Ich fuhr noch weiter, stundenlang, denn ich wollte zu unserem ersten Nachtplatz. Almut konnte sich daran erinnern, daß unweit von dort ein verlassenes Dorf war. Woher? Na, sie war "spazieren" (= Wie eine Irre mit Vollgas durch die Gegend rennen) und hatte das Dorf entdeckt. Ich hatte nicht mal den Schimmer einer Ahnung, wo der Nachtplatz überhaupt war. Ich wußte nur, daß er nicht in der Ebene war, in der wir uns jetzt befanden. Es mußte erst einmal bergig werden, und das Gelände machte keine Anstalten, auch nur hügelig werden zu wollen. Dieses Urteil ist allerdings auf dem Fahrverhalten des Wagens basiert, nicht auf Beobachtungen der Gegend. Es war nämlich dunkel, man sah nichts von der Gegend.
Ich glaubte nicht, daß wir den Platz finden würden, aber Michl und Almut versicherten mir das Gegenteil. Sie rechneten anhand eines Straßenschildes und der Zahl des Kilometerzählers die Entfernung zum Ziel aus. "Es war 15 km vor Miyaneh", sagte Almut. Der Tacho stand auf 279.150 km, der Wegweiser kündete Miyaneh in 40 km an. 279.150 + 40 + 15 = 279.205 km. Als sie dann auch noch anfingen, die Tunnels zu zählen, an die ich mich überhaupt nicht mehr erinnern konnte, fing ich an, ihnen zu glauben. "Es muß vor dem ersten gewesen sein, also jetzt nach dem letzten." Ich wollte schon loslachen, aber jemand machte die Bemerkung, daß sie numeriert sind und daß wir vor wenigen Minuten Tunnel nummer drei passiert hätten. Die schienen wirklich zu wissen, wohin es ging. "Ich bin nur der Fahrer", dachte ich mir. "Jetzt muß es irgendwann links gehen", warnte Almut. "Da ist der Parkplatz!", sagte Michl. Natürlich in einer Langsamkeit, die mich dazu nötigte, wie ein Irrer mit Kupplung, Gas und Lenkrad umzugehen, um noch wenden zu können, ohne erst Kilometerlang weiterzufahren, um auf eine Wendemöglichkeit zu finden. "Bei der nächsten Möglichkeit rechts ab", wies mich Almut an. Ich fuhr auf einen Kiesplatz, der sich nach wenigen Metern zu einer Schotterpiste verengte. Der folgte ich. Seltsame Gegend. Aus der Dunkelheit hoben sich tatsächlich gespenstisch die Ruinen eines Dorfes. Ich fuhr durch ein kleines Rinnsal und stellte mich rückwärts an eine Mauer. "Sicher, daß das hier verlassen ist?", fragte ich. Es war schwer zu sagen. Es brannte kein Licht, es stand kein Auto herum, nichts deutete darauf hin, daß hier eine Seele lebte, aber irgendwie sah es dann doch wieder nicht so verlassen aus, ich weiß nicht, warum. Wir stiegen aus. Hundegebell war zu hören. "Das kommt von der anderen Straßenseite", meinte Almut. Da waren Lichter. Die Mauer war geflickt, Holz llag herum. "Ich weiß nicht... Andererseits... Schlimmstenfalls schickt man uns weg", dachte ich mir. Aber sorgen machte mir eher das Gebell. Ich legte die Eisenstange griffbereit neben das Lager. "Steine her!" Steine wurden auch neben das Lager gelegt. Das Gebell kam näher. "Das ist nicht auf der anderen Straßenseite...", ich machte die Türen auf der Beifahrerseite auf, nahm einen Stein zur Hand, "Fertigmachen zum Einsteigen". Das Bellen muß aus der Gegend kommen. Wir waren ein gutes Stück weg von der Straße und wir hätten auch Autos hören müssen, nicht nur das Gebell. Ich stieg auf die Anhängerkupplung. "Hecktüre zu" - Licht konnte ich nicht gebrauchen. Ich stand da und spähte in die Richtung, aus der das Gebell kam. Und tatsächlich huschte da ein Schatten hin und her. "Köter. Entfernung 30 Meter. Auf dem Grundstück hinter der Mauer auf dem Dach". Ich treffe schlecht, wenn ich direkt auf etwas ziele, aber im indirekten Beschuß, oder wenn man nach der Horchpeilung zielen muß, erziele ich Trefferquoten, die mich selbst am meisten erstaunen. So auch hier. Der Stein flog los, der Hund jaulte kurz und schwieg. Wir entschlossen uns, hier zu bleiben und legten uns schlafen. Nicht, ohne zuvor die Munition für mich und Almut zurechtzurücken. Michl bekam keine - der träfe höchstens einen von uns. Es war 3:45 Uhr, der Kilometerzähler stand genau auf 279.205 km. Er stimmte exakt genau mit dem Ausgerechneten Stand überein. Ich fand das seltsam.
