Um acht Uhr wurde ich von einem anderen Hotel-Wächter geweckt. Er kam ans Auto und meinte, daß die Badegäste nun an den Strand kommen würden, und da würden wir im Weg stehen. Kein Problem. Gabi stellte fest, daß ihre Schlappen über Nacht gestohlen worden waren. Als erstes mußte Reinschiff gemacht werden. Der Müll mußte raus, es mußte gespült werden, die Fußmatten mußten vom Sand befreit werden usw. Das erledigten wir an einer Texaco an der Ausfallstraße.
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| Unser Nachtplatz am nächsten Morgen. |
Danach fuhren wir zum Hotel Viena. Yoyo war wieder da. Er schlug vor, daß wir uns doch erst mal etwas entspannen sollten, und zwar in einem Park. Tayrona hieß er und war irgendwo hinter Sta. Marta. Ich war doch entspannt. Aber da Gabi damit einverstanden war, hatte ich auch nichts dagegen. Hauptsache, der Diesel läuft. Und um die Verschiffung konnten wir uns auch nächste Woche noch kümmern. Die läuft ja nicht davon.
Ich räumte draußen vor dem Hotel noch den Kofferraum ein wenig um, um Platz für die Einkäufe zu machen, die wir nachher gleich noch erledigen mußten, bevor es losging. Der Park selbst lag im Dschungel und mit dem Auto kam man da nicht hin. Das mußte einige Kilometer zuvor stehenbleiben und den Rest des Weges mußte man zu Fuß gehen. Der Kofferraum läßt sich schlecht mitnehmen, also mußte einiges umgepackt werden. Da kam ein Typ vorbei, lange Kordhose, T-Shirt, und sah sich eine Weile den Benz an. Er wollte wissen, was das für ein Kennzeichen sei. So kamen wir ins Gespräch. Er fragte, ob wir etwas bräuchten. Marihuana, Koks, sei alles kein Problem und er würde uns einen sehr guten Preis machen. "Nein, danke... Das einzige was ich brauche ist Geld. Wenn Du mir das besorgen kannst, dann kommen wir vielleicht ins Geschäft. Alles andere kostet ja nur." Er grinste, bestand auch gar nicht weiter drauf und wir unterhielten uns weiter über Motoren. Gabi kam aus dem Hotel und kam auf uns zu. Er begrüßte sie, sie ignorierte ihn und meinte nur oberschlau zu mir: "Tipp vom Küken: Mit dem solltest Du Dich vielleicht besser nicht unterhalten. Das ist hier nämlich der Oberdrogendealer hier..." Nachdem sie mich mit dieser überaus wertvollen Information versorgt hatte, wackelte sie wieder ins Hotel und zog hinter sich das Eisengitter zu. "Deine Frau?" "Nein!!!" "Freundin?" "NEIN!!!" "Glück gehabt...", sagte er und wir mußten beide lachen.
Irgendwann zog er dann weiter und ich ging wieder ins Hotel. So ein Blödsinn! Wieso soll ich mich nicht mit jemandem unterhalten, nur weil er mit Stoffen handelt, deren Preis nicht an irgendwelchen Terminbörsen festgelegt werden? Was würde das ändern, wenn ich nicht mit ihm redete? Das tut ja nun wahrlich nicht weh. Es gibt keinen Grund, unfreundlich zu sein, wenn der andere nicht unfreundlich war. Und das war er nicht.
Mittags fuhren wir los. Aber zunächst fuhren wir noch zu einem Supermarkt, um die Vorräte zu ergänzen und danach beschlossen wir, irgendwo außerhalb Cartagenas in ein Restaurant zu gehen, um etwas zu essen. Wir fanden auch eines, das sehr nett aussah und nahmen draußen auf der Veranda platz. Das Essen war sehr gut und preiswert, es gab nichts daran zu meckern. Als wir bei der Nachspeise saßen, kam ein gut gekleideter Mensch zu uns. Er betrat nicht das Restaurant, sondern blieb draußen, vor dem Dicken Zaun, der die Veranda vom Strand trennte. Er verkaufte Zeichnungen und bot uns an, uns zu malen. "Nein, danke. Eher nicht..." "Aber Deine Zeichnung habe ich schon sogut wie fertig", sagte er. "Ich kann mir denken, was jetzt kommt", sagte Gabi. Er blätterte in seinem Zeichenblock und zeigte sie uns.
