Fahrt nach Feuerland
Freitag, 4. Januar 2002

Almut stand wie immer zeitig auf. Ich weiß ja nicht, wie die in ihrem Privatleben ist, aber ich unterstelle ihr einfach mal, eine Partybremse mit Carbonbelägen zu sein. Früh ins Bett gehen, früh aufstehen. Jedenfalls steht fest, daß sie absolut kein Nachtmensch ist. Und wenn ich sie jetzt nicht mit jemandem verwechsle, dann ist sie auch nachtblind. Was aber auf Reisen gar nichts macht, schließlich ist das wirklich besser, denn so sehr ich es liebe, des Nachts zu fahren, wenn man in einer neuen Gegend ist, dann läßt man das lieber. Nicht, weil es gefährlich ist (diese deutsche Paranoia habe ich schon vor Jahren abgelegt), sondern einfach deswegen, weil die Dunkelheit einem die Landschaft verbirgt.
Zum Frühstück gab es Kaffee und italienischen Kuchen - ich hab nie herausgefunden, wie zum Teufel der Kuchen an Bord gelangte. Aber er schmeckte wohl gut und wir aßen gemütlich, neben dem Auto liegend und die Morgenfrische genießend. Auf keinen Fall hetzen, denn der Fahrer muß fit sein, denn Fahrerwechsel gibt es nicht, schon seit Jahren nicht mehr. Der letzte muß 1995 auf der Fahrt zurück von Budapest gewesen sein. Ist doch für Schwule... aber man kommt auch langsam in die Jahre.
Gewiss, das Alter ist ein kaltes Fieber
Im Frost von grillenhafter Not.
Hat einer dreißig Jahr vorüber,
So ist er schon so gut wie tot.

Und ich mit meinen 27 habe nicht mehr lange zu lachen. Frisch gestärkt fuhren wir um viertel nach Neun weiter. Ein herrliches fahren, die Sonne schien, der Wind wehte, klare Sicht. In Rio Gallegos angekommen nahmen wir eine Treibstoff- und Proviantergängung vor und spülten das Geschirr. Der Brauchwasserkanister leckte schon seit Monaten. Die Vorräte waren schon etwas angegriffen und im Kofferraum war alles voller Staub, denn durch den Knick, den der Baum am Heck verursacht hatte, konnte man bequem mit der Hand in den geschlossenen Kofferraum hineinlangen und auf den staubigen Pisten bleibt nichts vor dem Staub verschont. Gefrühstückt wurde auf dem Parkplatz des Supermarktes. Ab und zu sah ich nach der Gelenkwelle, aber die hielt brav ihre Stellung. Ich weiß gar nicht, warum ich nicht schon viel früher auf diese geniale Idee gekommen bin, einfach einen Reifenschlauch um die kaputte Manschette zu wickeln.

Die Hunde lassen sich so ungern ablichten, man hatte wirklich Mühe und wechselte immer zwischen erstem und Rückwärtsgang.

Wir fuhren weiter nach Piedra Buena (Guter Stein) und sahen unterwegs einen ganzen Haufen dieser straußähnlichen Viecher. Ich glaube, die heißen Emus oder so ähnlich, aber ich kannte sie nur aus Geschichten, die mir meine Großmutter vor Jahrzehnten mal erzählt hatte. Aber bestimmt kann man die essen, das sollte man glatt mal ausprobieren, leider ist das mit zwei Vegetarierinnen an Bord unmöglich, mir allein ist das zu groß und Bordkühlschrank hatten wir immer noch keinen. Dabei fällt mir die Geschichte ein, die wir in Ushuaia zu hören bekamen und die so typisch deutsch ist, daß ich sie hiermit gerne weiterleiten möchte:
Ein deutscher Motorradfahrer fährt durch Patagonoien und fährt dabei ein Viech über den Haufen (ich weiß nicht mehr genau, was es für eines war, jedenfalls kein Haustier). Anstatt wie jeder normale Mensch entweder dem Tier, damit es sich nicht unnötig quält, den Fangschuß zu verpassen oder einfach weiterzufahren, lädt dieser Kasper das Tier auf sein Motorrad und will es zum Tierarzt bringen. Mitten in Patagonien einen Arzt zu finden ist schon eine Kunst, aber einen Tierarzt finden zu wollen, das ist schon wirklich umnachtet. Natürlich kam er an einen Polizeicheck, wahrscheinlich hat er die Polizei auch noch aufgesucht, weil er keinen Tierarzt finden konnte, und will dann denen erklären, daß er das Tier zum Arzt bringen wollte. Natürlich hatte er dicken Ärger am Hals nicht nur wegen Wilderei. Da kamen noch ein paar andere Sachen hinzu, bestimmt auch Grober Unfug. Das bringt man aus den Brüder nicht raus, einen anderen, noch größeren Idioten hat sein deutsches Rechtsdenken in Syrien Frau und Kind gekostet - nachzulesen bei Göttler.
Abgesehen davon, daß die beiden sicher die Zubereitung des Straußes verweigert hätten. In echt hatte ich die bisher noch nicht gesehen. Als ich in Augsburg losfuhr erwartete ich, Strauße in Namibia zu sehen, aber da kamen wir ja nie an.
Um den halben Nachmittag legten wir wieder ein Rast ein. Tankstellenpause, aber getankt wurde nicht, nur Tee getrunken, denn man muß es schließlich ausnützen, wenn die Tankstellen hier heißes Wasser umsonst anbieten. Der Tank war noch halb voll, insofern brauchte man noch nicht zu tanken. Der Preis des Diesels ändert sich ohnehin kaum, da braucht man nicht Pfennigpolitik zu betreiben. Als wir allerdings dann um 19:30 Uhr tanken wollten, weil die Leuchte schon seit geraumer Zeit leuchtete, hatte die Tankstelle kein Diesel anzubieten. "Fehlt uns gerade noch, daß wir in der Steppe liegenbleiben mit fünf 20-Liter-Reservekanistern, die nur leider alle leer sind." Bei der nächsten Gelegenheit machten wir alle Kanister dann voll. Das Auto hing schon in den Seilen, kein Vergleich zu dem Aussehen, das es noch in Marokko hatte, als wir alle Kanister mit Diesel bzw. Wasser gefüllt hatten und der Daimler immer noch stand wie eine eins. Nun ächzte er und bog sich unter der Last.
Die nächste Station waren die "Bosques Petrificados", die versteinerten Wälder. Dazu mußte man die Ruta 3 verlassen und sich wieder auf Piste begeben. Es war aber eine schöne Piste, auf der es gut voranging. Und sie war nicht besonders lang, ein paar Kilometer vielleicht, und führt durch eine schöne Gegend. Steine gibt es hier in allen Farben und formen, sehr romantisch. Der Nationalpark hatte natürlich zu, es war schon kurz nach Neun, aber wir blieben kurz davor für die Nacht an einem halbwegs windgeschützten Platz in der Vulkanlandschaft (S 47° 40,939 / W 67° 56,498). Es wehte uns dennoch beinahe davon. Nach einem gediegenen Abendmahl, das aus Nudeln und Ei bestand, betteten wir uns zur Ruhe. Ines und ich im Zelt, Almut auf den Blechen, wie immer. Wir hatten heute 712 Kilometer zurückgelegt, es geht viel zu schnell nordwärts. Irgendwie mußten ich das unauffällig drosseln.

Die Piste die von der Ruta 3 zum Nationalpark führt.

 


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