Wir schliefen auch ungestört genau sieben Stunden bis um 10:45 Uhr. Almut war schon wach und fand einen Brunnen, der Wasser führte. Sie kam kurz zum Auto, als Michl und ich aufstanden und ging wieder zum einem Brunnen, der etwas höher lag. Plötzlich Motorengeräusch. Almut drehte sich um "Scheiße". Sie hatte ein kurzes Hemd und kein Kopftuch an. Mich checkte wieder nichts, stand am Kofferraum und starrte hinein. "Hau ab, Du Depp", schubste ich ihn weg, zog Almut an den Kofferraum und begrub sie unter der zusammengelegten Decke. Ein kleiner alter weißer Pick Up kam vor unserem Auto zum Stehen. Ich ging drauf zu. Der Fahrer war etwas irritiert. Ich versuchte ihm zu erklären, daß wir da nur geschlafen hätten, aber sowieso losfahren wollten. Seine Frau und sein Sohn waren auch im bzw. auf dem Auto. Als Almut fertig angezogen war, schltete sie sich hinzu. Doch anstatt auf uns zu schießen oder uns wegzuschicken, luden sie uns ein, mit ihnen zu frühstücken. "Mach sowas mal in Deutschland. Die holen mindestens die Bullen. Oder in Texas, die ballern einen erst um und fragen hinterher... Da haben wir Glück gehabt, daß wir bei Terroristen gelandet sind." Ich fuhr das Auto ein Stück zur Seite, dann nahmen wir am "Tisch" platz. Es gab Hühnchen mit Reis, Tee, Safrankekse, Fätakäse, Brot und selbstgepflückten Honig - unser Gastgeber hatte Kästen voller Immen am Hang stehen. Die Verständigung klappte einigermaßen.
Vor dem "verlassenen" Haus. |
So verlassen war das Dorf gar nicht. Diese Familie kam, so wie ich das verstanden habe aus Miyaneh und kommt hier nur am Wochenende vorbei, um sich um das Haus und die Bienen zu kümmern. Ich wollte so ein Glas Honig kaufen, aber leider hatten sie die gesamten Honigbestände bereits in ihren Laden geschafft. Wir aßen, blieben noch eine ganze Weile. Ein weiterer Mann gesellte sich hinzu. Hier war bereits das Wochenende ausgebrochen. Es war Donnerstag und der funktioniert im Iran wie bei uns der Samstag. Hoffentlich machen die nicht an der Grenze auch noch zu. Wir verabschiedeten uns eine halbe Stunde lang, denn wir mußten weiter. Es war fünf nach Zwölf, als wir loskamen. Das letzte Stück bis Bazargan. Von der Straße aus hatte man noch einen Blick auf das Dorf bei Tag.
Es ist für mich erher ein seltenes Erlebnis, mit einer Aussage allerseits auf Zustimmung zu stoßen, aber ich schaffte es diesmal: "Ich hätte nichts dagegen, wenn wir noch einen Monat bleiben". Mir wurde jetzt schon schlecht, wenn ich an die Spritpreise in der Türkei dachte. "Ich will nicht!" - ging das schon wieder los. Irgendwie erinnerte das alles stark an Libyen. Die Landschft war allerdings viel besser. Wenn man in Libyen an die Westgrenze muß, fährt man die ganze Zeit an dem ekligen Mittelmeer entlang. Hier war kein Mittelmeer und der Persische Golf war weit weg, so daß das Wetter schon fast perfekt war. Nicht zu heiß, nicht zu kalt. Etwas mehr Wolken wären noch besser gewesen.
