Panamericana 2002
vom 26. Juli bis 16. Oktober

Diese Fahrt sollte von São Paulo / Brasilien bis nach Playa del Carmen / Mexiko gehen. Ich hatte um die Jahreswende Eikka kennengelernt, als ich mit Almut und Ines unterwegs in Feuerland war. Der war mit einem Motorrad von Südmexiko bis Südargentinien gefahren und er kam mit der Idee daher, ich sollte mich doch auf den Weg dorthin machen, wenn Brasilien nichts für mich sei.

Dieses Projekt nahm ich auch sogleich in Angriff, doch es würde mehr Geld kosten, als das Haus einbrachte. Die Mieteinnahmen, die ohnehin nur unregelmäßig kamen, wenn überhaupt, reichten da bei Weitem nicht. Ich brauchte einen finanzkräftigen Beifahrer, möglichst zwei davon. Abstriche zu machen, was deren Qualität angeht, ist in einem solchen Falle unumgänglich.

Reiseberichte.com

Einige Wochen nach meiner Rückkehr aus Feuerland kam Benno auf jährlichen Besuch. Auch mein alter Herr kam aus Deutschland und brachte einen neuen LapTop. Wir fuhren nach Rio, um meinen Onkel zu besuchen, irgendwann im März und ich nahm die Fahrt in dieses Drecksloch als Gelegenheit, einen Onlinebericht zu verfassen. Ich lieh mir die Canon Digitalcamera von Carlos aus und wir zogen los. Es klappte eigentlich ganz gut, allerdings überlebte der LapTop nicht sehr lange. Amerikanisches Fabrikat - die checken es einfach nicht. Das war LapTop Nummro zwei, der vor die Hunde ging. Der erste wurde überfahren, der zweite starb einfach so. Nun war es wieder nichts mit Onlineberichten. Ich kann mich erinnern, daß ich damals in Rio am Hafen meinen Onkel anrief und ihm sagte, ich würde ihn einmal in Rio besuchen fahren, ich sei ja jetzt mit dem Auto da. Allerdings merkte ich sehr schnell, daß das Autofahren in Brasilien nicht sehr spaßig ist und es dauerte fast zwei Jahre, bis ich das hinbekam mit der Rio-Fahrt, das aber auch nur, weil mein Vater dort hin mußte.

Ich bereitete mich darauf vor, Brasilien endgültig zu verlassen. Aufbruch war angesagt, es sollte nach Mexiko gehen. Hier und da wurde einiges erledigt, mal zuviel, mal zu wenig. Ich brauchte noch ein Konto, damit ich von der Miete auch was habe, aber es ist nicht so leicht in Brasilien ein Konto zu eröffnen, wenn man nicht brasilianische Kasperlpapiere besitzt - Paß reicht da mitnichten. Ich versuchte es mehrmals, auch bei der Citi-Bank. Mein Vater ist bei der Citi-Bank in Deutschland und wir wollten ein Nebenkonto bei Citi in Brasilien eröffenen. Keine Chance. Es funktioniert einfach nichts, in diesem Affenstaat, es ist unglaublich. Kein Wunder, daß es hier so aussieht, wie es aussieht. Es scheint, sie wollen nicht, daß man sein Geld bei ihnen anlegt, sondern sie sind nur daran interessiert, es zu klauen. Ich dachte immer, Banken sind unkompliziert, aber nicht hier. Ich wollte ja gar keinen Kredit oder Ähnliches, einfach nur ein Konto. Das ist alles. Wieso klappt das nicht? Wieso müssen die um jede Kleinigkeit so ein Drama machen? Nicht einmal kann irgendwas normal ablaufen, immer gibt es irgendeine unsinnige Bestimmung, völlig für den Eimer. Ich ließ dann Eduardo ein Konto für mich aufmachen. Damit war die Sache auch erledigt und ich hatte genug Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, was an diesem Land im Falle einer Napalmbehandlung verschonenswert wäre. Die Flora in jedem Falle. Die Fauna nur unter Vorbehalten, denn noch ist nicht endgültig geklärt, ob die Brasilianer selbst dazugehören oder nicht.

