Nun
hieß es wieder mal Abschiednehmen von meinem teuren Schatz. Sehr unangenehm
ist das, aber ich mußte einfach weiter. Wenn es mir in Zürich auch
noch so gut gefällt, es half alles nichts. "Es muß geschieden
sein", das Flugzeug wartet nicht. Ich hatte den Abflugtermin in einem Anflug
von Tatendrang gebucht, sonst wäre ich wohl die nächsten Jahre in
Europa geblieben. Das kann ich meinem geliebten Daimler nicht antun. Der steht
seit einem halben Jahr in der schwülen Hitze der Karibik und wartet. Wieder
fehlte die freudige Aufbruchsstimmung, die mich früher immer ergriff, wenn
es hinausging. Der Apetit kommt mit dem Essen. Wurde Zeit, daß es wieder
hinausging. Ich hatte in Deutschland Gelegenheit, mir meine Reisekasse etwas
aufzufüllen, das eine oder andere zu erledigen. Gut, Krankenversicherung
habe ich immer noch keine, aber das hatte ich zeitlich nicht mehr geschafft,
doch das Wichtige schien erledigt.
In aller Herrgottsfrühe ging es zum Flughafen, das Gepäck hatten wir
schon am Vortag aufgegeben. Der Flug ging um 8:00 Uhr, wir kamen um kurz nach
Sieben an, obwohl uns gesagt wurde, daß wir schon um halb Sieben bei der
Paßkontrolle hätten sein sollen. Immer diese Hetzerei am Flughafen.
Der Abschied war kurz.
"Der Schmerz wird vergehn und schön wird das Wiedersehn... Vor mir
die Welt, so treibt mich der Wind des Lebens, wein' nicht, mein Schatz, die
Tränen, die sind vergebens..."
So zieht man schweren Herzens dahin, einem ungewissen Schicksal entgegen. Das
nächste Wiedersehen wird Jahre auf sich warten lassen. Es hat einmal funktioniert,
es wird auch beim zweiten Mal klargehen. Doch des schwulen Gesülzes nun
endgültig genug. Heulen ist für Klageweiber...
Ich durchlief die Handgepäckkontrolle ohne Schwierigkeiten, ging zum Gate
und stellte fest, daß mir noch gute 30 Minuten blieben. Sofort auf dem
Absatz kehrgemacht und wollte die Schleuse in umgekehrter Richtung verlassen.
"Wo wollen Sie denn hin?" Ich sagte nichts, zeigte ihm nur den beringten
Finger. Er grinste und öffnete mir die Tür. Ich lief zurück,
immer da lang, wo die Aufschrift "Kein Ausgang" zu lesen war. Als
ich oben ankam, war sie schon weg. Schade. Also, wieder zurück, nochmal
durch die Handgepäckkontrolle, diesmal war sie etwas gründlicher,
ich mußte den Rucksack leeren. Danach war warten angesagt, bis wir ins
Flugzeug durften.
Es klappte alles reibungslos, zumindest kam es mir so vor, ich war mit meinen
Gedanken aber auch völlig woanders. Es ging an Bord, mein "Fensterplatz"
war zwar in der Fensterreihe, aber irgendwie hatten die hier das Fenster vergessen.
Da das Flugzeug aber sogut wie leer war, setzte ich mich einfach an ein freies
Fenster. Bald schon ging es los.
"Ein Lied auf den Lippen, den Schirm auf dem Rücken, so ziehen wir zum Start..." |
Der Flug verlief ereignislos, wir flogen ca. 850 km/h in 11.000 m Höhe
und hatten etwa -40°. Es war allerdings mein erster Transatlantikflug bei
Tag, mit ein wenig Glück konnte ich heute noch in Playa del Carmen etwas
erledigen. Wäre gut, denn ich wußte nicht, wo ich schlafen sollte.
Für ein Hotel war mein Geldbeutel nicht groß genug, gerade um diese
Jahreszeit. Ich hatte noch eine lange Reise vor mir, auch, wenn ich nicht wirklich
wußte, wo sie hingehen sollte. Keine schöne Vorstellung, mit einem
Berg Gepäck irgendwo in Mexiko auf der Straße zu übernachten.
Ich hatte mich nicht angemeldet, so wußte keiner, daß ich kommen
würde.
Aber im Moment war mir selbst das egal, ich versuchte, meinen Schlaf fortzusetzen.
Es war gestern noch ein wenig spät geworden, da ich mit Frau und Schwager
noch Abschied feiern mußte, "trinket aus und schenket ein, und laßt
uns alte Kameraden sein..." Vier Stunden Schlaf ist einfach zu wenig, da
fehlen glatte acht Stunden. Nur klappte das mit dem Schlafen nicht so, wie ich
mir das vorstellte. Erst kam das Frühstück. Ich schlang es in mich
hinein - wer weiß, wann es wieder etwas gibt... Aber bei der Fluglinie
Edelweiß schienen sie nicht so knauserig zu sein, wie bei Lauda-Air. Hier
kam der erbetene Nachschlag nicht erst am nächsten Tag.