Ich hatte noch vor, Dariusch1) zu besuchen, den Typen, den wir am ersten Tag zufällig getroffen hatten. Er hatte uns damals zum Tee eingeladen, doch wir hatten abgelehnt und gemeint, wir würden uns bei der Ausreise melden. Alle waren einverstanden. Für einen Tee muß Zeit sein. Ehe ich mich versah, waren wir in Maku. Es war 17:00 Uhr. Michl sahgte: "Das da war die Tanke mit dem Fisch". Ich sah hinüber und er hatte recht. Das war die Tankstelle, an der wir als erstes getankt hatten. Und eine der wenigen, an der der Tankwart mich nicht zum Benzin hinübergeschickt hatte. Wahrscheinlich tanken alle Touristen erst mal hier. Kaum einer wird so blöd sein, nicht mit dem letzten Tropen im Iran angekrochen zu kommen. Jedenfalls mußten wir noch volltanken bis zur Halskrause. Diesmal mußte ich allerdings nicht erst den Fisch holen, sondern durfte erst auftanken. Das ging auch so lange gut, als das Diesel in den Tank lief. Als ich damit beginnen wollte, die Kanister vollzumachen, kam der Tankwart und meinte: "No!", zeigte auf die Kanister, "Problämm!"
"Ach! Geht mir doch nicht auf den Senkel mit Eurem Schmarrn, da!", versuchte ich ihm zu erklären, aber ich stieß schon bal auf die Sprachbarriere und unterließ weitere Versuche. Was wollen die Trottel von mir? Das Diesel aus den Kanistern in den Tank zu bringen ist keein Problem: Schlauch rein, kurz ansaugen und laufen lassen. Aber umgekehrt erlaubt es die Physik nicht. Zurück zum letzten Kaff? Ein Blick auf die Uhr. Nein. Vielleicht in Bazargan... Zu allem Überfluß wollte der Depp auch noch den Fisch haben, den ich nach dem Bezahlen bekam. Dabei wollte ich den als Andenken behalten.
Nach dem letzten Tanken im Dieselparadies. |
Wir fuhren in das Dorf hinein. Wir brauchten noch Brot und Safrankekse. Während Almut die Einkäufe erledigte, schickte ich Michl los, um eine Telephonzelle zu suchen. Ich wollte noch Dariusch anrufen. Michl kam zurück. "Telephonzellen gab es keine, aber der Typ vor dem Laden hat angeboten, daß wir sein Telephon benutzen können". "Und warum hast Du es nicht gemacht?" "Umm... Ah! Weil ich ja die Telephonnummer nicht hab." "Well spottet", sagte ich und stieg aus. "Ich mach das schon. Bleib Du beim Auto", sagte ich und ging zum Laden. Da waren zwei davon nebeneinander und eine genauere Beschreibung hätte nicht viel genützt, da sie beide identisch waren. Also blieb mir nichts anderes übrig, als blöd zu gucken, bis jemand komt und mich frägt, was ich denn brauche. "Täläphon!", antwortete ich ordnungsgemäß. Er bat mich in den Laden und anschließend um die Telephonnummer. Er wählte und reichte mir den Hörer. "Hallo? Dariusch? Ich bin's, der eine Tourist von vor ein paar Wochen." "Markus aus Deutschland?" "Ja, genau der." "Wo bist Du?" "Gute Frage. Ich glaub in Maku. Nein, Bazargan. Oder irgendwo da in der Nähe. Moment." Ich reichte den Hörer an den Ladenbesitzer weiter und die beiden unterheilten sich in Landessprache. Dann legte er auf. Für den Anruf wollte er nichts haben. Er gab mir sogar noch einen Gesellen zu, der uns zu Dariusch führen sollte, was er dann auch tat. Mein Angebot, ihn zu dem Laden zurückzufahren, kehnte er dankend ab. Dariusch stieg ein und wir fuhren zu einem Gebäude. "Kannst das Auto hier an der Straße stehen lassen. Passiert nichts", sagte Dariusch. "Ja, das habe ich schon herausgefunden, Kriminalität scheint's nicht zu geben."
Wir gingen hinein in so etwas, wie ein Klassenzimmer. Dariusch war Englischlehrer und Kurde - und unterrichtete wohl ausschließlich Mädchen. Der Iran ist ja so ein radikal islamisch böser Staat, sagt man, dessen Einwohner nichts besseres zu tun haben, als die Frauen zu unterdrücken. Allerdings Wir nahmen Platz auf den Stühlen platz. Wann war zuletzt auf einem Stuhl mit integrierter Schreibfläche gesessen? Muß Jahre her sein. Das sah man auch in dem Augenblick, in dem ich mich setzen wollte. Regimegegner von Geburt an, und er machte nicht den geringsten Hehl daraus. Im Gegenteil. Von allen Leuten, die wir im Iran getroffen hatten, hatte keiner etwas Gutes über die Regierung zu sagen, aber Dariusch übertraf alle. "Was immer ihr bei Euch im Fernsehen über den Iran hört, es trifft 100%ig zu", sagte er und wiederholte es mehrmals. "Alles Propaganda", winkte ich ab. In dem Stil ging es weiter. Als dann auch noch rauskam, daß er Francophil war, war er bei mir genau richtig. Von da an saß ich nur noch auf meinem Platz und ließ Arschmeldungen vom Stapel. So hatte ich es in der Schule gelernt, dazu ist sie da. Es stimmt also tatsächlich: Non scholae sed vitae discimus...
