Ich hatte mit Almut Schlafsäcke getauscht, da meiner etwas dünn war. Ich war erstaunt, daß ein Schlafsack für 10 € so gut sein konnte, während der Jack Wolfskin mit Pauken und Trompeten durch den Test fiel. Das bestätigte mir Almut am nächsten Morgen auch und beschloß, fortan die knallorange Wolldecke als Schlafsack zu benutzen und den eigentlichen Schlafsack zur Schlafunterlage zu degradieren.
Es
wurde allerdings doch wieder echt spät, bis wir loskamen. Erst um
halb elf nahm der Diesel seine Tätigkeit wieder auf. Jetzt bereits
hätten wir längst in Sivas sein können, wenn nicht schon
weiter, wären wir zeitig aufgestanden. Eine viertel Stunde später
bereits die erste Pause. Wir mußten Tanken. Almut füllte bei
der Gelegenheit auch gleich das Brauchwasser auf, das wir auf dieser Fahrt
mangels Kanister in Getränkeflaschen transportierten. Außer
uns stand ein Efes-Laster auf dem Tankstellengelände. Die Zeit, bis
der Tank vollief, nutzte ich, um die Flüssigkeiten zu kontrollieren.
Alles in Ordnung, noch mußte nichts nachgefüllt werden. Michl
kam aus dem Kassenhäuschen und meinte, der Fahrer des Efes-LKW sei
aus Schwabing. Ich mußte ohnehin ins Kassenhäuschen, um zu
zahlen. Praktisch zu wissen, daß da einer war, der ganz natürlich
sprach, falls es zu Schwierigkeiten kommen sollte. Er sprach mich auch
gleich an und wir unterhielten uns kurz. Wieso er eigentlich zurückgekommen
sei, wollte ich wissen. Das sei doch nicht üblich. Seine Eltern hätten
1987 beschlossen, wieder in die Türkei zurückzugehen. Da er
damals 15 war, hatte er nicht die große Wahl. Um das soziale System
beneide er zwar Deutschland, wenn ihm hier etwas auf der Straße
passiert, kann es schon mal zwei, drei Stunden dauern, bis hilfe kommt,
aber unterm Strich gefiele es ihm hier doch bedeutend besser. Vor allem
wegen der Leute und das Wetter dürfe man auch nicht ganz außer
Acht lassen. "Endlich mal einer, der mich versteht..."
Eine
Stunde fuhren wir noch, dann waren wir in Sivas angekommen. In Sivas und
Adana befanden sich in den Siebzigern die Rekrutierungsbüros, in
denen die Bundesrepublik Gastarbeiter anwarb. Warum ausgerechnet hier,
das kann ich mir nur damit erklären, daß in dieser Gegend damals
die Arbeitslosenzahlen am höchsten waren und die Leute hier wohl
am einfachsten dazu zu bewegen waren, ihre Heimat zu verlassen, um ihr
Glück woanders zu versuchen. Man konnte schlecht diejenigen dazu
überreden, die hier einen gewissen Besitz hatten, oder eine lohnenswerte
Arbeit. Nur für denjenigen, die gar nichts hatten, war es eine Alternative,
sich für abgezähltes Geld ans Fließband zu stellen, statt
mit drei Schafen spazieren zu gehen, dabei der Sonne Lauf zu beobachten
und ab und zu am Feiertag ein Schaf zu schlachten. Und dem Allah ist es
auch egal, von wo aus er fünfmal täglich angebetet wird.
