Persien 2006
Mittwoch, 6. September

Eine Einbahnstraße in Shiraz...Um zwanzig vor neun stand ich auf. Das Geplärr von irgendwelchen Mistkindern ging mir auf den Keks. Das waren Pakistanis, Afghanistanis oder Inder. Jedenfalls keine Perser, ansonsten wäre längst schon der Watschenbaum umgefallen. Auch das "Good morning, Mister"-Gegacker von Kopftüchern durch die halbgeöffnete Tür des Nebenraumes waren untypisch. Schnauze! Auf das Frühstück hätten wir auch dann verzichtet, wenn es eines gegeben hätte. Erst wollte ich noch ins Internet-Café, ließ aber dann von diesem Vorhaben ab, als ich hörte, daß man dazu eine Viertelstunde latschen mußte.

Die Vorglühleuchte ging nicht an. "Muß das jetzt sein?" Ich drehte den Schlüssel ein paar mal. Nichts. Alle Lichter gingen an, nur die Vorglühleuchte nicht. Irgendwann leuchtete sie plötzlich. Doch der Motor spracng nicht sofort an, sondern brauchte eine Weile. Doch dann lief er wie gewohnt.
Wir fuhren los, um die Stadt zu besichtigen. Hier in Shiraz lag Hafez begraben, der weltberühmte persische Dichter - von dem ich in Esfahan zum ersten mal hörte. Zu dessen Grab wollte Michl gehen. Er lotste mich hin. Während er also das Grab des Dichters besichtigte, blieb ich beim Auto, das im Parkverbot stand. Ich kramte die Reparaturanleitung hervor und las das Kapitel über die Vorglühanlage. Erstmal feststellen, was kaputt war. "Vorglührelais prüfen". Das hörte sich interessant an. Das Kästchen über dem linken vorderen Radlauf wurde abgeschraubt, dann überbrückte ich mit einem Draht wie beschrieben zwei Kontakte. "Wenn die Lampe nun aufleuchtet, ist das Relais defekt." Sie leuchtete auf. Wo sollte ich hier nur ein Relais für einen Diesel auftreiben, wo die hier doch gar nicht wissen, daß man Dieselmotoren auch in PKW verbauen kann? Die einzige Lösung sah ich darin, den Motor notfalls laufen zu lassen.

Michl kam wieder zum Auto, dann fuhren wir zu den Eram-Gärten. Wieder das gleiche Spiel, nur diesmal blieb Michl nicht zu lange weg, denn es kostete 40.000 Rial Eintritt. Das war Wucher und wir weigerten uns. "Persepolis", wies ich Michl an. Wenn sie uns dort auch mit Mondpreisen kommen, dann nerv ich sie so lange, bis sie uns umsonst reinlassen. Aber vorher wollte ich mich stärken - mit Falaffeln. Das verhinderte allerdings das Nichtvorhandensein des Irakers. Nach einer Stunde Gekurbel durch das morgendliche Verkehrschaos fanden wir nur einen leeren Topf vor an der Stelle, an der der Iraker hätte stehen und Falaffel frittieren sollen. Also auf nach Persepolis.

Persepolis lag an die 50 km außerhalb der Stadt, in der Richtung, aus der wir angekommen waren, also im Norden. Dort mußten wir nun wieder hin. Auf der großen Ausfallstraße kamen wir an einem Unfall vorbei - wieder mal... Am Ortsausgang tankten wir wieder voll und fuhren weiter.
Um 14:00 (274.814) waren wir in Persepolis angekommen. Der Parkplatz kostete nichts und war sogar zum großen Teil schattig. Der Eintritt betrug weniger als einen Euro für uns beide. Seltsam, daß irgendwelche unbekannten Gärten gleich soviel Eintritt kosten. "Vielleicht hast Du ein paar nullen hinzuphantasiert..." "Nein, das steht auch im Reiseführer." Und warum fahren wir dann hin, wenn wir den Preis schon vorher kannten?

In Persepolis blieben wir eine Weile. Ich machte die gesamte Führung mit, die von Michl abgehalten wurde. Zum Spaß hatten wir ihn schließlich nicht mitgenommen. Ich spare mir hier historische Einzelheiten, weil man sie erstens im Reiseführer oder im Internet nachlesen kann, und weil ich sowieso wieder alles durcheinanderbrächte. Mit Bildern macht man in diesem Fall nichts falsch. Hier beschritten wir die einzigen Stufen mit regelmäßigen Abständen seit der Einreise in den Iran. Die waren allerdings nur 10 cm hoch.

