Fahrt nach Feuerland
Montag, 7. Januar 2002

Nickermann Am Morgen wurden wir wieder einmal gefragt, ob wir verunfallt wären. Mit dem Heck mußte bald mal was geschehen, das ging so nicht weiter. Wir fuhren nach Viedma hinein, denn wir mußten Geld tauschen. Das war natürlich etwas, das in diesen Tagen nicht leicht war. "Feriado Bancário", hieß es, irgenwie Bankfeiertag oder Ähnliches, egal, wie man es übersetzt, es ist und bleibt Nonsens. Daß man unsere Dollar nicht gegen Peso eintauschen will mag man mir noch weißmachen können. Das ist zwar schon idiotisch genug, denn der Logik nach sollte jeder froh sein, wenn er seine Peso in Dollar wechsreln kann, denn garantiert ist ein Dollar morgen auch noch ein Dollar und garantiert wird der Peso nicht auf- sondern abgewertet. Warum also das Theater? Das Dümmste war aber wirklich, daß man sich weigerte, Dollar in Dollar zu wechseln. Einfach einen Hunderter kleinzumachen. "Das geht nicht." "Wie "das geht nicht"? Alter, ich will einfach Dir hundert Dollar geben, Du gibst mir hundert Dollar und es ändert sich bei keinem von uns was, wir tauschen Eins zu Eins und am Wert ändert sich gar nichts, nur hat die Bank dann einen Hunderter und ich hab fünf Zwanziger." "Nein, das geht nicht, kann ich nicht machen..." Sind die denn alle am spinnen hier in dem Land? Was ist nur los? Vor jeder Bank Schlangen, wie bei der öffentlichen Speisung in Deutschland im ersten Weltkrieg. Gerade so, als gäbe es bei der bank etwas umsonst.

Ohne etwas erreicht zu haben gingen wir dann ins Internet-Café. Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Bahia Blanca. Um halb Vier legten wir eine halbstündige Pause ein unter angenehm duftenden Eukalyptusbäumen. Es war sehr windig, aber warm. Wir fuhren weiter, aber nicht lange, denn bald übermannte mich während der Fahrt die Müdigkeit und wenn es dann wieder losgeht mit Schlangenlinien, dann ist es höchste Zeit für eine Pause. Es war dreiviertel Fünf, ich stellte das Auto ab, breitete die Decken auf die Bleche und nahm ein Auge voll Schlaf. Während ich schlief mußte Almut auf eines dieser dummen Windräder klettern. "Wackelte etwas", steht trocken in ihren Reisenotizen. Wenn man sie kennt, dann weiß man, daß sie entweder aus 20 Metern höhe auf den Erdboden segelte oder aber dem Sturz nur ganz knapp entging.

Gegen acht Uhr Abens beschloß ich, daß es an der Zeit war, die Kanister wieder zu leeren. Die Leuchte leuchtete schon seit geraumer Zeit. Ich nahm den Schlauch und machte einen Kanister nach dem anderen leer. Sie waren nicht alle ganz voll und der Tank leer, so daß wir praktisch alles umfüllen konnten und am Ende einen vollen Tank hatten. Almut kam hinzu und meinte, ich solle ihr beibringen, wie das geht. "Also, Das eine Ende vom Schlauch kommt in den Kanister, bis Du spürst, daß es den Kanisterboden an der niedrigsten Stelle berührt. Der Schlauch muß ganz leer sein. Dann saugst Du am anderen Ende schnell und möglichst gleichmäßig an, bis Du merkst, daß sich in Deiner Gosch Druck aufbaut, dann schnell das Schlauchende in den Tank. That's it..." Da. Probier. Sie saugte an. "Das geht aber schwer." "Stell Dich nicht so an, sobald das Zeug über den Zenith ist fließt es von selber. Sie saugte noch fester und hatte plötzlich das Zeug im Maul. "Das gibt's doch nicht, das ist doch nicht so schwer, laß mich mal". Ich hatte da ja einige Praxis, mach das ja schon seit ein paar Jährchen, angefangen damals, als ich noch jung war und Heizöl aus Kanistern in den Tank umfüllte. Ich zog an dem Schlauch an und schmeckte gleich, daß etwas nicht stimmte. "Bäh! Igitt, Dreck, hab vergessen, daß im letzten ja noch Frittenöl drinist. Spuck..." Almut, die auch gerade damit beschäftigt war, in der Gegend herumzuschlonzen meinte: "Du Arsch, das hast Du mit Absicht gemacht." "Nein, hab ich nicht, bei Frittenöl ändert sich die Sache natürlich, das muß man anziehen, bis man das Zeug auf der Zunge hat, der Schlauch muß ganz voll und Luftfrei sein. Das Zeug ist zu dickflüssig, da bildet sich am Zenith immer eine Luftblase, das klappt so nicht. Am besten stellt man sich dazu auf den Kofferraum und die höchste Stelle des Schlauches muß das Ende sein, das in den Tank kommt. Ansaugen, bis das Zeug da ist, Daumen auf den Schlauch und dann runter vom Kofferraum und Schlauch in den Tank." Und es braucht natürlich fünf mal so lang wie Diesel. Abgesehen davon, daß das Diesel viel besser schmeckt und lange nicht so ekelhaft riecht wie altes Frittenöl. Schlecht kann es einem davon werden.

