7. bis 13. Dezember 2003

Es ist schon länger her, da fuhr mir eine seltsame Erscheinung über den Weg. In Kalifornien ist, soweit mir bekannt, nur das hintere Kennzeichen verbindlich. Was man sich vorne hinhängt, hinmalt oder ob man überhaupt etwas an der Stoßstange hat, das bleibt jedem selber überlassen. Als ich den Santa Monica entlangfuhr fiel mein Blick auf ein deutsches Kennzeichen.

Am Santa Monica am 3. Oktober

Mit dem Kürzel HK konnte ich allerdings nichts anfangen, denn das scheint es nicht zu geben. Zumindest ist unter www.deutsche-autokennzeichen.de nichts verzeichnet. Ich schreibe das nur, weil mir mein vorderes Kennzeichen in dieser Woche verlorenging. Ich weiß auch, woran es lag: Das Auto fährt seit Jahren wieder Höchstgeschwindigkeit, es schwebt vor sich hin, "als ob ein Englein schiebt". Und der Kennzeichenhalter hat den Fahrtwind nicht mehr ausgehalten und das Schild liegt nun irgendwo zwischen Calabasas und Downtown auf einem Freeway. Die Suche blieb erfolglos. All die Jahre auf den Schlaglochpisten überlebt und hier, auf bestem Belag vor die Hunde zu gehen ist natürlich, das man nicht einmal einem Kennzeichen wünschen mag. Nun mußte Ersatz her und das versprach wieder ein klassischer Griff ins Klo zu werden. Deutsche Behörden, diese Pest. Wenigstens konnte ich nicht persönlich hin. Ich schrieb ein eMail an Almut. Erstens weil sie zu besuch kommt und zweitens, weil sie der Inbegriff der Zuverlässigkeit ist. Sofort am nächsten Tag kam ihre Antwort: "Ich war gestern an der Kennzeichenprägestelle, und es stellte sich genau das heraus, was ich mir vorab schon gedacht hatte. So einfach bekommt man das nicht. Was ich hätte bekommen können wäre ein Kennzeichen mit einem fetten P für Parkplatz auf der linken Seite - oder aber ein sog. fun Kennzeichen. Du hättest wählen können zwischen den Farben Rot, Grün und Blau. Oder aber Regenbogen." Das war mir auch klar, denn als ich in Deutschland war, wollte ich ein paar Ersatzkennzeichen besorgen, für alle Fälle. Nur drei Buchstaben, einen Strich und drei Zahlen. "Geht nicht." Ich wollte keine Stempel, keine Zulassung, nichts, nur einfache Kennzeichen mit A-AA 697. "Geht nicht." Ich probierte es mit der Ausrede, daß ich einen Fahrradträger hätte, der das Kennzeichen verdeckt, aber auch das half nicht. Und damit, daß das Auto schon seit Jahren im Ausland ist - "geht nicht". Ich dachte, das wäre eine bayerische Krankheit, aber die Behörden in ganz Deutschland sind gleich blöd, da kann man wohl nichts machen. Zumindest nicht auf dem Dienstweg.
Aber man ist ja in Amerika und das erste, was man hier ganz schnell vergißt ist die Wortkombination "geht nicht", denn das ist Blödsinn. Und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten fand ich auch meine Kennzeichen. Man bekommt hier deutsche Kennzeichen, mit Stempel, ohne Stempel, alte Kennzeichen, neue Kennzeichen, wie man es möchte und das für lächerliche 20 Dollar. Man darf sie sich soger aufs Auto machen - vorne. Here we go. Wer also Lust auf deutsche Kennzeichen hat, kann sie jederzeit in den USA bestellen. Und falls man mir nachweist, daß damit in Deutschland Unfug getrieben werden soll, dann liefere ich sie gerne frei Haus, um der Schlampenwirtschaft da drüben zu helfen, die Spassetteln einzustellen.
Die Zeit läuft davon, ich mußte diese Woche die Sache etwas ruhiger angehen lassen, was die Schuttlerei angeht. Die Papiere müssen auf den Weg gebracht werden, das geht nicht, wenn man wie ein Kranker am Malochen ist. Automatisch heißt das, daß das Guthaben auf dem Konto weniger wird, besonders dann, wenn man die nicht nutzbare Zeit in der Wirtschaft verbringt. Seit langem sah ich mal wieder Rosi hinter der Theke, eine Bedienung, wie sie besser kaum sein könnte. Ideal für münchener Biergärten.

