Am morgen ging es als erstes zu Manuel in die Werft. Getriebeöl
und Bremsklötze wechseln. Damit wäre das Auto dann klar zum Auslaufen.
Es zog sich etwas hin. Ich rief bei Wolfgang an und meldete, daß es
wohl ein wenig dauern würde, er meinte, die Almut würde noch schlafen.
"Kann nicht sein, die schläft um die Uhrzeit nicht mehr, das ist
unmöglich - auch in Amerika." "Doch, die schläft noch."
"Dann geh mal hin und tupf sie an, denn wenn sie wirklich noch schläft,
dann ist sie bei der Nacht gestorben."
Während Manuel am Daimler hantierte mußte ich noch Weihnachstanrufe
in die Heimat tätigen. Das kostet mich 40 Dollar und das, wo ich finanziell
gerade wieder mal nicht sehr betucht bin. Aber es wird schon irgendwie gehen.
Muß ich eben an Wintersachen sparen.
Manuel und Gehilfe bei Arbeit. Die Getriebeöleinlaßschraube klemmte, aber Brachisle GEwalt in Kombination mit Erfahrung löste die Schraube und damit auch das Problem. |
Als es an die Bremsklötze ging, meinte er, der Kolben sitze
fest. Diesmal am rechten Rad außen. Er probierte es mehrmals, dann meinte
er "Geht nicht." "Wie lange bist Du schon in diesem Land?"
"Schon sehr lange." "Und da glaubst Du diesen Schmarrn immer
noch? Man merkt, daß Du bei einem Deutschen gelernt hast. geht nicht
gibt's nicht. Ich muß mit der Karre bis da rauf nach Alaska und die
Bremsbeläge sind so dünn wie eine Briefmarke, also müssen sie
raus." "Aber da kann was kaputtgehen." "Wenn die Bremsbeläge
nicht rausgehen, dann ist bereits irgendwas kaputt, und was schon kaputt
ist, kann man nicht mehr kaputt machen. Und was suf jeden Fall nicht kaputtgeht
ist mein american dream. Nicht hier. Nicht jetzt, also raus mit dem Scheiß,
mir wurscht, wie, und wenn wir mit der Planierraupe an die Dame ranmüssen".
Ich schlug den Schraubenzieher zwischen Scheibe und Belag, zog daran wie ein
Berserker, dann setzte ich das Brecheisen in die entstandene Bresche schlug
es rein und ließ die Hebelgesetze Walten. Er ging mit dem Schraubenzieher
von vorne an den Klotz und der Kolben gab als der Klügere nach und bewegte
sich zurück. "Geht nicht?" Ich ging eine Rauchen, kurz darauf
meldete mir Manuel: "Bremsbeläge ersetzt". "Gut, Manni,
gut, gut..."
Danach ging es zurück nach Hollywood. Kein Anruf von Wolfgang, was mir
sagte, daß die Nummernschilder immer noch nicht angekommen sind. Ich
fuhr hin, fragte nach und es kam die Bestätigung. "Kannst ja mal
im Briefkasten nachsehen." Nicht war drin, ich holte einen kleinen Zettel
heraus, den ich für Werbung hielt und wegwerfen wollte, aber ein näherer
Blick ergab, daß es sich um eine Benachrichtigung handelte. Nichts wie
hin zur Hauptpost, bevor die zumachen. Ich ging zum Schlater und bat um die
Herausgabe, aber er kam mit leeren Händen zurück und meinte, daß
die Lieferung noch unterwegs sei. "Wann läuft der Fahrer ein?"
"Am Abend, da haben wir schon zu. Da müssen Sie bis morgen warten."
"Forget it, boy, ich brauch das Zeug und es hätte eigentlich schon
gestern geliefert werden müssen. Wo ist der Fahrer?" Wo er genau
war, das wußte er nicht, aber er gab mir einen Plan des Zustellbereiches.
"Ist eine kleine schwarze Frau mit krausigen Haaren." Super Beschreibung,
denn die einzige schwarze Frau mit glatten Haaren, die ich kenne heißt
Michael Jackson, und selbst da ist "schwarz" übertrieben. Ich
fuhr los, alle Straßen, die nach Highland gelistet waren, nacheinander.
Auf Orange Drive fand ich ein Postauto, allerdings von der Fahrerin keine
Spur. Ich ging auf Beobachtungsposten auf die gegenüberliegende Straßenseite.
Nach einer halben Stunde tat sich was. Ich stürmte auf das Auto zu und
vor mir stand eine Frau, etwa mitte fünfzig und von einer fröhlichen
Laune, wie ich sie schon seit Jahren nicht mehr kannte. Das muß wohhl
im Blut liegen. Ich bat um die Herausgabe der Lieferung. Ausweis wollte sie
erst sehen, dann doch nicht, dann entschuldigte sie sich tausend mal dafür,
daß die Klingel am Haus kaputt war und ich hatte meine Schilder. Nette
Briefträgerin, wäre nicht schlecht, wenn es solche auch in Deutschland
gäbe.
