Mitten
in der Nacht regnete es dann los. Ines wachte als erstes auf und weckte mich.
"Almut! Aufwachen! Müssen Stellungswechsel vornehmen, es pisst..."
Innerhalb von Minuten war alles gepackt. Die Müdigkeit steckte mir noch
in den Knochen und ich bekam sie da einfach nicht raus. Aber wir mußten
weiter, hatte keinen Sinn hierzubleiben, zumal es so aussah, als wäre es
im Norden klar. Wir fuhren durch die Morgendämmerung auf der Wolkendecke
heraus und ließen uns nach 65 Kilometern auf einer Wiese zwischen der
Straße und einer Estáncia (S 38° 16,381 / W 60° 14,868)
nieder und schliefen aus. Wieder standen wir unter Eukalyptusbäumen. "Da
kann man Tee drausmachen", erklärte ich Almut mit wichtiger Miene.
Eukalyptustee klingt gut. Der Wasserkessel wurde angeworfen, ich zupfte ein
paar Blätter, warf sie in den Topf und als alles grün war goß
ich es in die Tassen um. Almut probierte. "Bist Du sicher, daß man
Eukalyptustee so macht?" "Glaub schon... wieso? Wie schmeckt's?"
"Bitter." Ich probierte und spie alles sofort wieder aus. Grausam.
Alles wegkippen, bäh. Schmeckt richtig giftig. "Ich könnt schwören,
daß das Eukalyptus ist..." Schaute genauso aus wie der Eukalyptusbaum,
den wir im Garten hatten, da hat meine Mutter immer Tee davon gemacht. Und der
hat auch einen weißn Stamm und grüne Blätter gehabt. Komisch.
Wir sattelten dann wieder auf konventionellen Tee aus dem Beutel um. Und wir
hatten immer noch den schwarzen Tee von der Elfenbeinküste.
Es fehlten noch knappe 500 km bis Buenos Aires. Das schaffen wir leider, daher
fuhren wir erst am Nachmittag los, es war halb Eins. In Azul kauften wir nochmals
ein. Wir kamen und kamen nicht darauf, was dieses seltsame Phänomen gewesen
sein könnte, das wir vor ein paar Tagen am Himmel gesehen hatten. Um halb
Acht legten wir eine Alfajores-Pause ein. Die letzte. Dann tuckelten wir weiter
nach Buenos Aires. Schon auf 50 Kilometer Entfernung sah man die Dunstglocke.
Gegen Neun waren wir dort angekommen. Abschlußessen. Auf der Fahrt hatten
wir etwa fünfhundert mal das Lied von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung
gehört, das mit "In einer Pizzeria in Palermo City" anfängt.
Da saßen wir dann - in einer Pizzeria im Stadtteil Palermo. Ich bestellte
mir ein Bier. Mußte zwar noch fahren, doch das eherne, selbstauferlegte
Alkoholverbot wurde hier erstmals, zur Feier des Tages, gebrochen. Almut und
Ines achteten darauf, daß ich es nicht übertrieb. "Ruck Deine
Lira viera, der Chianti ist schon wieder leer..." "Nix da, Du mußt
noch fahren!" "...und a klaaner Sizilianer fongt aa zum waaner..."
Verdammt, wenn ich an die bevorstehenden 2000 km durch Brasilien dachte, dann schnürrte mir schon der Gedanke die Kehle zu. Nicht schon wieder. In umgekehrter Richtung ist es nicht schlimm, denn man fährt nach Argentinien oder Uruguay, jedenfalls raus aus Brasilien, aber nun mußte ich immer tiefer rein in diese Sule. Nur nicht dran denken. "Müßt ihr wirklich von hier aus fliegen? In São Paulo gibt's auch Flugzeuge..." "Hilft nichts", sagte Almut, "würde ich sehr gerne, aber die Zeit ist um." Glaube ich ihr, aber das machte es nicht besser. "Jetzt leg in Punta erst mal ein wenig Urlaub ein, nächsten Monat kommt der Benno Dich besuchen und im Sommer geht es dann nach Mexiko, hast allen Grund, Dich zu freuen." Erst mal hinkommen, Du Ochse, hinkommen nach São Paulo...
Wir zahlten, Mangels Peso mit Dollar. Als uns die Bedienung den Teller mit
dem Wechselgeld - natürlich Peso - brachte, stellte ich fest, daß
da viel zu viel Geld lag. "Ich glaub, die hat sich verrechnet... Was nun?"
Ines meinte, wir sollten einfach ein bißchen mehr Geld als Trinkgeld lassen
und den Rest mitnehmen. Mir fiel da der Typ von der Tankstelle ein, der da eine
Lobeshymne auf der Deutschen Ehrlichkeit sang. Das geht nicht, es gibt tatsächlich
noch viele Orte auf der Welt, wo man sich als Deutscher nicht schämen muß.
Eigentlich überall, außer Deutschland, Mallorca und noch ein paar
kaputte Gegenden. "Deutsche Autos, deutsche Treue, Daimler-Benz-Motorensang
sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang", so wollte
es von Fallersleben gesagt haben, er hat sich nur verschrieben. Ich zischte
und pfiff die Bedienung heran und erklärte ihr, daß wohl ein Irrtum
vorliege. Ich hielt ihr die Rechnung hin. "Du hast mir doch 20 Dollar gegeben..."
"Richtig", sag ich, die Rechnung machte 17, wieso liegen hier hier
also weit mehr als drei Peso?" "Lo que pasa és, daß der
Dollar schon bei anderthalb Peso steht." Somit wäre der Irrtum also
aufgeklärt. Daß der Peso abgekoppelt war, das wußten wir ja
mittlerweile, aber daß in einem Restaurant das schon zur Praxis geworden
war wunderte uns doch etwas. Aber gut zu wissen.
Nach der Pizzeria fuhren wir an den La Plata. Einen besseren Nachtplatz gab
es hier nicht. Allerhand los, dort, mit der Ruhe, die wir dort unten hatten,
war es natürlich vorbei. Wir suchten uns eine dunkle Ecke am Parklatz,
breiteten die Decken aus und legten uns hin. Bei Lärm einschlafen hatten
wir ja in Afrika gelernt. Und wie in Afrika hörte es sich auch an, als
irgendein Trottel die Trommel zu rühren begann und zwar nicht gerade mit
ruhig-festem Trommelwirbel, sondern eben so, wie man es aus Afrika kannte: Hauptsache
Lärm. Ines und ich machten noch einen kleinen Spaziergang bis zum Ufer,
sahen hinaus auf den vom Mondenschein und von dem Lichtermeer der Metropole
erhellten Rio de la Plata und quatschten noch eine Weile. Dann legten wir uns
hin. Ich legte mir mal wieder mein Mujnitionslager an, nur für den Fall,
daß irgendwelche Straßenköter sich in die Nähe wagen sollten.