Fahrt nach Feuerland
Mittwoch, 9. Januar 2002

Um Acht wurde gefrühstückt. Der Nachtplatz belegt wirklich den untersten Rang, aber wenn die Nacht ihren wohltuenden Schleier darüberbreitet, kann man es auch hier aushalten. Immerhin weht immer Wind und das hält die verdammten Mücken fern, die hier oben wieder reichlich vorhanden sind. Es fehlte von dieser Reise noch ein Gruppenphoto, wie es halt sonst auch immer üblich war. Die alte Pentax aus den Siebzigern weigerte sich allerdings, den Film zu transportieren. "Dreck", sage ich noch und mache die Klappe auf - damit sei erklärt, warum die letzten Bilder so schlimm zugerichtet sind und warum beim letzten Teil die Bilder ganz fehlen. Einige Aufnahmen sind natürlich ganz draufgegangen und alles, was Almut und Ines getypt hatten, wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.
Nach Jahren eingetroffen: Das seit Libyen 1998 bei jeder Fahrt obligatorische Gruppenphoto der Besatzung. vor dem Daimler.

Wir fuhren um kurz nach Zehn erst los zum Einkaufen. Das gestaltete sich natürlich bei der derzeitigen Lage etwas schwierig. Keiner wollte uns wechseln und auch an der Tankstelle stand der Kurz noch eins zu eins. Ich probierte es wieder bei der Bank und sprach mit einer überaus hübschen Angestellten. Ich fragte, bat, die Diskussion verlagerte sich dann vor die Bank, sie hatte schon ihren privaten Geldbeutel in der Hand, aber wir konnten uns auf keinen akzeptablen Kurs einigen. Ihre Telephonnummer rückte sie natürlich auch nicht raus. Vielleicht lag es am zerrissenen und ölverschmierten Hemd oder an der Tatsache, daß meine Augen im Gegensatz zu den ihrigen braun sind. keine Ahnung, jedenfalls war ich hinterher genauso weit wie vorher.
Leider nimmt der Diesel keine Rücksicht auf ökonomische Engpässe und so mußten wir in den sauren Apfel beißen und mit Dollar tanken. Und wir hatten kaum noch kleine Scheine. Zum Auswachsen.

Wir bestätigten die Flugdaten der beiden, leider ging das Flugzeug planmäßig. Danach fuhren wir auf den deutschen Friedhof und besuchten unter anderem den Kapitän der Admiral Graf Spee.
Nebenan das Kriegerdenkmal, auf dem geschrieben steht: "Wer den Tod im Felde fand, ruht auch in fremder Erde im Vaterland." Der Friedhofswärter war auch noch da und verrichtete seine Tätigkeit. Er erzählte, daß alljährlich am Todestag von Kapitän z.S. Langsdorff eine Ehrung abgehalten werde. Und der Friedhof ist - zumindest bei Tageslicht - eine sehr schöne Anlage. Ich habe das wahrscheinlich schon früher geschrieben. Jedenfalls verbrachten Ines, Almut und ich den Nachmittag hier. "Ich leg mich gleich dazu..."
In Buenos Aires zur letzten Ruhe gebettet, gleich am Eingang des deutschen Friedhofes.

Keinen Bock auf dieses riesige Kackland da im Norden, Tage und Nächte da durchzukacheln um dann in Campinas zu enden. Ist man erst man dort, dann geht es ja, das ist immerhin mein zweites zu Hause, das Problem an der Stadt ist, daß sie leider allzusehr danach aussiet, als wäre ich dort zu Hause. Alles geht drunter und drüber, nichts funktioniert, die Stadt ist häßlich und wenn sie einst in ihrem Müll versinkt, dann vermißt sie auch keiner. Und mittlerweile kenne ich mich in Buenos Aires besser aus als in Campinas, wo ich meine Kindheit verbracht hatte. Es ist einfach schade, daß São Paulo Buenos Aires abgelöst hat als die Hauptindustriestadt Südamerikas, sonst hätte man meinen Vater damals in den 70ern wahrscheinlich hierher versetzt. Ich hatte keinen Lust, aufzubrechen. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre es sofort wieder in den Süden gegangen oder auf nach Mexiko. Und der Nachmittag am Friedhof hat wirklich gutgetan. Hier endet sowieso alles. Lieb' und Leben schwinden schnell vorbei...
Auf dem Weg nach Martínez hielten wir an einer Eisdiele und schlürften eben ein Eis. Es wurde nun Zeit... die letzten Kilometer bis Martínez wurden widerwillig zurückgelegt, alles schoß links und rechts geschäftigt an uns vorbei. Das Auto hat wieder diesen Defekt, der immer auftritt, wenn eine schöne Fahrt zu Ende geht. Ich kann mich erinnern, daß wir des öfteren im Schrittempo an die libysche Grenze rollten. Hier das selbe, das kann kein Mechaniker beheben. Wir rollten um halb Fünf vor Brigittes Haus (km 719.306), das Gepäck der beiden war schon im Innenraum hergerichtet. Wir stiegen aus, sie schnallten um. "Danke für die schöne Zeit..." Ich umarmte Ines, von Almut verabschiedete ich mich mit Händedruck, wie es unter Kameraden eben üblich ist. "Alaska 2003?" "Alaska 2003! Bis denn... Mach's gut." Sie gingen über die Straße ins Haus, ich stieg ein und fuhr.

Kilometerstand bei Ankunft: 719.306 km

Für Ines und Almut war die Feuerlandreise hier zu Ende gewesen. Bei mir ging sie noch weiter, obgleich ich viel lieber in Buenos Aires geblieben wäre. Ich mußte noch zurück nach Brasilien. Was nun folgt ist ein bilderloser Bericht über eine weiterhin unspektakuläre Fahrt, die nur aus dem Versuch bestand, die schöne Feuerlandfahrt in die Länge zu ziehen, die Zeit festhalten zu wollen, die doch unaufhaltsam zerrinnt, unerbittlich. Ich wartete in Buenos Aires noch ab, bis die beiden abgeflogen waren. Man weiß nie. Es war das erste mal, daß ich Leute nicht persönlich zum Flughafen brachte und ich fühlte mich dabei nicht ganz wohl. Daß mir das gerade bei Ines und Almut passieren muß. Das sind mit Abstand meine besten Beifahrer.

Ich gammlete in Buenos Aires ein wenig herum, sah mir dies und jenes an, möglichst ohne aus dem Auto auszusteigen.
Und mir fiel ein, daß ich eigentlich mal bei Harald vorbeischauen könnte. Ich rief an und lud mich zum Essen ein, wollte noch warten, bis die beiden abgeflogen waren, viel Späße konnte ich mir allerdings nicht erlauben, denn das Geld wurde langsam knapp. 300 Dollar waren noch übrig und die mußten bis zur brasilianischen Grenze reichen. Dort funktioniert die Bankkarte wieder und da ich nun einige Monate weg gewesen war, hoffte ich, auch ein paar MickyMaus auf dem Konto zu haben.

Aber noch war es nicht soweit und ich hatte vor, so lange, wie nur irgend möglich die Einreise nach Brasilien hinauszuzögern. Ein paar Tage noch in Buenos Aires und dann ab nach Uruguay. Ich hatte ja noch eine Einladung von Max, dessen Eltern in Punta del Este ein Haus haben. Dort war also die nächste Station.


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