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| "Die Mütze müßte man noch ändern..." |
Wieso war keiner von uns überrascht? Egal, wo ich mich auf der Straße bewegte, immer wieder hörte man irgendjemanden "Osama Bin-Laden" sagen. Die Kohle, die der Typ hat, hätte ich allerdings auch gerne, muß ich sagen. Und sie meinten es nicht böse. Onkel Osama ist für viele Leute hier sowas wie ein Volksheld. Einer, der aktiv gegen die Amerikaner vorgeht kann schließlich kein schlechter Mensch sein.
Wir fuhren wieder in die Richtung, aus der wir erst kürzlich gekommen waren. Hielten wieder an derselben Tankstelle, an der wir schon latzte Woche getankt hatten, legten irgendwo eine weitere Pause ein. Als wir den Park schließlich erreichten, war es halb Sechs (km 753.340). In einer halben Stunde würde es stockduster sein. Wir suchten eine Rezeption und fandes sie auch dank der Beschilderung. Wir bezahlten und eine junge Frau führte uns zum Park hinauf. Sie hoch zu Roß und wir zu Fuß. Taschenlampe hatten wir dabei, das Pferd war nicht mehr das jüngste, aber wir hatten Mühe, mitzuhalten. Nicht nur wegen des Gepäcks, sondern vor allem, weil es hier unglaublich schwül war. So stelle ich mir eine Sauna vor. Bäh!
Man sah die Hand vor Augen nicht, wenn die Taschenlampe aus war. Wenn die Sonne untergeht, erwacht der Dschungel zum Leben. Das ist allgemein bekannt, aber erlebt hatte ich das bisher nicht. Ich habe auch keine Ahnung, was für Viecher solche Laute von sich geben, nicht einmal grob. Reptilien? Vögel? Säugetiere? An dem Konzert waren sicher alle drei Arten beteiligt. Die junge Frau schien das gar nicht wahrzunehmen. Sie machte einen komplett ruhigen Eindruck. Das bedeutet, daß es keinen Grund zur Aufregung gab - auch wenn sie ab ein oder zweimal unvermittelt stehenblieb. Ich wollte gar nicht wissen, was sich hier alles tummelt. Es verging keine Sekunde, in der es ganz still war. Ständig zirpte, heulte, pfiff, jaulte, schlug, knackte irgendetwas, mal ganz nah, mal weiter weg. Das ganze vermischte sich zu einem Klang, den ich nie zuvor gehört hatte, und den ich auch nicht beschreiben kann. Mir kam es vor, als ob es immer lauter wurde, je weiter wir uns in den Busch hineinbewegten. Kann aber auch Einbildung gewesen sein.
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| Rote Husaren, sie reiten niemals Schritt... |
Nach einer weiteren Stunde Fußmarsch waren wir am Park. Dort waren schon mehrere Touristen. Der Park lag am meer und hier war es wieder etwas angenehmer, da der Wind wehte. Als erstes ging ich in die Dusche und zog mich um. So. Jetzt nur nicht zuviel bewegen. Es gab eine Art Restaurant und Strom kam von einem Generator und der wurde irgendwann in der Nacht abgestellt. Schlafen konnte man in Hängematten, die sich unter einer großen Pergola befanden. Die Hängematten mußte man mieten. Aber die Preise waren wirklich sehr human. Kolumbien ist überhaupt ein sehr billiges Land. Das sicherste Anzeichen dafür war, daß die meisten Touristen, die wir hier fanden, aus Israel waren. Immer dahin, wo alles nichts kostet. Und über die Sicherheitslage brauchen die sich weiß Gott keine Sorgen machen. Verglichen mit daheim ist Kolumbien ein Ort tiefsten Friedens. Hier kann man beruhigt in einen Bus steigen, ohne Angst haben zu müssen, daß er in die Luft fliegt.
Wir unterhielten uns noch eine Weile darüber, wie es weitergehen sollte, bis wir einschliefen - natürlich ohne eine Lösung gefunden zu haben. Denn es gab sie zwar, aber sicher nicht hier. Und es gab kein schlaues Buch, das ein Patentrezept bietet.