Persien 2006
Freitag, 8. September

Bevor wir in der Früh weiterfuhren, füllte ich noch Motor- und Dieselöl nach. Dann fuhren wir wieder auf die Straße zurück und weiter in Richtung Bam. Kaum eine Stunde unterwegs, passierten wir ein Hinweisschild mit der Aufschrift: "Entering Special Economic Zone". Kurz darauf ein grenzübergangähnliches Gebäude. Dahinter wurde die Straße merklich schlechter. Jetzt war ich aber gespannt, was an dieser Zone so besonders sein soll. Speziell war sie jedenfalls schon mal...

Ein Blick in den Rückspiegel.

Bam war nicht mehr weit. Die Gegend blieb gleich, aber irgendwie schien es so, als ob wir eine Landesgrenze passiert hätten. Der Straßenbelag war schon fast türkisch, und zum ersten mal gab es auch Polizeikontrollen, wie in der Östlichen Türkei. Der Verkehr wurde abgeleitet, jedes Auto in Augenschein genommen, in dividuell entschieden, ob es heraus- oder weitergewinkt wird. Wir fuhren keinen dunkelweißen Paykan, auch keinen dunkelblauen Saipa, somit gehörten wir automatisch zu den 5% die herausgezogen werden. Aber sie ließen uns nichts ausräumen. Sie wollten meist nur die Pässe sehen, nach der Nationalität fragen und anschließend kundtun, daß sie Klinsmann, Hitler, Schumacher oder Kahn kannten. Das war auch schon alles. Ich überlegte mir, ob es vielleicht schneller geht, wenn man einfach sagt, man sei Schweizer, oder noch besser Österreicher.

Etwa 80 oder 90 km vor Bam sahen wir ein defektes Auto. Daneben zwei Männer, einer Ende zwanzig, einer Ende sechzig. Vermutlich Vater und Sohn. Ich hielt an, ließ das Beifahrerfenster herunterkurbeln und fragte auf Deutsch, warum die beiden so unmotiviert in der Landschaft stünden. Sie antworteten auf Persich irgendwas, das ich genausowenig verstand, wie sie meine Ansage verstanden hatten. Aber "Bam" verstand jeder. Auch führte die Straße nirgendwoanders hin. Ich nahm also einen davon mit bis nach Bam. Das war praktisch, denn er konnte uns in Bam auch noch gleich den Weg weisen. Wir wollten nach "Arg-e-Bam". Die Stadt sah nicht gut aus. Das war nicht der Iran, den wir bis gestern befahren haben. Jedes Haus war halb zerfallen. Man sah die Folgen des Erdbebens noch allzu deutlich. Auch an der Landschaft. Die sah noch etwas zerrüttet aus, im wahrsten Sinne des Wortes. Unser Fahrgast stieg aus. Als ich wieder losfuhr zog ein alter gelber Pritschenwagen an uns vorbei mit einem angehängten Kompressor. Er mußte sich noch schnell vorbeidrücken, konnte aber nicht schneller fahren als 40, weil sich sonst der Kompressor springend fortbewegte. Aber er fuhr auch nicht rechts, um mich vorbaizulassen, sondern auf der Mitte der Fahrbahn schlangenlinien. Durch anhaltendes Hupen schob bat ich ihn nach rechts und fuhr vorbei. Grenzwertig...

In Arg-e-Bam (Arg muß mit 'griech. Archaios = Alt' zusammenhängen, Theorie des Autors). Jedenfalls, nach der Besichtigung von dem, was vielleicht Neo-e-Bam genannt wird, kamen wir an der Altstadt an. Die sah aus wie Berlin 1945. Weit und breit nur Trümmer. Wir hatten das Bild im Reiseführer, aber was nun vor uns lag, hatte damit nur noch die Farbe gemeinsam. Etwas gelb war nun auch dabei, denn die Gerüste waren nicht grau sondern eben gelb. Wenigstens wir hier wiederaufgebaut.

Das, was vom alten Bam übrig ist. Zum Vergleich ein Bild vom September 2003, Wikipedia.