Als um halb Acht die fünf Schülerinnen gegangen waren, tauschten wir mit Dariusch noch Adressen aus und zogen los in Richtung Grenze. Vorher noch zum Supermarkt, das restliche Geld aufbrauchen, bis auf ein paar Scheine, die Notreserve. Im Laden kaufte ich auch noch alle Thunfischdosenmodelle, die ich fand. Scheint auch eine iranische Spezialität zu sein, denn die gab es in allen Größen, Farben und Formen. Eigentlich wollte ich ja nur einen gescheiten Brotaufstrich, aber ich fand nichts. In Dogubayazit wollten wir uns einen dieser Schafsköpfe holen, aber wir nahmen sicherheitshalber hier schon ein Brot mit. Wer weiß, wie lange es an der Grenze dauert. "Ich denke, vielleicht so sechzehn Stunden", sagte Almut in aller Seelenruhe. "Ach, sechzehn Stunden auch wieder nicht. Aber so vier, fünf Stunden kann es schon dauern." Und da ist drüben schon wieder alles zu. Das Einkaufen zog sich hin, denn erst um 20:15 Uhr (279.613 km) schafften wir es, endgültig den Weg zur Grenze anzutreten.
Zehn Minuten und vier Kilometer später, nach passierten
der ersten Kontrollstelle, fuhren wir hoch zum Grenzkomplex und waren
an der Grenze angekommen. Ich fuhr gleich an den Ausgang, in der Hoffnung,
sie würden vielleicht das Auto vergessen und uns einfach die Stempel
in den Paß hauen und 'Tschüß' sagen. Weit gefehlt. Als
hätte er auf uns gewartet, stand der Typ von der Gesellschaft da,
mit einigen Polizisten, und bat um die Herausgabe der Fahrzeugpapiere
und meines Passes. Ich gab ihm meinen - die Fahrzeugpapiere liefen aber
auf Almut. Er sah sich den Paß an, aber merkte, daß es der
falsche war. Er zeigte mir also die Paßkopie, die den Fahrzeugpapieren
beigefügt waren. Die stimmte natürlich nicht mit dem Paß
überein, also nahm ich ihn zurück und gab ihm Almuts Paß.
"Scheiße!" Der erste Vorstoß ging schon mal gründlich
daneben. Aber zum Aufgeben war es noch viel zu früh. Ich zog meinen
Paß heraus und zeigte ihm den Stempel der Visumsverlängerung,
der besagte, daß wir heute um Mitternacht ausgereist sein müssen.
Auch den Polizisten, die immer noch dastanden. "Kein Problem",
sagte er, "geht ins Hotel, morgen erledigen wir die Papiere."
Ich lehnte ab. "Hotel nein. 14. September ausreisen. Morgen ausreisen
Problem." Pro Tag, den man überzieht, muß man umgerechnet
30 Euro zahlen - pro Person, versteht sich. Wir bleiben am Grenzkomplex.
Allen Angaben zufolge, war das hier Niemandsland. Ich fuhr zurück,
weg von der ersten Schranke, parkte das Auto unter dem Dach ab und gab
eine kurze Lagemeldung ab. Mein Handy hatte sich nach Wochen wieder gemeldet:
14.09.2006 19:54:30 Uhr: Willkommen in der Türkei. "Noch sind
wir nicht soweit. Was ist überhaupt mit dieser Uhrzeit?", fragte
ich. "Die ist komisch. Auf der Uhr hier ist es 19:55, auf der dort
aber 20:25 Uhr."
Ich ging in den Laden und kaufte Wurst. Erst mal was essen. Mit leerem
Magen kann ich nicht überlegen. Auf dem Weg zurück sprach ich
einen Zöllner an, schilderte ihm das Problem. Er riet mir, ins Hotel
zu gehen, und morgen wieder zu kommen. "So ein Schmarrn!"