Im Nachhinein hatte es sich als recht nützlich erwiesen, daß mir der Trottel an der Grenze bei der letzten Einreise zwei Stempel in den Paß gehauen hat. Ich hatte am 23. Januar drei Monate Aufenthalt bekommen, die waren längst um, denn wir hatten mittlerweile Juli. Ich besorgte mir den gleichen Kugelschreiber, den der Grenzer hatte, schrieb in den durchgestrichenen Stempel die Zahl 90 hinein und in den neuen Stempel die Zahl 180. Wenn mich einer fragen sollte, dann würde ich ihm erzählen, ich hätte 180 Tage haben wollen, und deswegen hat mir der Beamte, nachdem ich eine Gebühr entrichtet hätte, mit 180 Tage genehmigt, was bedeutet, daß ich bis zum Montag, 22. Juli ausgereist sein mußte. Sowas geht in diesen Ländern, ohne Probleme. Jeder Bulle hier weiß, daß nichts funktioniert und alles ein einziger Saustall ist. Man kann die Hände heben und sagen: "Schau mich nicht an, ich hab damit nichts zu tun, ist Euer Durcheinander..." Der 22. Juli stand nun schon vor der Tür. Ich hatte keinen Bock, alleine bis Lima zu fahren und Catarina*) meinte, er würde gerne mitkommen, wenn er das mit der Arbeit irgendwie geregelt bekäme. "Arbeiten? Was ist das? Wieso machst Du das?" "Halt doch's Maul..." "Naja, schau halt hin, daß Du 'nen Monat Urlaub bekommst, oder? Zeig ich Dir mal ein anständiges Land... Wir müssen am Freitag spätestens losfahren, ich muß am Montag außer Landes sein und wir brauchen zwei Tage bis zur Grenze in Foz."

Ich fuhr noch zu einem Reifenhändler, um zu schauen, ob er mir vielleicht doch 185R15 besorgen konnte. Er sah das Auto an und fragte, ob ich vorhätte, auf Expedition zu gehen. "Nein, nur nach Mexiko." Er erzählte, daß er einen verrückten kenne, der die Panamericana hochfahren will, aber mit einem Dreirad. "Heißt der Typ zufällig Dalton und wird von allen Catarina genannt?" "Kennst Du ihn?", fragte er mich überrascht. "Der fährt mit mir ein Stück mit, aber nur einen Monat. Mit dem Dreirad fährt er wann anders..." Außerdem gibt es nicht viele Brasilianer, die das machen würden. Jedenfalls habe ich da draußen noch nie einen getroffen.

Er bekam es hin mit dem Monat Urlaub am Mittwochanbend bekam ich einen Anruf und er erklärte mir, daß er am Freitag seinen letzten Arbeitstag hätte. Danach könnte es losgehen. Er war rechtzeitig fertig, und wie immer wartete alles auf mich. Es war nicht nur das ablaufende selbstverlängerte Visum, sondern auch die Tatsache, daß Gabi**) am 5. August in Lima landen würde, was zur Eile drängte. Nachdem ich am Montagabend immer noch in Campinas saß, recht unmotiviert, dachte ich mir, daß es jetzt eh schon wurscht wäre. Doch je mehr ich hier die Zeit vertrödelte, desto mehr würden wir auf der Fahrt nach Lima hetzen müssen. Jedes mal, wenn ich abends bei Edú einlief kam die Frage: "Ich denke, Du bist längst in Mexiko!?" "Fresse! Morgen fahr ich los..." "Und wenn nicht morgen, dann übermorgen, aber ganz sicher, stimmt's?" Sein alter Herr fand das gut. "Nur nichts überstürzen, Du bist seit ein paar Jahren im Urlaub. Wenn jemand fragt, wann Du fährst, sag einfach "Morgen vielleicht nicht..."

So tröpfelten die Tage dahin, irgendwie war es wieder so, wie damals in Augsburg. Einerseits lockte die weite Ferne, andererseits mußte ich mein lockeres Luderleben aufgeben. Hier in Brasilien ging es mir nicht schlecht, wenn ich mich nicht dazu bringen kann, von dem Land an sich irgendwie angetan zu sein, nicht mal mit Gewalt schaffe ich das. Es ist und bleibt ein Drecksland. Ekelhaft. Widerlich. Aber jetzt, wo alles schon langsam der Vergangenheit anzugehöen begann, war es doch keine schlechte Zeit gewesen. Immer satt zu Essen, Internet, Diesel, alles da, was der Mensch zum Leben braucht. Keine Termine, keine Verpflichtungen, kein sonnloses Aufstehen vor der Zeit. Das war jetzt vorerst rum und ich war gerade wieder dabei, mich Hals über Kopf in eine Fahrt mit ungewissem Ausgang zu stürzen. Ich wußte nicht, ob ich je in Mexiko ankommen würde, daher tauschte ich auch für unbestimmte Zeit meine schöne Nullacht gegen eine banale 38er ein. Wenn die weg sein sollte, wäre es nicht schade drum, aber die Nullacht sollte nicht irgendwo in Lateinamerika enden. Man weiß nie.