Es kostete keinen Eintritt. Lediglich Namen und Nationalität wurde aufgenommen. Dann durften wir durch den Eingang in die Zitadelle. Laut Wikipedia wurden dort am 26. Dezember 2003 Stadt und Zitadelle durch ein Erdbeben der Stärke 6,6 stark zerstört. Nach offiziellen Angaben starben 30.000 Menschen, nach inoffiziellen, doppelt soviele. Am 21. Juli 2004 kam das nächste Beben. 17,5 Millionen Dollar sind bisher von den von der Weltgemeinschaft zugesagten 1,1 Milliarden immerhin schon eingetroffen. Davor muß die Altstadt jedenfalls sehr schön gewesen sein. Hoffentlich bekomen die das vor dem nächsten Beben wieder hin.

Nachdem wir mit der Besichtigung der Trümmer fertig waren, ging ich wieder zum Haupteingang und fragte nach Postkarten. Es gab keine. Also nahm ich eine von denen, die wir in Esfahan gakauft hatten und beschrieb die. Die Adresse ließ ich von dem Wächter in das Adressfeld eintragen. Dann wanderte sie in den Briefkasten. Ich warf sie oben in den Schlitz, öffnete dann die Türe unten, um mich zu vergewissern, daß sie auch im Briefkasten gelandet war. Da lagen sogar noch andere Postkarten.

Lagebesprechung am Auto... Wir brauchten einen Plan. Wohin nun? Pakistanische Grenze oder rauf nach Norden Richtung Mashhad? In Pakistan würden sie uns ohne Visum nicht reinlassen. Aber eigentlich müssen wir in Mir Jaweh ausreisen. Erst mal in Richtung Grenze, dann entscheiden. Super Plan!
Ich unterhielt mich noch mit dem Polizisten am Eingang. Der konnte ein wenig Englisch. Wie es uns im Iran gefällt, wollte er wissen. Ich antwortete wahrheitsgemäß, daß der Iran zu den schönsten Ländern zählt, die ich bisher bereist habe. Ein paar Verbesserungsvorschläge hätte ich dennoch: Beispielsweise sollte man das Autofahren hier generell verbieten. Das sei das geringste Problem, meinte er. Zunächst müsse man die Geistlichen aufhängen, dann könne man sich um den Rest kümmern. Das gleiche, was ich hier schon öfter gehört hatte, allerdings hier zum ersten mal von einem Uniformierten. Mich wunderte es ein wenig, daß er so unverblümt über das Regime schimpfte. Was denn in unseren Ländern über den Iran berichtet würde. "Ihr seid allesamt religiöse Fanatiker und Terroristen, ist doch klar... Was sollen die auch sonst berichten? Man kann nicht sagen: 'Die Iraner sind alles nette Leute, wir müssen sie aber dennoch bombardieren'. Geht nicht, ist Nonsens." Es wäre vielleicht gar nicht schlecht, meinte er noch. Die Mullahs mag seiner Ansicht nach jedenfalls niemand. Ich nehm's ihm nicht übel. Geistliche sind einfach blöd. Egal ob Sunniten, Schiiten, Mosaiken oder Katholiken. Letztere hocken in Washington. Bedauerlich nur, daß die sich nicht in der Wüste irgendwo treffen und sich gegenseitig in die Fresse hauen. Stattdessen sind es wieder die Bäcker, Bauern und Fabrikarbeiter, die mit der ganzen Sache nichts zu tun haben, die sich gegenseitig totschießen müssen. Aber das war noch nie anders, wird auch nie anders werden. Na, denn... Volk ans Gewehr!
Wir mußten weiter und fuhren auf dem selben Weg zurück, auf dem wir hergekommen waren, nur etwas langsamer, um uns das, was von der Neustadt übrig war, genauer anzusehen.

Die Bamer "Neustadt".

Auch die wenigen Leute, die man auf der Straße sah, machten nicht gerade einen fröhlichen Eindruck. Einige Männer sah man in kleinen Restaurants herumlungern. Sie machten den Eindruck, als achteten sie schon lange nicht mehr auf ihr Äußeres. Wenn hier einer mit ölverschmiertem Hemd rumlief, dann war das ich, wenn einer gekleidet war, als hätte er sich zum ersten Mal im Leben selbst anziehen müssen, dann war es Michl. Aber hier trafen wir auf Leute, die es ebenso machten. Nun fuhren wir in Richtung Zahedan. Das war die letzte größere Stadt vor der Grenze.

