Es war Zeit für neue Reifen. Die alten taten es einfach nicht mehr. On Highland sah ich zufällig ein Plakat "4 neue Reifen für 99 Dollar". Klein darunter - typisch für Amerika - stand geschrieben "Nur bestimmte größen und Marken". War ja klar. Das ist etwas, was ich schon immer für typisch amerikanisch hielt und was sich auch zu bestätigen scheint. Nie ist das drin, was draufsteht. Großes Geschrei, um Kunden zu fangen und dann, kleingedruckt, die Wahrheit, die gar nicht mehr so spektakulär ist. AOL ist ein Provider, an dem man deutlich ersehen kann, wie der Laden hier läuft. In Deutschland würde man es Betrug nennen. Damit fängt man nun mal Idioten und zieht ihnen das Geld aus der Tasche. Ich ließ mich fangen. Alle drei Jahre kann man sich mal einen neuen Satz Reifen schon erlauben. Zwar war es um meine Finanzen nicht besonders gut bestellt, aber das Auto hat absolute Priorität, vor allem anderen, denn das ist meine zweite Haut und es ist der Garant dafür, daß nicht alles verloren ist, auch wenn in Amerika alles danebengehen sollte. Nicht, daß es dann besser würde, aber eine beschissene Situation mit Auto bekomme ich in den Griff, während eine mittelmäßige Situation ohne Auto ganz schnell zu einer Katastrophe werden muß.
Ein Satz neue Schuhe. Da wird einem gleich viel wärmer ums Herz. |
Selbstverständlich gab es Garantie und alles Mögliche darauf und
auf dem Hochweg gleitet der Daimler nunmehr dahin. "Es ist, als ob ein
Englein schiebt". Nigelnagelneue 205/70R15, Rund wie eine Schallplatte.
Kein zittern, kein Wackeln, kein Vibrieren, nichts, einfach nur ein sauberes
dahingleiten, das sollte nun für die nächsten 60.000 km halten und
da der Kilometerzähler sich hier nur zäh bewegt und die Straßen
sehr gut sind, räumte ich alle Bedenken beiseite.
Eines schönen Nachmittags saß ich an meinem ersten freien Tag seit
Monaten im Toten Löwen und schrieb an den Berichten, als der sogenannte
Wirt vorbeilief. "Ist das hier jetzt ein Office, oder was?" Ein typisch
deutscher Vollidiot, genau der Schlag, der einem das Dasein in Deustschland
zur Last macht. Man sitzt da, trinkt sein Bier, zahlt und wird dafür auch
noch angepöbelt. Daß ich es an dem Tag geschafft habe, dennoch 100
Dollar in dem Laden zu lassen, lag daran, daß gerade die richtige Bedienung
Dienst hatte, aber bei sowas schwillt mir der Kamm. "Wenn hier jeder mit
seinem Computer reinkommt, was dann?" Normalerweise sollte man antworten:
"Dann wird die Internetverbindung etwas langsamer", aber ich versuchte
es mit: "Umso besser, doch. Die verbrauchen dann alle Geld", aber
darum scheint es nicht zu gehen. "Gut", dachte ich mir, "dann
muß was geschehen damit hier möglichst jeder mit Computer reinläuft".
Erst dachte ich daran, ein Plakat zu basteln mit der Aufschrift "Free Hotspot"
und das so am Gebäude zu befestigen, daß es nicht mehr abnehmbar
ist, ohne erheblichen Schaden anzurichten, aber man brachte mich auf die Idee,
den Roten Löwen einfach als offiziellen Hotspot in verschiedene Verzeichnisse
einzutragen. Den Rest erledigt der Wireless-Router, den ich nebenan installiert
habe. Demnächst steht ein Besitzerwechsel im Toten Löwen vor, dann
steht der Bauer auf im Lande. Immer Ärger mit den Deutschen - furchtbar.
Die vorletzte Woche ist am Laufen. Letzte Vorbereitungen für den Abzug,
es muß sichergestellt werden, daß alle Steine für eine Rückkehr
aus dem Weg geräumt werden. Almut hat sich für den 22. Dezember angemeldet,
dann geht es hinauf in den Norden. Endlich "Winter in Kanada", diesmal
nicht ganz so Low-Budget-Mäßig, wie wir es aus unseren anderen Fahrten
gewohnt sind, aber viel Luxus wird es dennoch nicht geben - nicht, wenn Almut
an Bord ist. Das schon halb aufgegebene Projekt "Alaska 2003", scheint
zu neuem Leben erwacht zu sein, ganz von selber, still und heimlich. Die Zeit
ist zwar wieder knapp, aber diesmal sitzt nicht eine Gabi am Beifahrersitz,
sondern die alte, sturmerprobte Almut, der kein Hindernis zu hoch ist. Der Diesel
soll wieder rollen, durch russische Kälte, Regen und Eis, komme, was da
wolle.
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