Das ist Rosi, ein münchener Original, wenn auch aus Stuttgart.

Man kommt am Nachmittag in die Schenk' und man wird mit einem herzerfrischenden "Mei, Du schaust schon wieder aus wie ein Depp" begrüßt. Immer laut und schrill, aber münchnerisch angenehm. "Was willst denn Du schon wieder hier?" Das ist genau der Ton, den ich liebe. "Ich wohn hier, mir geht's auch gut, danke der Nachfrage. Was gibt's denn zum Fressen?", fragt man - immer höflich. "Hier wird ned gefressen, hier wird gegessen."
"Ich kann doch mit meinem Essen machen, was ich will. Aber egal... tu mal eins her."
"Ein was?"
"Ein Essen, halt..."
"Was willste denn haben?"
"Weiber, warum seid ihr immer so furchtbar kompliziert? Bring mir halt einfach ein Viel für wenig Geld... was gibt's denn?"
"Steht in der Karte, brauchst bloß reinschauen."
"Wie lang arbeitest Du schon hier?"
"Da liegen die Karten!!!" Man blättert in der Karte, während sie sich laut mit anderen Gästen unterhält. Wenn man die Lautstärke hochschrauben will, sagt man: "He, Resi!" Und schon ist es noch eine Stufe lauter im Laden: "Quatsch mir doch Du ned jedes mal dazwischen, wenn ich grad red'. Was willst denn?"
"Hm... jetzt hab ich's vergessen. Red' weiter, ich studier' noch die Karte." Dann wartet man ruhig ab, bis das Gespräch zwischen ihr und dem anderen Gast wieder in vollem Gange ist und sagt: "He, Resi!"
"Ich heiß ned Resi und jetzt quatschst mir schon wieder dazwischen. Was willste denn?"
"Ich wollt bloß fragen, ob ihr ein Wiener Schnitzel habt."
"Wir haben nur das, was in der Karte steht, kannst ned lesen?" Dann sucht man in der Karte das Wiener Schnitzel, das es natürlich nicht gibt, aber die Suche dauert ja nur so lange, bis sie den Faden wieder aufgenommen hat und gerade eifrig am erzählen ist. "Resili, ich will ja nicht dazwischenquatschen, aber..." Dann dreht sie sich her und brüllt, daß man es bis Aubing hört: "Wenn Du noch einmal dazwischenquatschst, sen I slap you in se face. I mean it!!! Was willst denn??"
"Ich wollt' nur fragen, ob ich endlich bestellen kann, oder soll ich Dir was bringen..?" Die Antwort, mit sich überschlagender Stimme: "Ja, was willst denn???? Dann bestell halt, sag halt, was't willst und red' ned so'n Scheißdreck daher!!!"
"Ich glaub ich nehm das Wiener Schnitzel, bitte." Daraufhin ist die höchste Stufe der Lautstärke erreicht, allen Gästen platzen schier die Trommelfelle: "Wir haben kein Wiener Schnitzel! Ach, Du machst einen ja ganz verrückt! Geh heim!"
"Ich bin doch daheim..."
"Dann geh raus, verschwind', ich will Dich nicht sehen, Du machst mich wahnsinnig!" Nachdem man sich dann ausgelacht hat, drückt man ihr einen Riesenschmatzer auf die Wange, sagt artig "Dankeschön" und geht fröhlich grinsend zur Stube hinaus. Ab und zu braucht man das einfach, da fühlt man sich gleich wieder zehn Jahre jünger.


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