Nach dem Essen ging ich wieder hinein zu einem Offizier, schilderte diesem
das Problem. Er konnte keinen Fetzen Englisch. Einer dieser Geldwechsler,
der ein paar Wörter Englisch konnte schnappte ich mir und ging zum
einem möglichst Hochrangigen Offizier. Der konnte mir auch nicht
mehr sagen, also "Problem".Es war kurz vor zehn Uhr, wir hatten
noch gute zwei Stunden. Jetzt mußten wir uns eine dominante Strategie
überlegen.
» Zum besseren Verständnis habe ich eine grobe Skizze des Grenzkomplexes angefertigt. Im folgenden Text finden sich bei Beschreibungen Zahlen in Klammern. Wenn Popups zugelassen sind, erscheint die Skizze als gesondertes Fenster.
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Ganz zufrieden gab ich mich nicht, trotz mehrmaliger Beteuerungen, wir seien am Grenzkomplex und dadurch rechtzeitig ausgereist. Ich ging mit den beiden Pässen die ich hatte, Michls und meinem, nochmal hinein, zum Schalter (4b) und versuchte, dem Polizisten zu erklären, daß er und einen Stempel geben solle, mit dem ich ausreisen würde und in einer halben Stunde wieder einreisen. Das ginge nicht. Ich zeigte ihm, daß es "Twice Entry" hieß. Da schickte er mich zu seinem Vorgesetzten. Der bemühte sich zum Telephon und meinte, es sei in Ordnung. Ich fragte nochmals nach, ob ich denn dann auch wieder einreisen könnte. Wieder ging er ans Telephon und schließlich sagte er dem Stempelpolizisten, er solle die Stempel in den Paß hauen. Michl und ich waren nun ausgereist. Offiziell, zumindest. Doch nun überlegten wir, was wir mit den Stempel tun sollten. Zurück zum Auto, Lagebesprechung. "Also", fing ich an, "Michl und ich haben einen Ausreisestempel. Sollen wir jetzt schnell rübergehen?" Dann würden wir eventuell in die Situation kommen, daß wir in der Türkei festsaßen und Almut und das Auto hier. Ich zog also los zu diesem idioten von der Gesellschaft und versuchte ihm zu erklären, daß er mir kurz den Paß geben sollte, damit ich da auch einen Stempel hineinmacheen lassen konnte. Als Pfand bot ich ihm die anderen beiden Pässe an. Er ließ sich nicht drauf ein. So beschloß ich, daß ich auch bleiben würde. Michl ließ ich die Wahl. Klar war, daß Almut, das Auto und ich zusammenbleiben würden. Michl blieb auch. Somit ließen wir also die Chance verstreichen, wenigstens zwei von uns außer Landes zu bringen. "Es geht gerade erst los", sagte ich, ohne wirklich eine Ahnung davon zu haben, was auf uns zukam. "War ich vielleicht doch nicht so falsch gelegen, als ich sagte, daß es vielleicht sechzehn Stunden dauern würde", vernahm ich Almut, die breit zu grinsen schien. Sie hatte leichte Kopfschmerzen.
Um zwanzig nach Zehn begannen wir, das Lager aufzubauen. Neben dem Auto, wie immer, diesmal allerdings nicht in der Pampa, sondern am Grenzkomplex. Was soll's. "Almut, Du bist übrigens krank, also setz eine Leidensmiene auf", erklärte ich ihr, und war schon gefaßt auf die Frage, wie man sowas macht. "Was hab ich denn?", wollte sie stattdessen wissen, während ich ihren Ärmel hochkrempelte. "Das weiß ich noch nicht. Das kannst Du Dir überlegen. Ich kleb Dich jedenfalls schon mal vorsorglich", sagte ich altklug und klebte ihr ein Pflaster auf den Arm. Sie machte keine Anstalten, sich zu wehren. Hätte ja doch keinen Sinn gehabt. Geduldig krempelte sie ihren Ärmel wieder hinunter und schlief.
Ein Bild vom Grenzkomplex, das ich heimlich schoß. Die Burg ist angeblich eine Polizeistation. Davor Busse, deren Inhalt gerade die Einreiseprozedur absolvierte. |
Bald schon waren keine Züge unsererseits mehr möglich, denn der Heini von der Gesellschaft war wohl bereits heimgegangen und hatte Almuts Paß mitgenommen. "Die sollen morgen Theater machen und Geld dafür verlangen, daß wir überzogen haben, dann trifft die aber mein Heiliger Zorn!", drohte ich in die Nacht hinein. "Ah! Genau das werden sie aber. Hier weiß doch Muh nicht, was Mäh sagt", stellte selbst Michl fest. Genau so sah es aus.
1) Name geändert.
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