Es kam natürlich, wie es kommen mußte: Zwei Jahre war ich hier auf dem Kontinent, voller Pläne und Vorsätzen. Eigentlich wollte ich das Haus in Ordnung bringen, wollte die Wände streichen, wollte... wollte... wollte... In der Praxis sah es aber so aus: "Verschiebe stets auf morgen, was Du heute sollst besorgen." Das ist meine ganz persönliche Lebenslüge. Aber ich bin ganz zufrieden damit.
Jedenfalls sah es so aus, daß buchstäblich alles was zu erledigen war auf den letzten Tag aufgeschoben wurde. Am Vortag hatte ich noch 45.000 Liter Wasser herbestellt und in den Pool kippen lassen. Nach einer Nacht war er wieder leer. Nun wußte ich wenigstens ganz sicher, daß der Pool ein Leck hat und ich wußte sogar wo. Diese Erkenntnis hätte mich sicher vor einiger Zeit weitergebracht, aber einen Tag vor der Abfahrt ist das nur noch als klassisch nutzloses Wissen zu bezeichnen.

Ich hatte es auch noch geschafft, einen Maurer herzubestellen, der die Einfahrt in Ordnung bringen sollte, aber das war's auch schon. Arbeiten hab ich ihn nie gesehen, er wollte erst einen Tag nach meiner Abfahrt vorbeikommen. Es blieb alles angefangen liegen und die liebe Ingrid darf sich darum kümmern. So wird aber wenigstens irgendwann etwas daraus...

Bevor mein alter Herr nach Deutschland zurückflog, ließ er mir ein wenig Fahrgeld da für die Fahrt nach Mexiko. Der Plan stand. Ich stand mit Eikka elektronisch in Verbindung.Des weiteren schaffte ich es auch noch, bei eBay einen LapTop zu erstehen, sponsored by Daddy. Den sollte die Gabi mitbringen, wenn sie nach Lima kommt. Ich rief bei meiner Schwester an und sagte, sie solle dem Typen das Geld überweisen, damit das Teil auch ja noch rechtzeitig eintrifft, denn viel Zeit war nicht mehr, das Flugzeug ging am 4. August, es war keine 10 Tage mehr hin, aber es konnte diesbezüglich nicht mehr viel schiefgehen.

 *) Catarina ist sein Spitzname, weil er aus Santa Catarina kommt. Sein Richtiger Name ist Dalton Oliveira.
**) Es sei im Vorfeld erwähnt, daß ich bei diesem Bericht an vielen Stellen mit meiner damaligen, für eine derartige Tour völlig ungeeigneten Beifahrerin vielleicht sogar oft Unrecht tue - wie ich halt in jedem meiner Berichte irgendwem Unrecht tue. Das ist einer der Hauptgründe, warum zwischen der Fahrt und der Veröffentlichung fast sechs Jahre verstrichen. Doch wird aus Prinzip kein Bericht im nachhinein geändert. Revidierte Meinungen finden in jüngeren Berichten ihren Platz. Stellungnahmen von Betroffenen werden auf der Startseite des Berichtes ungekürzt veröffentlicht.

 

 

 

Dalton Oliviera (Catarina) Navigator bis Ende August
Gabi Z. L. Ersatznavigator bis Mitte Oktober
Markus Besold Kraftfahrer

 

Kilometerstand bei Abfahrt: 737.479 km
Juli
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag
        26 27 28
29 30 31        

 

August
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag
      01 02 03 04
05 06 07 08 09 10 11
12 13 14 15 16 17 18
19 20 21 22 23 24 25
26 27 28 29 30 31  

 

September
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag
            01
02 03 04 05 06 07 08
09 10 11 12 13 14 15
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29
30            

 

Oktober
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag
  01 02 03 04 05 06
07 08 09 10 11 12 13
14 15 16 17

 


Reiseberichte Zum Anfang Erster Fahrtag

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold