Alaska 2003
Dienstag, 30. Dezember 2003

In der Nacht blieb es trocken, erst in der Früh setzte leichter Schneefall ein. Ich stand auf, Almut hatte ihren Frühsport schon hinter sich. Wir packten zusammen und fuhren los. Wir waren nun in Kanada. Sehr angenehm, wenn man wieder in Kilometern, Metern, Celsius usw. denkt und nicht dauernd von Schwachsinn auf Sinvoll umrechnen muß. Und ich war rechtzeitig ausgereist, bleibt nur zu hoffen, daß der kanadische Officer keinen Fehler macht. Aber er sah schon recht vertrauenswürdig aus, was ich auf seine blauen Auge zurückführe.
Ich bastelte ein Stück Karton so um, daß es sich gut vor dem Kühler platzieren ließ. Der alte Norwegenfahrertrick. Damit ließ sich die Temperatur über 80 Grad halten.

Trüb scheint die Sonne, fertiggemacht!
Wer weiß, ob sie morgen für uns auch noch lacht...

Der Vorglühvorgang dauerte etwas länger als sonst, und der Motor sprang nicht wie gewohnt schon gleich bei der ersten Umdrehung an, sondern benötigte ein paar davon. Nun war es bald soweit, daß er durchlaufen mußte. Ich freute mich darauf, das hatten wir erst einmal, in Benghasi, als es so schwül war und ich die Klima brauchte. Nun war es die Heizung und diesmal nicht zum Spaß, wie damals, sondern diesmal wird es notwendig sein.
Aber noch waren wir nicht so weit, es ging weiter durch zwar winterliche Verhälnisse, aber es war nichts anderes als was man aus der Heimat kennt. Glatt waren die Straßen auch nicht. Die nächste größere Stadt, die wir anliefen war Prince George. Und die war an einem Tag gar nicht zu erreichen, liegt bereits irgendwo in der Pampa.
In einem Kaff Namens Hope aßen wir, wie ausgemacht Pfannenkuchen. Ich bekam noch einen Anruf von Frank. "Wieviel kostet denn der Diesel?" "Zwischen 60 und 70 kanadische Cents." "Mann, das ist ja gut, sehr billig." "He... der Liter, nicht die Gallone, hier sind die Leut' normal." "Achso, stimmt, ja, nee, dann vergiß es." Ganz schön teuer."

Danach fuhren wir los in Richtung Norden. Graues Wetter, durchgehend Schneefall, die Straßen blieben aber gut befahrbar, vereist waren sie nie. "Ach, Mann, keine Rutschpartie..." "Das kommt schon noch früh genug", meinte Almut dazu. Es wurde gefahren, die ganze Zeit, wir fuhren und fuhren durch eine immer weißer werdende Landschaft. Um dreiviertel Sechs - es war schon lange dunkel - wurden beim SaveWay die Vorräte ergänzt. Weiter ging es durch Nacht und Schnee und es war ein recht lustiges Fahren und zwar genau bis zu dem Zeitpunkt, als etwa zweihundert Meter vor uns auf einer Hügelkuppe etwas blinkte und vor uns einer bremste. Bis dahin war alles noch normal, erst als ich auf die Bremse stieg und das Auto mit unverminderter Geschwindigkeit weiterrutschte, stieg meine Herzfrequenz etwas an. Eigentlich war es ja zu erwarten gewesen, daß es irgendwann glatt würde, aber die Straße sah trocken aus. Ich kam noch rechtzeitig zum Stillstand und passierte den Unfallort. Vier Autos waren insgesamt darin verwickelt, von denen aber die Hälfte im Straßengraben lag. Der Pannendienst war schon da, das beste, was wir tun konnte, war möglichst schnell zu verschwinden. Und etwas mehr Vorsicht war von nun an angesagt, vor allem in Kurven.

Und bald konnten wir auch erkennen, daß es glatt war, denn die Fahrbahn war gänzlich weiß geworden, wie die umherliegende Landschaft. Wir passierten Prince George, machten noch einen kleinen Ausflug, den wir der kanadischen "Beschilderung" zu verdanken hatten und blieben, nachdem wir auf die richtige Straße zurückgefunden hatten, um dreiviertel Eins als einziges Auto an einer Raststätte über Nacht. Mittlerweile war es richtig kalt geworden, nun ging es los, der kanadische Winter began zu zeigen, was er kann. Die Raststätte war nicht geräumt, der Schnee reichte bis zu den Knöcheln. Ein Thermometer hatten wir keines, aber einen Vergleich zum letzten Rastplatz. Es schneite immer noch, daher kam wieder die Plane zum Einsatz. Das Auto wurde so postiert, daß es mit der rechten Flanke in etwa einem Meter Abstand zu einer Schneewand stand. Die Plane wurde an den Sandblechen befestigt und hinübergezogen, so daß wir nicht zugeschneit werden konnten in der Nacht. und sie gleichzeitig eine Unterlage bot. Darauf kamen die Isomatten, eine der Decken, darauf wieder Isomatten, die nächste Decke, die zwei Schlafsäcke nebeneinander, Almut nahm freiwillig den Afrika-Schlafsack plus meinen Lodenmantel darüber und über das Ganze kam die zweite Decke. Der Schnee war eine recht sanfte Unterlage für die ganze Geschichte. Es schlief sich recht gemütlich und vor allem warm.

Vorboten dessen, was uns noch erwartete.

Und nun wurde das praktiziert, was ich schon in einigen Reportagen über Fernfahrer in Rußland oder Alaska gehört hatte: Der Motor blieb an. "Stört es Dich, wenn der Motor laufen bleibt?" "Nö, ich höre ihn sehr gerne", sagte Almut und zeigte allein mit diesem Satz, was sie als Beifahrer wert ist. Das ist ein völlig anderer Schlag als eine Gabi, die immer darauf bestand, daß der Motor unbedingt ausgeschaltet werden mußte. Solange der Motor läuft, kann uns nicht viel passieren. In den USA hatten wir noch die Kanister gefüllt. Für alle Fälle. Das Wir legten uns direkt neben den laufenden Diesel und ließen und von ihm in goldne Träume wiegen. In dieser kalten unwirtlichen Landschaft ist diese warme Melodie Gold wert, aber dafür haben nicht viele Menschen Verständnis, die noch nie in der Situation waren, daß alles davon abhängt, ob der Motor läuft oder nicht. Almut und ich waren in dieser Situation schon gewesen - auch wenn wir uns bewußt in die Situation gebracht hatten - nämlich damals in Libyen. In so einer Situation war in mit Gabi nie und ich möchte diese Situation mit ihr auch nie erleben, denn da sind gute Beifahrer das A und O und das letzte was man da dann brauchen kann sind irgendwelche unsinnigen Hinweise auf Umweltverschmutzung und ohne zu berücksichtigen, daß die Leute, von denen diese Vorwürfe kommen, weitaus mehr Müll produzieren als unsereins, allein durch die Anzahl der Konsumgüter, die "benötigt" werden, um ein normales Spießerleben zu führen. Das wird durch eine ASU-Plakette nicht besser, denn auch wenn dieser Müll fachgerecht entsorgt wird, er ist und bleibt nun mal da. Dem Umweltschutz zuliebe darauf zu verzichten irgendwohin zu reisen ist in meinen Augen absoluter Blödsinn. Ich habe noch lange zu Dieseln, bis ich soviel Dreck in die Luft blase, wie ein Touribomber, der nach Mallorca abhebt.


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© by Markus Besold