Die Verpflegung hier war wirklich mehr als zufriedenstellend, kann gar nicht
klagen. Der einzige Vorteil bei Lauda-Air bestand darin, daß jeder seinen
eigenen Monitor hatte. Wir hatten eine Zwischenlandung
in Puerto Plata, Dominikanische Republik. Etwa zwei Stunden. Als wir wieder
an Bord gingen, war das Flugzeug voll von Heimkehrern. Noch zweieinhalb Stunden
Flug und wir landeten in Cancún. Es waren mehr Amis als Mexikaner unterwegs.
So kennt man sie. Sie fallen wie Heuschreckenschwärme über ein Gebiet
her, je nachdem, was gerade Mode ist, und werfen dort mit Dollars um sich. Sie
sind aber nicht unangenehm, das wäre falsch, meiner Meinung nach. Doch
alleine trifft man sie da draußen nie. Gut, ist leicht gesagt, ich würde
es mich auch nicht getrauen, wenn ich ein Amerikaner wäre. Wiederholt wurde
ich schon gewarnt, man müsse höllisch mit den Bullen in Mexiko aufpassen.
Wenn die Geld wollen, dann am besten gleich rausrücken, "otherwise
the beat the shit out of you". Man möchte ja nicht unhöflich
sein und antwortet darauf dann eben nicht, daß das nur Amerikanern passiere,
und wenn es zehnmal so ist. Was lieb ich meinen deutschen Paß, viele wissen
gar nicht, was der wert ist, er ist der beste Grenzöffner, besser noch,
als der schweizer Paß, denn die brauchen - ungerechter- und unverständlicherweise
- wesentlich mehr Visa als ihre nördlichen Nachbarn. Will man in die USA?
Kein Problem. Nach Afghanistan, Libanon, Irak? Auch kein Problem. Was will man
mehr?
Wohin man auch blickte, man sah und hörte nur Amerikaner. |
Es würde wohl schwierig werden, eine bezahlbare Unterkunft zu finden,
jetzt, wo die ganze Gegend von zahlungskräftigen Touristen überrant
wird. Auweh. Die Paßkontrolle verlief auch ohne Zwischenfälle. Es
hat niemand bemerkt, daß ich keinen mexikanischen Ausreisestempel im Paß
hatte - oder man wollte es nicht merken, denn nun hatte ich zwei Mexiko-Einreisestempel
auf der selben Seite, einen mit einem kleinen Auto und einen mit einem kleinen
Flugzeug. Sehr nett. Was fehlte, war eben ein Ausreisestempel. Mein Gepäck
stand schon bereit, ich nahm es auf, dann kam die Zollkontrolle. "Drukänn,
bittä", die Ampel leuchtete grün, ich durfte passieren, "dankä,
widdersenn". Nochmal gutgegangen, nicht auszudenken, was das für eine
Diskussion gegeben hätte, wenn die die 20 Kilo Autoersatzteile gefunden
hätten. Wieso die hier Deutsch sprachen? Keine Ahnung. Ich kaufte mit ein
Busticket nach Playa de Carmen. Er kam erst in einer Stunde. So stand ich dann
da in meiner schwarzen, fellgefütterten Lederjacke, in der sich alle Dokumente
befanden, die eigentlich in meine Knietaschen gehören. Nur hatte ich hier
noch meine europäische Bekleidung an und im Gepäck keinen Platz für
die Jacke.
Aber auch das ging vorbei, der klimatisierte Bus kam, eine gute Stunde später
stand ich wieder am Busterminal in Playa del Carmen. Ich ging hinaus und jeder
glotzte mich recht saublöd an. Fragten sich scheinbar, ob ich gerade aus
Sibirien kam oder wohl eher, ob ich nach Sibirien wollte und irrtümlich
hier gelandet sei. Als erstes ging ich zum Hotel Eclipse. Peter, ein Berliner,
Besitzer des Hotel Eclipse, war es, der mir damals im Oktober den Stellplatz
für das Auto besorgt hatte und bei dem ich das Gepäck unterstellen
durfte, als ich abflog. Nun stand ich wieder hier. Mittlerweile war es 18:00 Uhr geworden, mit dem Auto würde es wohl nichts mehr werden, heute. Als
Peter kam, rief er bei Bryan an und machte für den nächsten Mittag
einen Termin aus. Ein Zimmer hatte er nicht mehr und, selbst wenn, dann deutlich
über meinen Preisvorstellungen. Es war Osterwochenende, alles ausgebucht.
Und in der ganzen Gegend sah es nicht anders aus. Aber, er machte mir einen
Vorschlag: Ich könnte mich in die Rezeption legen und sollte in der Nacht
dafür einige Gäste hineinlassen. Das war ein Deal. Ich verbrachte
hier, hinter
der Rezeptionstheke, eine schöne, ruhige, mückenfreie Nacht, unterbrochen
nur, durch die Ankunft zweier Gäste. Wie Eines doch zum Andern findet und
zu einem Gewebe sich vereint. Man möchte es kaum glauben, noch vor einer
Stunde hatte ich mich damit abgefunden, samt meinem Gepäck einfach auf
der Straße zu schlafen.
Reiseberichte | Zum Anfang | Nächster Tag |