Den Tag starteten wir traditionsgemäß mit Cocatee. Die Reserveleuchte war über Nacht nicht ausgegangen, leuchtete immer noch vor sich hin. "Ja, es gibt gleich was..." Ich bestellte mein Sandwich, meinen Tee hatte ich, auch Almut war versorgt. Nun kam der Daimler an die Reihe. Ich fuhr an die Zapfsäule und ließ ihn mit Diesel vollaufen, bis er wieder zufrieden und rund vor sich hin taktete. Ich füllte auch noch einen Kanister. Reserve muß sein. Los kamen wir wieder erst gegen ein Uhr. Und wieder würden wir es mit den Kilometern nicht hinbekommen, soviel schien schon von Vornherein klar.
Für ein gemütliches Frühstück muß immer Zeit sein. |
Danach zahlten wir für alles, setzten uns ins Auto und
fuhren los. Abgesehen von ein paar Stops, um auch den allerletzten Karton
vor dem Kühler wegzunehmen, wurde das Auto nicht verlassen bis zum Abend,
gegen 21:00 Uhr, als wir erneut tanken mußten. Nicht, weil es leuchtete,
sondern weil man erfahrungsgemäß tanken soll, wenn man kann, nicht
wenn man muß. Der Tankwart muß höchstens 14 gewesen sein.
Blond, dick und Piepsstimme. "Vollmachen?", zwitscherte er mir forsch
entgegen. "Ja, bitte. Was ist das hier denn überhaupt? Weißt
Du, wie warm es ist?" "Um die Null Grad, Sir." Mein Gott, was
mag da wohl Schlimmes passiert sein? Null Grad, das ist doch pervers, man
braucht keinen Mantel, keine Handschuhe, wir kamen uns wieder vor wie an der
Karibik. Als meine Unmutsäußerungen dann doch zu laut und zu häufig
wurden, hörte mich Almut in Detroit schon wegen der Kälte fluchen.
Aber ist doch auch unmöglich. Da war es ja in Kalifornien kälter
gewesen. Ein Micky-Maus-Winter mitten in British Columbia, sowas ist schon
wirklich dazu geeignet, einem die Laune zu verderben.
An der Tankstelle bemerkte ich auch, daß wir eine Zeitzone überschritten
haben mußten, denn es war bereits zehn Uhr Nachts, statt neun, wie alle
Borduhren anzeigten. Das wurde umgestellt und es kostete uns eben eine Stunde,
aber das war erst die zweite Umstellung. Zwei weitere sollen noch folgen.
Kaum hatten wir die Tankstelle verlassen, waren gerade auf
Geschwindigkeit gekommen, steht ein Rentier am rechten Fahrbahnrand und macht
Anstalten, die Straße überqueren zu wollen. Ich hupte und bremste,
wobei das Schlittern über den Matsch mehr Krach machte als die Hupe.
Die tat keinen Pieps. Als das Tier zurückging und begann, neben der Fahrbahn
in unsere Fahrtrichtung zu laufen, stieg ich wieder aufs Gas, um es zu überholen.
Da stellte Almut fest: "Das hat es gerade fett auf die Schnauze gelassen."
Ich kapierte erst nicht, was sie meinte, es lief doch nach wie vor. Mein Blick
wanderte hinüber auf die linke Seite, wo Almut gerade hinsah. Da sah
ich, wie ein weiteres Rentier sich gerade wieder erhob. Muß wohl ausgerutscht
sein. Ich hatte es überhaupt nicht bemerkt, was wohl an den Scheinwerfern
des uns entgegenkommenden Fahrzeugs gelegen haben mag. Aber auch er sah es
wohl nicht, denn die nächste Meldung von Almut war: "Der hat es
hjetzt erwischt... oder? Ja. Er bremst." Etwa tausend Kilometer weiter
im Norden ist das RoadKill-Café, da soll er es hinbringen, dann kann
er es aufessen. Da erst bemerkte ich, daß ich das Fernlicht an gehabt
hatte, er war wohl geblendet. Naja, dem Auto wird es schon nichts gemacht
haben, er war nicht so schnell unterwegs, wir befanden uns ja mitten im Ort.
Da rechnet man einfach nicht mit sowas.
Es kam noch einige male vor, daß wir wegen Rentieren bremsen mußten
und die seit Jahren kaputte Wischwaschanlage, die in Kalifornien nun mal eher
überflüssig ist, die trug wesentlich zu eingeschränkter Sicht
bei. Weiter oben war es nicht schlimm, ich hatte sie nicht vermißt.
Das Eis war trocken und blieb nicht an der Scheibe hängen, aber hier
mußte man bei jeder Tankstelle raus und Scheibenwischen, denn jeder
LKW, der einen überholt, saut die Scheibe mit aufgewirbeltem Matsch zu,
der sofort antrocknet. Keine Chance, mit den Wischern allein dagegen ankämpfen
zu wollen.
So tragen uns die Räder Hoch über Berg und Tal, Durch dunkle Kiefernwälder Im letzten Abendstrahl... |
Ich wollte noch tippen, wir nahmen ein Hotel in Dawsons Creek. in der Alaska Avenue. Außerdem weiß man ja bei dem weibischen Wetter nie, vielleicht regnet es ja in der Nacht, außerdem mußte ja noch getippt werden. Ich habe neulich gehört, daß mehr Touristen durch Kokosnüsse sterben, als durch Gewalteinwirkung oder Unfälle. Ich wollte nicht einer von denen sein... Außerdem waren die Raten günstig. Vom Tagessoll blieben wir wieder einmal weit entfernt. 643 Kilometer geschafft, knappe 230 zu wenig, insgesamt fielen wir immer weiter zurück, mittlerweile hinkten wir bereits einen ganzen Tag hinterher.
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