Vorne kam ein neuer Halter drauf, den mir Chris netterweise geschenkt hatte,
das originale Heckschild nahm ich ab und ersetzte es durch eines der neuen,
ohne die Stempel. Sieht etwas seltsam aus, aber die Stempel werden sich schon
irgendwie "organisieren" lassen. Als ich gerade dabei war, das hintere
Schil zu montieren, hörte ich eine Sirene kurz aufheulen. Ich lugte hinter
dem Auto hervor, und in etwa 50 Metern entfernung stand eine Streife. Als
er mich sah, gab er mir ein Zeichen, näherzutreten. Ich ging hin und
wußte schon gleich, was wieder los war. "Guten morgen, Sir, die
Kanister sind leer, meine Papiere liegen im Kofferraum, der ist offen, bitte,
sich zu vergewissern, aber bitte nicht wieder die Highland sperren..."
"Wieder?" "Ja, ich hatte das neulich schon, Entschärfungskommando,
Polizei, Hubschrauber, eine gesperrte Highland, volles Programm..." Ich
erzählte ihnen die Geschichte und sie gaben durch, den Notruf zu streichen,
sprich, die heraneilenden Einheiten zurückzupfeiffen. "Was ist sonst
noch im Auto?" "Ein rechter Verhau, aber nichts Gefährliches.
Ich machte alle Kanister auf, zeigte ihnen meine Papiere, erklärte wieder
einmal, warum ich keine amerikanischen Kennzeichen bekommen kann. Mittlerweile
waren noch zwei weitere Streifen angerückt. "Kannst Du Dich damals
an den Zwischenfall mit Officer Ward erinnern? Das war er." "Du
warst das?", fragt er mich lachend. Ich zuckte hilflos mit den Schultern.
Kein einziger Kanister wurde inpiziert. "Ich glaube, wir müssen
das einfach mal veröffentlichen, daß in den Kanistern nichts drin
ist. Aber warum nimmst Du sie nicht einfach runter?" "Sir, das hab
ich getan, aber vorgestern hab ich sie wieder aufgeschnallt, es geht wieder
weiter hinauf in den Norden. Man weiß nie, wann man das Zeug braucht,
besser hat man es dabei." Allgemeine Zustimmung. Einer der Polizisten
konnte ein Bißchen Deutsch. Ich fragte nach, ob ich denn ein Bild machen
dürfte. "Wie? Von uns? Wieso? Klar doch, soll ich das Bild machen?"
Keine Spur von der Wichtigmacherei, wie in all den anderen Ländern, einschließlich
Deutschland. ("Wenn sie wollen, daß wir die Kamera beschlagnahmen,
können Sie ruhig ein Bild machen." - Polizeioberschlaumeier Sowieso
an der A95 hinter Garmisch.)
Ungewohnt war nur, daß ein Polizist freundlich ist und trotzdem Deutsch
redete.
Die Jungs vom LAPD. Und vorne das neue Kennzeichen, welches in Deutschland partout nicht zu kriegen war. "Geht nicht". Geht eben doch alles, oder zumindest viel mehr, wenn man einfach nur das Leben etwas lockerer sieht und sinnlose Vorschriften sinnlos sein läßt. |
Schiff klar zum Auslaufen, was nicht klar was, war wie immer die Hälfte der Besatzung, genaugenommen ich, denn Almut ist allzeit bereit. Wieder wurde es nichts mit dem Kino und ohne Kino keine Abfahrt. Den Heiligen Abend verbrachten wir mit Beth und Wolfgang bei Paella zu Kerzenlicht. Wieso wir nicht morgen früh fahren wollten? "Ich muß erst ins Kino, zum Teufel! Und ich kommte nicht, weil keine Almut da war." "Du hättest doch auch alleine gehen können." "So ein Quatsch. Alleine hätte ich das letzte halbe Jahr ins Kino gehen können..." Aber so, wie man nicht ohne Waffe in die Schlacht oder ohne Auto auf den Highway geht, gehe ich nicht ohne Frau ins Kino, was ist daran unverstänlich? Ich habe mal zusammen mit Benno am augsburger Bahnhof einen getroffen, der gemeint hat, ohne Auto auf die Autobahn gehen zu müssen. Er kam gerade aus Dießen oder Gießen am Ammersee von einer Entziehungskur und fragte nach Geld für den Zug nach Bielefeld. Bekam natürlich keines und zur Autobahn fuhr ich ihn auch nicht. Am nächsten Tag rief mich Benno an und fragte, ob ich die Zeitung schon gelesen hätte. Da stand drin, daß man den Typen an der A8 gefunden hätte - zumindest die meisten Teile von ihm, denn ein paar Stücke würden noch fehlen. Er wollte schinbar zu Fuß eine Frau oder einen Laster überholen und bezutzte dazu, wie es die Vorschrift verlangt, die überholspur Spur, statt dem Verstand zu folgen und entweder ein Auto nehmen oder den Standstreifen zum Überholen zu benutzen. Ein 124er kam angeschossen mit 200 Sachen und da war's natürlich um den Bruder geschehen. Anhand der Sporttasche, die 300 Meter vom Unfallort gefunden wurde, hat man ihn dann identifiziert als einen 23-jährigen, der von einer Kur am Ammersee nach Gießen zurück unterwegs war. Auto mitnehmen, dann hat man bessere Überlebenschancen.
Vorige Woche | Zum Anfang | Nächster Tag |