Eine halbe Stunde später hatten wir eine Bahia Blanca vorgelagerte Tankstelle erreicht, an der wir den Abwasch erledigten. Das Wasser hier war angeblich bitter, aber da Wasser ja für Hunde ist, störte mich das nicht weiter. Das Cola schmeckt auch hier genauso wie woanders. Aber es war tatsächlich so bitter, daß es nicht mal zum Kochen langte, daher mußte es woanders aufgefüllt werden. Wieder eine halbe Stunde später hielten wwir wieder an einer Tankstelle und füllten den Brauchwasserkanister auf. Hier bemerkte ich, daß das Heck des Autos fast so niedrig hing wie 1998 in Libyen. Ich sah auf den Druckluftanzeiger im Handschuhfach. Null. Hä? Wie kann das passieren? Ich bat Almut auf den Knopf zu drücken. Der Kompressor lief an, aber der Zeiger bewegte sich nicht. Ich machte die Haube auf und sah nach. Das Leck in der Leitung war gleich gefunden. Hinter der Batterie. "Haben wir noch Panzer-Tape?" Almut reichte es mir heraus. Ich verband die Leitung, sogut es eben ging. Den Druckverlust konnte nich nicht ganz stoppen, bei Unterdruckleitungen funktioniert das gut, aber bei Druckleitungen hilft nichts, die Pressluft bahnt sich ihren Weg nach Außen. Nach einer dreiviertelstünigen Doktorarbeit mit viel Gefluche fuhren wir weiter. Ich mußte mich wieder beruhigen und entspannen. So dieselten wir dahin unter einem herrlichen Sternenhimmel. Und wie wir den Sternenhimmel so beobachten, sahen wir etwas Seltsames. Ich sah es als erster, zeigte drauf: "Uia! Was ist denn das?" In etwa 40° in nicht einzuschätzender Höhe war ein seltsames Gebilde am Himmel. Es leuchtete Gelb und man konnte wirklich nicht sagen, was es war. Für ein Flugzeug war es zu schnell und zu hell, für eine Sternschnuppe zu langsam und wiederum zu hell. Es blieb etwa 20 Sekunden in der Luft bevor es einfach erlosch oder verschwand. Wir haben nie herausgefunden, was es war. Um halb Zwölf fuhren wir auf einen Feldweg. Er war ziemlich eng, aber wir fanden einen kleinen Abzweig, sahen, daß er wieder auf die Piste zurückführte und schlugen auf dem Seitenweg unser Lager auf, neben einem Maisfeld (S 38° 35,217 / W 60° 14,868). Das Kochen unterließen wir, aber Glühwein gab es dennoch. Kein Zelt heute, da dafür kein Platz war. Wir machten im Süden Wetterleuchten aus. "Wird schon schiefgeh'n..." Und wieder die Kilometerleistung auf nur 518 heruntergedrückt, doch waren wir Buenos Aires ein gutes Stück nähergekommen.


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