tierarzt finden konnte,
und will dann denen erklären, daß er das Tier zum Arzt bringen wollte.
Natürlich hatte er dicken Ärger am Hals nicht nur wegen Wilderei.
Da kamen noch ein paar andere Sachen hinzu, bestimmt auch Grober Unfug. Das
bringt man aus den Brüder nicht raus, einen anderen, noch größeren
Idioten hat sein deutsches Rechtsdenken in Syrien Frau und Kind gekostet - nachzulesen
bei Göttler.
Abgesehen davon, daß die beiden sicher die Zubereitung des Straußes
verweigert hätten. In echt hatte ich die bisher noch nicht gesehen. Als
ich in Augsburg losfuhr erwartete ich, Strauße in Namibia zu sehen, aber
da kamen wir ja nie an.
Um den halben Nachmittag legten wir wieder ein Rast ein. Tankstellenpause, aber
getankt wurde nicht, nur Tee getrunken, denn man muß es schließlich
ausnützen, wenn die Tankstellen hier heißes Wasser umsonst anbieten.
Der Tank war noch halb voll, insofern brauchte man noch nicht zu tanken. Der
Preis des Diesels ändert sich ohnehin kaum, da braucht man nicht Pfennigpolitik
zu betreiben. Als wir allerdings dann um 19:30 Uhr tanken wollten, weil die
Leuchte schon seit geraumer Zeit leuchtete, hatte die Tankstelle kein Diesel
anzubieten. "Fehlt uns gerade noch, daß wir in der Steppe liegenbleiben
mit fünf 20-Liter-Reservekanistern, die nur leider alle leer sind."
Bei der nächsten Gelegenheit machten wir alle Kanister dann voll. Das Auto
hing schon in den Seilen, kein Vergleich zu dem Aussehen, das es noch in Marokko
hatte, als wir alle Kanister mit Diesel bzw. Wasser gefüllt hatten und
der Daimler immer noch stand wie eine eins. Nun ächzte er und bog sich
unter der Last.
Die nächste Station waren die "Bosques Petrificados", die versteinerten
Wälder. Dazu mußte man die Ruta 3 verlassen und sich wieder auf Piste
begeben. Es war aber eine schöne Piste, auf der es gut voranging. Und sie
war nicht besonders lang, ein paar Kilometer vielleicht, und führt durch
eine schöne Gegend. Steine gibt es hier in allen Farben und formen, sehr
romantisch. Der Nationalpark hatte natürlich zu, es war schon kurz nach
Neun, aber wir blieben kurz davor für die Nacht an einem halbwegs windgeschützten
Platz in der Vulkanlandschaft (S 47° 40,939 / W 67° 56,498). Es wehte
uns dennoch beinahe davon. Nach einem gediegenen Abendmahl, das aus Nudeln und
Ei bestand, betteten wir uns zur Ruhe. Ines und ich im Zelt, Almut auf den Blechen,
wie immer. Wir hatten heute 712 Kilometer zurückgelegt, es geht viel zu
schnell nordwärts. Irgendwie mußten ich das unauffällig drosseln.
Die Piste die von der Ruta 3 zum Nationalpark führt. |