Morgens war es wieder wärmer geworden. Wir ließen uns Zeit mit dem Auschecken, bis die freundliche Dame von der Rezeption anrief und meinte, daß wir langsam mal ans Aufbrechen denken sollten. Wir fuhren los. Die Straße verzweigt sich in Tok, die 1 führt nach Anchorage, die 2 nach Fairbanks. Wir wollten nach Fairbanks, denn dort bei der sogenannten Delta Jungtion endet der Alaska Highway. Und es sind nur noch 111 Meilen, da wäre man bescheuert, abzudrehen.
Eiszapfen. Entstanden dadurch, daß der beim Ausflug in den Graben eingedrungene Schnee unter der Haube durch die Hitze des Motors zu schmelzen begann. |
Wir fuhren los auf eisglatter Straß. Solange es trocken ist, ist es auch nicht glatt, habe ich herausgefunden, die Glätte kommt mit der Feuchtigkeit. Wir fuhren um halb Zwei los, die Sonne war schon wieder dabei, sich zu verabschieden. Das letzte Stück auf dem Alaska Highway. Highway ist übertrieben, da er nur an wenigen ganz kurzen Stellen zwei Spuren in jede Richtung besitzt. Ist auch gar nicht nötig, denn Verkehr ist hier kaum. Dennoch wäre Alaska Road eine treffendere Bezeichnung, so wie das Pendant in Finnland auch nicht Arctic Highway, sondern eben Arctic Road heißt. Nach etwa anderthalb Stunden, nach Sonnenuntergang (der dauert hier einige Stunden) waren wir an der Delta Junction angelangt, die das Ende dieser Berühmten Straße markiert. Sie geht von Dawsons Creek in Kanada bis eben zu dieser Delta Junction. Am Ende steht dann ein Schild zu Lesen: "The End Of The Alaska Highway - Mile Post 1422. Now Entering The Richardson Highway - Mile Post 266" Daneben eine kleine Hütte mit Touri-Info, die aber natürlich jahreszeitbedingt geschlossen hatte. Irgendwie verständlich, wenn keine Touristen da sind, finde ich.
Am Ende des Alaska Highway angekommen. |
Aber wir standen hiermit nicht nur am Ende des Alaska-Highways, sondern auch am Ende der Panamericana. Nun hatte der Benz sie von Süd nach Nord befahren, von Feuerland bis Alaska. Nicht am Stück, sondern etappenweise, aber das stört nicht. Genau vor zwei Jahren, bei der Jahreswende 2001/2002, standen Almut und ich am südlichen Ende dieser langen Straße, deren Gesamtlänge sich nicht genau sagen läßt. Man findet zig verschiedene Angaben darüber, denn kaum einer ist nur die Strecke gefahren, ohne Abstecher hier und da und ohne sich zu verfahren. Hinzu kommt, daß die Strecke nicht von einem Ende zum anderen ausgeschildert ist. Am besten ist ihre Beschilderung in Chile, Peru und Kolumbien. Die ungefähre Gesamtlänge beläuft sich auf etwa 30.000 km, andere Quellen sprechen von 17.000, andere von 23.000, offizielle Angaben dazu fand ich nicht, ich lasse mich gerne berichtigen. Ich habe auch nicht daran gedacht, mir den Kilometerstand zu notieren. Der müßte ungefähr bei 782.350 km gestanden haben, unten in Feuerland stand er auf 715.185 km. Macht man die Rechnung kommt man auf 67.165 km, also ungefähr doppelt so viel, es macht keinen Sinn.
Danach fuhren wir weiter in Richtung Fairbanks. Wie meistens ging die Fahrt durch die Nacht. Sternenklar und wieder bitterkalt. In der Früh war es "warm" gewesen. Auch waren die Straßen schon lange nicht mehr glatt. Die Landschaft bot immerhin die Gelegenheit, einige schöne Bilder zu machen und Nordlicht bekamen wir auch zu sehen. Diesmal leuchtete es sogar ziemlich stark. Und die Aufnahmen waren trotz geringerer Belichtungszeit wesentlich besser als die letzten. "Übung macht den Meister", Schiller, Wilhelm Tell... Wäre auch eine schöne Außenaufnahme geworden, mit Daimler und Dieselwolke davor, aber leider war ich in dem Moment wirklich nicht in der Laune, mich aus dem kuschelig warmen Auto in diese Affenkälte da draußen zu begeben. Es reichte schon, daß ich das Fenster einen Spalt aufmachte.
Bizarre Wolkenformationen. | Polarlicht I | Polarlicht II |
Wir waren wieder in der Pampa, lange ging die Überlegung hin und her, ob Motel oder nicht. Die Entscheidung wurde uns abgenommen durch die Tatsache, daß gerade keines da war, als wir schlafen gehen wollten. Schätzungsweise muß es 25 grad Kälte gehabt haben. Wir stoppten an einer Rest Area genau gegenüber des Denali-Nationalparks, allein auf weiter Flur. Es würde wohl kaum in der Nacht regnen, soviel war sicher, also sparten wir uns das Dach. Erst die Plane, darauf dann die Isomatte, eine der Wolldecken in zusammengefaltetem Zustand, dazwischen zwei Isomatten, darauf dann die zweite, ausgebreitete Wolldecke, darauf die zwei Schlafsäcke, den Mantel darüber und über das Ganze die zweite Wolldecke umgeschlagen. Biwak in Alaska im Winter, das wollte ich schon immer mal machen. Als wir gerade gemütlich da lagen und es schön warm hatten fiel mir ein, daß wir vor einigen Tagen einen Wolf photographiert hatten. "Alte... Gibt's hier Bären?", fragte ich Almut. "Keine Ahnung. Angeblich schon." "Soll ich die Wumme rauskramen?" "Ich glaube nicht, daß wir schnell genug reagieren könnten. Wahrscheinlicher ist, daß wir Ärger mit den Bullen bekommen, wenn die hier aufkreuzen, denn anhalten werden sie sicher, wenn sie uns sehen." Ich weiß mich trefflich mit der Polizei, mit Meister Petz doch schlecht, mich abzufinden. "Mach, wie Du meinst." Ich überlegte und überlegte, dann sagte ich: "Wen es soll, erwischt's ja doch..." Almut stimmte mir zu: "Eben... also, gute Nacht." "Nacht." Ganz wohl zumute war mir nicht, aber es wird schon schiefgehen...
Eingehüllt in unzähligen Schlafsäcken, Decken, Mäntel, Isomatten und zu guter Letzt in einer schönen, hellgrauen und nach der großen weiten Welt duftenden Dieselwolke schliefen wir ein, neben unseren Köpfen sang der Diesel seine süße Einschlafmelodie, und erinnerte mich an meine Mutter, wie sie vor einem Vierteljahrhundert ihren Sohn in den Schlaf summte. Nur war der Sohn mittlerweile zumindest auf dem Papier erwachsen geworden und die Texte klangen ein wenig anders. "Hörst Du, Fahrer, den Klang der Motoren? Spürst Du des Motors stürmande Kraft?"
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