Mittags hatten wir das Auto in einem Parkhaus abgestellt. Dort war auch
ein alter 5er BMW mit osnabrücker Kennzeichen beim Waschen. Der Besitzer
etwa Mitte zwanzig. Sivas wollten wir uns in jedem Falle ansehen. Nicht
nur, weil einige Bekannte ihre Wurzeln hier haben, sondern vor allem wollte
ich mir einen kleinen Eindruck verschaffen, von der Andersartigkeit der
Leute hier, im Vergleich zu denen in Istanblul oder Ankara. Daß
es hier wesentlich religiöser zuging, fiel schon auf den ersten Blick
auf. Die einzigen, die man unorthodox gekleidet vofand waren Heimaturlauber
in der dritten Generation. Denen merkten man auch am eher protzigen Verhalten
an, daß sie keine Einheimischen waren, sondern sich vorkamen wie
etwas Besseres. Nun hatten sie es vergleichsweise "zu Wohlstand gebracht"
und sind in aller Regel denen gegenüber, die damals hierblieben,
finanziell bessergestellt. Und das lassen sie auch raushängen, obgleich
ihr einziger Verdienst darin bestand, daß ihre Großeltern
eines dieser Rekrutierungsbüros aufsuchten. Hier gehörten sie
nun zur Oberschicht. In Deutschland sind sie ja doch immer nur die Kanacken,
trotz aller verordneten und vorgeheuchelten Ausländerfreundlichkeit,
die dort herrscht. Zwar gibt es jede Menge schöner Sprüche seitens
der deutschen Bevölkerung (oder soll ich sagen: "Seitens der
Deutschen ohne Migrationshintergrund", um die schönen Vokabeln
zu wahren?), aber sobald sie außerhalb der Praxis, der Kanzlei usw.
in Kontakt mit Ausländern geraten, zeigt sich in der Regel schnell,
daß es eben doch nur Sprüche sind, die man Leuten gerne um
die Ohren haut, um öffentlich zu demonstrieren, daß man ein
Gutmensch ist.
Allein der Xaver, der über Jahre neben dem Ali an der Werkbank steht,
hat mir Ausländern in aller Regel kein Problem. Der weiß, daß
die nicht beißen. Auf der anderen Seite hat er auch die politisch
korrekten Sprüche, die man täglich vorgekaut den Medien entnehmen
kann, nicht nötig. Doch weil er keine Unterschriften gegen die Abschiebung
des einen oder anderen Kriminellen sammelt, wird ihm ein leichter Rechtsdrall
und damit automatisch Ausländerfeindlichkeit nachgesagt.
Wir
gingen in ein vom Lonely Planet empfohlenes Café Haus, um zu spätstücken.
Es hieß Haka Baklava. Almut bekam zur Feier des Tages eine halbe
Schüssel Salat. Die andere Hälfte verschlang Michl. Ich aß
genüßlich meine Pizza und trank dazu Orangensaft. Wir ließen
uns Zeit, gingen nach diesem gelungenen Frühstück noch ein wenig
durch die Stadt spazieren. Ich suchte noch nach CDs mit Türkischer
Musik. Die fehlte irgendwie. Bei der letzten Türkeifahrt hatte Zehra
immer genug Material dabeigehabt, aber die war nun leider nicht dabei,
sondern Verheiratet mit einem Türken. Alles das, wogegen sie sich
damals nach Leibeskräften gewehrt hatte. "Ich heirate nicht
und einen Türken schon gleich dreimal nicht", waren ihre Worte.
So schnell kann es gehen. Ich hatte jedenfalls von damals noch eine Kasette
im Auto. Leider wieder einmal in dem Auto, das in Kalifornien stand. Mahsun
Kirirgendwas. Almut konnte ein wenig Türkisch und ergänzte mir
das Wort. Hier in Sivas ist Türkisch allerdings nur bei Eigennamen
wichtig, alles andere kann man, wie es scheint auf Deutsch erledigen.
Ich fragte an einem Verkaufsstand zwei Herren, wo ich denn CDs bekäme.beide
erklärten mir den Weg und erstaunlicherweise fanden wir den Laden
auch.
Wir schlenderten gemütlich zum Auto zurück. So scharf auf die Grenze waren wir nicht. Sie war nun schon fast zu nah. Um 14:15 Uhr (271.091) spielte der Diesel bereits wieder die altvertraute Melodei. Es konnte weitergehen. Der nächste Wegpunkt hieß Erzincan. Die Landschaft gefiel durch ihre Kargheit. Zwar war das hier noch lange keine Wüste, wie wir sie kannten und liebten, aber das Wetter machte das gut. Es war trocken und angenehm warm. Man konnte mit geschlossenen Fenstern fahren, was trotz aller Raserei Gemütlichkeit einkehren ließ.