Es wurde mächtig heiß. Geschätzt zwischen 40 und 45 Grad. Genau kann ich es nicht sagen, denn der Zeiger des Thermometers hing am oberen Anschlag. Die Skala hört bei 38° auf, das Gehäuse des Thermometers kommt bei 41°. Der Karren braucht unbedingt eine Klimaanlage. Auch wenn die Hitze nicht annähernd so schlimm war, wie etwa die 28° gepaart mit 70 oder 80% Luftfeuchtigkeit, wie man es aus Deutschland kennt. Aber angenehmer ist es doch, wenn die Klima kühle Luft in den Innenraum bläst. Auch, weil man dann die Fenster schließen kann. Wir ließen uns durch die Hitze nicht vom Wege bringen. Am 11. sollten wir spätestens in Teheran sein, heute mußte also gefahren werden, möglichst nahe ran an Mashhad. Zahedan fällt aus. Bloß nicht zu nahe an die Grenze. Vielleicht fällt einem Polizisten ein, daß er genauer nachsieht und uns am Ende unangenehme Fragen stellt, z.B. warum wir von der Grenze weg fahren, statt zur Grenze hin.

An den Tankstellen, an denen wir anhielten, sah man Leute, die von ihrem Aufzug her an Libyen erinnerten. Sie hatten weite, weiße Gewänder an, sie sprachen Arabisch und sammelten sich um das Auto herum. Vielleicht Afghanen? Keine Ahnung. Und als ich einmal an einer Art Rastplatz anhielt, standen dort Jugendliche herum. Einer davon trug ein Luftgewehr. Sie kamen auch sofrt, nachdem ich anhielt, um den Saft vom Dach zu holen, auf das Auto zu und fragten nach Cigaretten.

Der Motor wurde durch die Tageshitze etwas heiß, die Nadel bewegte sich auf die 100er-Marke zu. Mir kam eine Idee, die mir schon in Libyen hätte kommen können: Der Schlauch, der vom Wischwasserbehälter zu den Düsen führt ist nur gesteckt. Ich nahm ihn ab und verlegte ihn so, daß das Wasser bei Betätigung der Wisch-Wasch-Anlage, genau vor den Kühler spritzte.

Fahrversuche im Endstadium Zahedan 185 km Entfernungstafel
Felsformationen Mobile Radarstation Eingesandet

Beim ersten Versuch, einen Nachtplatz zu finden sandeten wir ein. Zum Glück gleich ein paar Meter, nachdem wir die Straße verlassen hatten. Wir schaufelten das Auto mangels Spaten mit den Händen frei und legten Reifenfetzen und Steine hinter die Hinterräder und fuhren rückwärts wieder auf die Straße. Das mußte ich auch noch mit dem Verkehr abstimmen.
Michl wollte, daß wir westlich von der Straße abfahren, ich wollte näher an die Grenze. "Aber da kommen doch die ganzen Schmuggler rüber". Die kommen auch nach westlich der Straße. Die werden schon nicht so blöd sein und da fahren wo sie der Polizei fünfzig Mal die Gelegenheit geben, sie auseinanderzunehmen. Der zweite Versuch führte uns wieder nach Westen von der Straße ab. Ich fuhr einem Auto hinterher, das über die Piste bretterte. Überhaupt war hier auf den Pisten abseits der Straße ungewöhnlich viel Verkehr. Auch der zweite Versuch, links der Straße einen geeigneten Nachtplatz zu finden verlief im Sande. Zwar nicht wörtlich, wie der erste, aber hier war zuviel los. Wieder zurück auf die Straße. Wir passierten das Dreiländereck (Iran, Pakistan und Afghanistan). An dieser Stelle ist die Grenze am nächsten. Einige Kilometer weiter, bei einem im freien stehenden, bühnenähnlichem Gebilde, fuhr ich wieder von der Straße. Diesmal nach Osten. Hier war der Untergrund gut befahrbar, wenn auch etwas staubig. Ich fuhr einige Kilometer die Piste entlang. Einige Male passierte ich eine Abzweigung. Dann verließ ich an einer geeigneten Stelle die Piste nach rechts und fuhr ein wenig in Richtung Süden. Das Gelände war zwar wellig, aber das kam mir insofern entgegen, als daß uns das vor Wind und Sicht schützte. In einer Mulde blieb ich stehen. Schluß für heute. Es war relativ warm und wir waren nicht besonders hoch, daher durfte der Motor heute wieder ruhen. Es war ohnehin noch recht früh, noch nicht einmal sieben Uhr abends...


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