Aus Wikipedia:
Die altpersische Residenzstadt Persepolis (persisch: Takht-e Djamshid, altpers. Parseh) war die Hauptstadt des antiken Perserreichs unter den Achämeniden und wurde 520 v. Chr. durch Dareïos I. im Süden des heutigen Iran in der Region Persis gegründet. Persepolis war der griechische Name; der persische bedeutet "Thron des Dschamschid" nach einem sagenumwobenen König der Frühzeit. Die Stadt lag auf der Hochebene von Marv Dasht in der zentralen Provinz Fars. Als man die frühere Residenz Pasargade um 50 km hierher verlegte, wurde am Fuße des Berges Kuh-e Rahmat eine 15 ha große Plattform gepflastert. Die Palaststadt wurde 330 v. Chr. zerstört, aber ihre (teils wiederaufgebauten) Reste lassen sich bis heute betrachten. Sie zählen zum Unesco-Weltkulturerbe und sind rund 60 km nordöstlich der Großstadt Schiraz (700 km südlich von Teheran) zu besichtigen.

Nach der Besichtigung gingen wir zum Auto und fuhren langsam weiter in Richtung Bam. Das würden wir allerdings heute nicht mehr erreichen. Ich war schon sehr gespannt auf Bam. Mich interessierte, warum jeder davon abriet, es zu besuchen. Alles, was ich wußte, war, daß es dort 2004 ein Erdbeben gegeben hatte, das auch die alte Stadt zerstört hatte. Wir würden sehen.

Heute war bam nicht mehr zu erreichen, wollten wir nicht ewig durch die Finsternis fahren. Und das war ausgeschlossen, ich wollte etwas von der Gegend sehen. Gleich bei Persepolis war noch ein Campingplatz mit seinen gepflegten Holzhüttchen inmitten eines Tannenwaldes, der auch in Schweden oder Norwegen hätte stehen können. Keine Touristenfahrzeuge. Ich hoffte darauf, jemanden zu treffen, der über die vor uns liegende Strecke Auskunft geben könnte. Aber irgendwie schien nicht die Saison für Touristen zu sein.

Ich fuhr wieder in Richtung Norden und wartete ständig auf einen Zubringer zur Autobahn, die in einigen Kilometern Entfernung links neben uns verlief. Nach dreißig Kilometern wurde es mir zu blöd. "Wieso fahren wir sei zig Kilometern neben der Autobahn her hinter irgendwelchen beschissenen Lastern?" "Weil kein Zubringer da war. Kann ich auch nichts dafür..." Im nächsten Dorf, es hieß Saadat Shahir, hielt ich und besorgte etwas zu essen. Von diesem Dorf kamen wir anschließend auch wieder auf die Autobahn. Es wurde dunkel. Trotz der Lichter entgegenkommender Autos und trotz des hellen Schein des Mondes, erkannte man deutlich eine fette Sternschnuppe, die Sekundenlang am Himmel aufleuchtete. Die hatte bestimmt die Größe eines Kühlschranks, der Schweif stand lange, nachdem sie verglüht war, noch in der Luft.

Noch einmal hielt ich an in einem anderen Kaff (Arbak oder so), um Brot, Käse und Wurst zu kaufen. Wieder Mißverständnisse beim Einkauf. Ich wollte Wurst für Zwei Selmmeln, Käse (es gibt nur Fäta- und Streichkäse im Iran) nahm ich mir selbst und dann wollte ich noch zwei weitere Semmeln. Kann doch nicht so schwer sein. Aber nein - nachdem ich alles so hinbekommen hatte, wie ich es wollte, kam er nochmal mit zwei Portionen Wurst für die zwei anderen Semmeln an. Ich schüttelte den Kopf, hielt ihm zwei Finger hin, die ich ihm eigens auch noch mit der anderen Hand vorzählte: "Zwei, Two, Dos, Deux, verstehst Du? Das sind jetzt vier!" Und ich ließ es zurückgehen. Das gibt es doch nicht! In aller Welt versteht man primitive Zeichensprache, sogar die Franzosen, aber hier sind sie entweder begriffsstutzig oder sie versuchen zu denken, was man bekanntlich lassen soll, wenn man nicht dafür bezahlt wird.