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Hinten weit in der Türkei... |
Wir waren erst eine halbe Stunde unterwegs, da mußte schon wieder in Emre zum Tanken angehalten werden (14:45, 271.119). Als wir nach Sivas hineinfuhren hatte die Tankinhaltswarnanzeige bereits damit begonnen, ihre Tätigkeit aufzunehmen. Wir wunderten uns nur darüber, daß das Diesel immer teurer wurde, statt billiger. Das jedoch schien nur die These zu bestätigen, daß der Osten der Türkei das vergessene Hinterland bleiben soll, denn wäre es anders, müßte man hier unter anderem das Diesel subventionieren, um Leuten damit einen Anreiz zu geben, in die weniger dicht besiedelten Gebiete des Ostens zu ziehen, wie man es zum Beispiel in der Westsahara macht. Aber hier kostete der Liter 2,41 YTL, etwa 1,20 €. Das ist deutsches Preisniveau. Gar nicht attraktiv. Und das, obwohl am Aushang ein Preis von nur 1,63 YTL angegeben war. Frechheit.
Ich ließ ungefähr 30 Liter in den Tank, immer noch in der Hoffnung, daß es weiter im Osten doch billiger würde. Vielleicht hatten die dort die Preiserhöhungen seit 1967 nicht mitbekommen. Wer weiß? Als es ans Zahlen ging, stellte ich fest, daß einer der Tankwarte eine Mischung aus Deutsch und Englisch sprach. Das nahm ich gleich zum Anlaß, mich über diese Wucherpreise zu beschweren. Er meinte allerdings, daß es weiter im Osten noch teurer würde. "Mal mir Du fei bloß nicht den Teufel an die Wand". Hoffentlich war dieses Land bald aus. Im Iran wäre sowas Grund für eine Revolution. Wie lange noch? Aber selbst wenn die Grenze noch zwei Meter entfernt wäre. Erstmal mußten wir reinkommen, dann konnten wir uns auf das Tanken freuen.
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Hier wird gebaut. In der Zwischenzeit geht es auf Kies voran. |
Um halb Vier sahen wir den ersten Schützenpanzer am Straßenrand stehen. Man konnte ihn schon von weitem erkennen und ich nahm die Kamera in Anschlag. Blitz aus. Die Linse der Canon blickte unter dem Lenkrad, aber über dem Armaturenbrett durch. Der Staub wurde von der Windschutzscheibe gewischt, das Objektiv ausgerichtet, rankommen lassen. Bis zum Druckpunkt den Abzug betätigen, damit sich der Autofukus justiert, leicht vorhalten, unschuldig in die Landschaft schauen und Schuß. Als ich mir allerdings das Ergebnis der ganzen Operation ansah, mußte ich mich beinahe laut und deutlich übergeben. Das Display der Olympus zeigte nur ein schwarzes Bild. Und das auch noch völlig stufenlos, einfach schwarz, von oben bis unten, von links nach rechts - schwarz. "Kruzefix, wieso kann nicht einmal irgendwas funktionieren? Gib Dir den Scheiß. Kann man glatt in der Ausstellung für entartete Kunst aushängen..." Und es ergab keinen Sinn. Hätte ich das Armaturenbrett erwischt, dann wäre das Bild dunkelblau und schwarz, aber einfach nur dunkelschwarz, das konnte ich mir nicht erklären. Ich schoß auf dieselbe Art und Weise noch ein paar Probefotos von der Landschaft. Funktionierte bestens. Wieso das ausgerechnet bei dem Panzer nicht funktioniert hat wird mir ewig ein Rätsel bleiben.
Die
Straße wurde wie befürchtet schlechter. Immer öfter fuhren
wir über Kies- oder Lateritpisten. Am Schlimmsten war allerdings
löchriger Asphalt. Der hielt sich zum Glück in Grenzen. Die
Lateritpisten machten sogar Spaß. Man konnte immer noch um die Hundert
fahren und man zog eine Staubfahne hinter sich her, auf die man richtig
stolz sein konnte (Bild links). Das was aber auch schon der einzige Spaß,
den man hier haben konnte, und das auch nur, wenn nicht so eine Spaßbremse
in Form eines mit Wasser gefüllten Tanklasters vorausgefahren war,
der seinen Inhalt absichtlich auf den Belag verschüttete (Bild rechts).
Wellblech fehlte zum Glück vollständig. Das hätte dieser
Gepäckträger gewiß nicht mitgemacht. Da die nicht fertiggestellten
Stücke in den meisten Fällen breiter waren, als die eigentliche
Trasse, die ja noch fehlte, drosselte der schlechtere Straßenzustand
die Geschwindigkeit nur unwesentlich. Man mußte zwar etwas langsamer
fahren, jedoch stellte das Überholen keine Schwierigkeit dar, da
man zum Gegenverkehr immer noch gebührenden Abstand einhalten konnte.
Ich blieb beim Überholen von vorausfahrenden LKW immer genau auf
Sechs, leitete im Heranfahren einen sanften, sehr weiten Bogen ein, der
immer Enger wurde, je näher man dem LKW kam, etwa in Form einer Parabel.
Man fährt ran bis auf wenige Meter und zieht dann ganz knapp, mit
möglichst etwa 30 cm seitlichem Abstand an ihnen vorbei, leitet dabei
schon einen weiten Bogen in die entgegengesetzte Richtung zum vorherigen
ein und zieht wieder ganz knapp vor dem LKW auf Zwölf Uhr, damit
wiederum der LKW nicht den ganzen Schotter abbekommt. So bekommt man erst
selbst nur die niedrig fliegenden Kiesel ab, dann der LKW. Manche Abschnitte
waren zwar frisch geteert, allerdings so frisch, daß man besser
nicht darauf fuhr. Bei offenem Fenster geschah es einige Male, daß
ich fingernagelgroße Teerbrocken von Hemd oder Hose entfernen mußte.
So ein klebriger Schläz.
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Es gab auch frisch fertiggestellte Stücke, auf denen es sich fahren ließ, wie auf einem von Kinderhand geknüpften Perserteppich. Sogar die Markierung fehlte noch. |
Als die Straße wieder eine Weile etwas besser wurde, wurde ich etwas müde. Auch war die Landschaft mittlerweile nur als Durchschnittlich zu bezeichen, also alles andere als aufregend. Um zwnazig vor Fünf gab ich bekannt: "20 Minuten Pause". Ich fuhr an einem Rastplatz hinaus, an dem aus einem kleinen Brunnen Wasser floß, stellte das Auto am Rand eines Abgrundes ab, holte eine Decke aus dem Kofferraum und legte mich schlafen. Die zwanzig Minuten waren längst vorbei, als ich mitbekam, daß die Mannschaft Hemden wusch und Tee kochte, so schlief ich halt weiter. Die Sonne war schon fast hinter den Bergen versunken, als ich wieder aufwachte. Vor mir stand eine Tasse Tee. "Wie aufmerksam". Ich trank ihn aus, räumte die Decke wieder ein und kontrollierte den Ölstand. Ein bißchen füllte ich nach. Wäre zwar nicht nötig gewesen, aber da die Motortemperatur auf der Fahrt leicht über 90° lag, und das Öl unter anderem auch für die Wärmeabfuhr zuständig ist, dachte ich, es könnte nicht schaden. Dann zerlegte ich zu guter Letzt noch den mittlerweile fast leeren Bifi-Karton, um daraus Scheinwerferschoner zu basteln.