Wie sah es nun mit Nachtplätzen aus? Michl hatte in der Karte eine Salzpfanne ausfindig gemacht. "Was ist eine Salzpfanne?" "Ein Salzsee." "Ist da Wasser drauf?" "Nicht unbedingt. Manchmal ja, meistens nein. Wir können ja mal schauen..." Bleibt ja nichts anderes übrig. Ich fuhr noch soweit, bis weder vor uns noch hinter uns der Schein irgendeiner Ortschaft war. Links neben und war eine Baustelle. Man plante wohl, diese Straße, auf der wir fuhren, vierspurig auszubauen. Es dauerte eine Weile, bis ich eine Stelle fand, an der wir die Straße verlassen konnten. Nun befanden wir uns auf der Trasse. Von der aus war es auch nicht einfach, in den eigentlichen Salzsee zu gelangen. Doch nach längerem Auf und Ab fand ich eine Stelle und wir waren auf dem See. Er lag trocken, aber der Untergrund war nicht überall gleichgut befahrbar. Die hellen Stellen waren hart, aber wenn man in die dunkleren geriet, merkte man, wie das Auto langsam einsacken wollte. Die weißen Stellen waren nach einigen hundert Metern wie kleine Inseln. Ich fuhr bis ich auf einer kleinen hellen Insel zum stehen kam. Man sollte nach Möglichkeit so auskuppeln, daß man dort zum stehen kommt, ohne die Bremse betätigen zu müssen. Mit bremsen gräbt man sich schneller ein, als man glaubt. Es macht kurz Blub und das Auto liegt auf dem Bauch, die Räder tief im Sand. Und ohne Ausrüstung wollte ich da nichts anbrennen lassen.

Der Benz in Ruhestellung.

Lediglich das Ausrichten des Autos kostete ein paar Gramm Nerven. "Wo geht denn die Sonne auf?", wollte ich wissen, um das Auto entsprechend auszurichten. Michl checkte die Sterne, sagte dann "Da" und zeigte in eine Richtung, nach der ich das Auto ausrichtete. "Ist da also Osten?" "Nein, Osten ist ein bißchen weiter versetzt, aber die Sonne kommt aus Richtung ostnordost." "Also zeigt der Stern in Richtung südsüdost?" Michl schaut wieder nach den Sternen. "Ja, ich denke schon. Aber Du kannst es gerne noch mit dem Kompaß überprüfen." "Kompass?", fragte ich erstaunt, "haben wir etwa einen Kompaß dabei?" "Ja, den von der Almut ihrem Bruder. Den hat sie dagelassen. Braucht sie ja in der Sprachschule nur ganz selten." Wir haben also einen Kompaß an Bord und dieser Dorftrottel sagst mir das erst jetzt, stattdessen schaut er lieber stundenlang nach den Sternen, von denen er durch seine verschmierten Brille sowieso nur einen Bruchteil sieht. "Bei Deiner Geburt hat der Arzt zur Assistentin gesagt: Schnell, bringen'S 'nen Hammer, vielleicht wird's noch ein Fahrrad... Spaß, Alter. Wahrscheinlich warst Du nur für ein Paar Tage von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten."

"Wie hoch sind wir?", wollte ich wissen. "Nicht besonders hoch. Vielleicht 1000 Meter, höchstens." Wir unternahmen noch einen Spaziergang. Mich interessierte, wie weit ich vom Kurs abwich, wenn ich einfach geradeaus vom Auto wegging. Das hatte ich 1998 mal in Libyen probiert und war aus einer ganz anderen Richtung wieder zum Auto gelangt. Wir gingen los. Ich drehte mich ab und zu um, um die Spuren zu überprüfen. Man sah recht weit, denn wir hatten fast Vollmond. Als ich mich nach einer Weile wieder umdrehte und das Auto nicht sah, verließ mich der Mut und ich drehte um. Ohne Auto fühl ich mich einfach unwohl. Bald tauchte es aus der Dunkelheit auch wieder auf. Ich schickte Michl auf unseren Spuren entlang, während ich direkt auf das Auto zuging. Wir entfernten uns immer mehr voneinander. Komisch. Herzrasen bekam ich, als ich glaubte, das Auto bewegte sich. "Ah! Das Auto! Das fährt!" "Wo denn?" "Da vorn!, wo sonst?" "Das schaut bloß so aus, weil die Autos auf der Straße sich bewegen." Meine Augen spielten mir einen Streich. Es dauerte dennoch eine Weile, bis der Blutdruck wieder auf normale Werte zurückging - die bei der letzten Messung bei 84 zu 47 lagen.


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