Zwar hätte mir das tagsüber einfallen sollen, statt nach Einbruch der Dämmerung, aber was soll's. Almut kam vom Schwimmen zurück. Etwa hundert Meter weiter unten, hinter dem Rastplatz war tatsächlich ein Fluß. Die hat doch nur Müll im Kopf. Hauptsache, alles wieder anders machen, als alle anderen. Andererseits wäre sie geflogen, wenn sie normal wäre und wir wären nicht hier. "Mach weiter so... Schließlich müssen wir noch nach Ulan Bator." Sie setzte sich wieder ihr Kopftuch auf, oder versuchte es zumindest. Zwar waren in der Türkei Kopftücher an Ämtern und sonstigen staatlichen Einrichtungen verboten, aber hier im Osten scheint das niemanden zu interessieren, denn hier hat man einfach als Frau eines aufzuhaben. Witzig finde ich vor allem, daß junge Türkinnen oft nach Deutschland oder in die USA zum studieren gehen, weil sie dort ihr Kopftuch tragen dürfen, während sie es in der Türkei vor Betreten des Unigeländes abnehmen müssen. Soviel dazu, daß sie gezwungen werden. "Wieso können die sich nicht einfach Badekappen aufsetzen? Das hätte genau den gleichen Effekt und man häte nicht das Gezeter."
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Der startklare Benz mit aus Bifikarton auf die Schnelle gebastelten Scheinwerferschonern. |
Um zehn vor sechs (271.267) ging es weiter. Zwanzig Minuten später wunderte ich mich, wo die Wassertropfen auf der Scheibe herkamen. Keine Wolke über uns. Komisch. Zwei Stunden später, um 20:10 Uhr (271.419), hielt ich an einer Tankstelle, um die Scheibe zu reinigen. Das war Almuts lieblingsbeschäftigung an Tankstellen. Beim Aussteigen wunderte ich mich, was der dicke schwarze Ölstreifen auf der Motorahube verloren hatte. Mir schwante Übles. Ich machte sie auf und das nächste, was die umliegenden Dörfer von mir hörten war ein lautes "Fuuuuck!". Ich behinderter Vollidiot hatte nach der Ölstandskontrolle vergessen, den Deckel wieder aufzuschrauben. Ich füllte einige Liter Öl nach, während Michl und Almut einige Liter Öl von der Karosserie wischten.
Wir hatten vor etwa einer Stunde in einem Kaff angehalten, in dem ich bei Zubehörhändlern nach Scheinwerferschutzgitter und einer Lenkhilfe fragte, da die, die ich in Augsburg gekauft hatte, schon in Istanbul verreckt war. Dort hätte mir das eigentlich auffallen sollen. Tat es aber nicht. Jetzt mußte eine Lösung her. Zum Glück hat da Mercedes mitgedacht, wenn ich es schon nicht schaffte. Der Tankdeckel paßt auch auf den Ventildeckel. Der Ölausbruch war schon mal gestoppt, allerdings fehlte der Tankdeckel nun. Zwei Männer, die offenbar zur Tankstelle gehörten, eilten mit einem kleinen Handtuch und einer Plastiktüte herbei und lösten mit Hilfe des soeben für einen Euro erstandenen Kreuzschlitzschraubenziehers das Problem zumindest Zeitweise. So ein Dreck! Jetzt konnten wir auch noch zusätzlich nach einem Öl-/Tankdeckel Ausschau halten. Völlig überflüssige Aktion, wieder mal.
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Immer vorwärts, ohne Zagen, bald sind wir dem Ziel genaht... |
Um viertel nach Zehn waren wir endlich in Erzurum. Das war die letzte größere Stadt vor der Grenze, obgleich es bis dorthin noch ein gutes Stück war. Eigentlich wollte ich gar nicht nach Erzurum hinein, sondern daran vorbei, etwas weiter und irgendwo mit gebührendem Abstand zur Stadt in der Pampa übernachten. Das konnten wir nun vergessen. Ich wollte versuchen, hier einen Tankdeckel zu organisieren. Um die Uhrzeit. Das ist zwar fast noch idiotischer, als den Öldeckel zu verschmeißen, aber das nervte mich nun dermaßen, daß ich dieses Problem möglichst schnell aus der Welt schaffen mußte. Wir eierten in der Stadt auf und ab, wieder auf, wieder ab, standen einige Male am selben Bahnübergang und sahen zu, wie ein Zug mit Kampfanzern und der dazugehörigen Besatzung in voller Montur beladen seine Bahnen zog, dann noch einer. Zwar fand ich es seltsam, daß wir noch in keine einzige Polizeikontrolle kamen, aber ebenso seltsam fand ich es, hier Kampfpanzer zu sehen. Auf der letzten Türkeifahrt kamen wir an zig Polizei- und Militärkontrollen vorbei. Ähnliches hätte ich auch diesmal erwartet. Aber ascheinend ist das nur in türkisch Kurdistan so. Wenigstens konnte nun ich Almut etwas erklären. Das kommt einmal alle paar Jahre vor. "Sind nicht alle Panzer Kampfpanzer? Sind ja für den Kampf..." "Nein, nicht für den Panzerkampf. Da hätte man mit Schützen- oder Spähpanzern ein größeres Problem", klärte ich Almut auf.
Doch
das primäre Problem hatten wir mir unserem Panzer, der übrigens
auch kein Kampfpanzer ist. Wir brauchten einen verdammten Tankdeckel.
Als die Kreuzung wieder frei war fuhren wir wieder Stadtauswärts,
dorthin, wo wir hergekommen waren. Am ersten, bzw. in diesem Falle letzten
Kreisverkehr vor dem Ortsausgang fuhr ich einige male im Kreis, um zu
überlegen, wie es weitergehen sollte. In Erzurum übernachten,
oder weiterfahren und sich woanders um den Tankdeckel kümmern. Im
Iran mußte es doch 123er geben wie Öl. Als ich da so vor mich
hinfuhr, erblickte ich einen hellgrünen 240D, der am Rand des Kreisverkehrs
geparkt war. Eine Antenne hatte er für fünf, vielleicht wußte
er, wo ich einen Tankdeckel herbekomme. Ich stellte mich dahinter, stieg
aus, sagte brav "Grüß Gott", vergaß dabei nicht,
den Hut abzunehmen. Er grüßte freundlich zurück. Nachdem
ich mir von Almut erklären hatte lassen, was Tankdeckel hieß,
tat ich mich leichter, ihn zur fragen. Nachdem er das Problem in Augenschein
genommen hatte, fuhr er uns voraus zu einer Tankstelle. "Heißt
das komische Wort jetzt Tankdeckel oder Panzerdeckel?", fragte ich,
nachdem wir vorhin, am Bahnübergang das Wort Panzer in alle an Bord
vorhandenen Sprachen übersetzten. Ich hatte nämlich in Erinnerung,
daß Zehra die Panzer auch auf Türkisch Panzer nannte (Panzer
geschrieben, "Pansär" ausgesprochen) und nicht Tank, aber
so stand es nun gerade im Buch. Und letztenendes kommt das Wort Tank für
Panzer ja tatsächlich vom Tank, und zwar, Gerüchten zufolge
hat sich das aus dem Grunde ergeben, daß im Ersten Weltkrieg die
Panzer der Briten von der deutschen Aufklärung für Treibstofftanks
gehalten wurden, die Briten die Deutschen in diesem Glauben lassen wollten
und die Fahrzeuge daher einfach weiterhin Tanks nannten. Auch wieder so
eine Legende, von der keiner weiß, ob sie wahr ist.
Als wir bei der tanlstelle ankamen, stieg er aus, begrüßte uns einzeln per Handschlag, schilderte den Tankwarten unser Problem, wünschte uns viel Glück und gute Reise und fuhr wieder zum Kreisverkehr zurück. Die Tankwarte konnten uns allerdings nicht weiterhelfen. Mercedes hatte bereits geschlossen. Erst morgen früh wieder. Doch so lange wollte wir nicht warten und so fragten wir nach dem Weg in den Iran. "Im Iran Deckel kein Problem. Farhsch Du einfach hier geradeaus." So taten wir. Um zehn vor Elf waren wir wieder auf der Straße nach Osten. Wir fuhren noch eine Stunde weiter. Kurz vor Mitternacht begann ich, nach Nachtplätzen ausschau zu halten.
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