Grand Canyon 2006
Montag, 3. März 2006

Gleich als ich in der Früh aufwachte zog ich mit dem Daimler los. Vielleicht ließ sich eine billige Lösung für dieses Problem finden. Als ich über den Beverly Boulevard fuhr, sah ich auf der linken Straßenseite einen weißen 123er stehen. Dahinter eine winzige Werkstatt, die mir ansonsten wohl gar nicht aufgefallen wäre. Die sahen unterbeschäftigt aus und ich fuhr auf den Hof. Es waren Salvadoreños. Ich schilderte meine Unpäßlichkeit und sie holten den Chef. Der war aus Nicaragua. Ich hatte auf weiter südlich getippt, des Dialekts halber. Er sah das Auto und lief drumherum, fragte, wo die Nummernschilder herseien und jedes zweite Wort im weiteren Verlauf war "formidable". Es stellte sich auch sofort heraus, daß der weiße 240D seiner war. Den gibt er nicht her. Es gibt keine besseren Autos, außer, vielleicht, man entscheidet sich für einen anderen 123er. Für 140 US$ war er bereit, mir die Pumpe jetzt und hier auszutauschen. Da wurde nicht lange überlegt. Das ist ja gar nichts und ich muß auch nicht bis irgendwann warten, sondern es wird alles hier erledigt. Er gab seinem Mexi den Befehl, mit dem Ausbau der alten Pumpe anzufangen. Während ich beim abnehmen des Keilriemens half, telephonierte der Chef nach einer Wasserpumpe. Es lief einfach besser, als ich noch ein paar Minuten zuvor dachte. Wenn ich nun noch einen Ersatz für die Gelenkwelle klarmachen könnte, wäre alles perfekt. Die linke machte nämlich ab und zu beängstigende Geräusche und läuft am Radende etwas unruhig. Das war allerdings vor über einem Monat, aber seit meiner Rückkehr habe ich nichts mehr von ihr gehört. Nur, daß das Rad bei großer Fahrt regelmäßig in ein leichtes Flattern übergeht. Das mit der Welle klappte nicht. Dann muß es eben ohne gehen. Man kann nicht immer alles kriegen, was man gerne möchte.

Ich fuhr noch eine Ladung Müll auf die Schutthalde, dann wieder zurück. Zwischendurch rief ich bei Jana an, um vorzeitig Abfahrbereitschaft zu melden. Jana ist eine Münchnerin mit amerikanischen Papieren, weil der Vater Ami ist, und die hier die Schule besucht und im Red Lion, meinem Wohnzimmer, als Kellnerin kellnert. Dort fand ich sie auch eines Tages hinter der Bar. In Regensburg aufgewachsen, fehlen ihr glücklicherweise all die zickenhaften Umstände, die das Markenzeichen der meisten Amerikanerinnen sind. Und sie antwortet auf blöde Kommentare auch münchnerisch gescheert, statt sich hinter der Bar zu verkriechen und zu weinen, oder beleidigt zu sein.

Mit ihr kann man durch die Gegend fahren, ohne sie gleich auch heiraten zu müssen, das hatte ich an Weihnachten und Silvester bereits ausprobiert. Und das Geschwätz der anderen kümmert sie nicht besonders. Grand Canyon - ihre Idee, übrigens. Jetzt ging Besagte allerdings nicht an ihr Telephon. Ich wusch den Firmen-LKW, stellte ihn auf der Straße ab, dann belud ich den Daimler. Jana rief zwischendrin an und meldete ihrerseits Abfahrbereitschaft. Sehr gut. Nächste Haltestelle: Tankstelle. Bis zur Halskrause auffüllen, dann weiter. Natürlich regnete es wie immer bei der Abfahrt. Das war noch nie anders. Alaska, Big Bear, Palm Springs. Immer, wenn ich L.A. verlasse, muß es Regnen. Und Regen ist hier sehr selten. Aber wenn es mal regnet, dann richtig und oft tagelang.
Es war 17:48 Uhr und der Kilometerstand bei der Abfahrt betrug beschämende 814.695 km. Die Fahrenszeit ist wohl lange schon vorüber, nur ich habe es nicht gemerkt. Das war in raschen Jahren anders: Der Kilometerzähler wollte nicht aufhören, sich zu drehen. Doch mit der Abfahrt im Jahre 2000 änderte sich dies. Sollte man nicht meinen.

Ich fuhr nach Burbank und holte Jana ab, dann ging es ohne großen Aufenthalt gleich los. Sie füllte die Bordküche mit ein wenig Verpflegung auf. Unter anderem Spargelcremsuppe aus Deutschland. Ich hatte noch vorhin die Nudeln entsorgt, deren Verpackung sich beim bloßen Anschauen in Splitter auflöste. Das Haltbarkeitsdatum konnte man darauf nicht mehr lesen, aber zwischen Schimmel und Dieselöl stachen ein paar Worte hervor: Côte d'Ivoire. Die guten afrikanischen Nudeln waren also immer noch in der Bordküche gewesen. Weiß gar nicht, wie die sich so lange unbemerkt durchgeschmuggelt hatten.

Las Vegas - um diese Jahreszeit eher ruhig.

Auf geht's. 134er Freiweg in Richtung Osten, dann auf den 210er. Wenige hundert Meter am Haus des Kunden vorbei, dem ich Tags zuvor ein Angebot für ein Projekt unterbreitete. Und dann auf den 10er immer weiter in Richtung Osten. "Nun lebe wohl, mein liebes Kind, wir fahren gegen Osten". Jawohl. Es war höchste Zeit. Ein schönes Fahren. 110 km/h anlegen und es geht durch. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug geschätzt auch um die 105 km/h. Man muß nicht Bremsen. Erst als wir in einen Stau gerieten, etwa 50 - 100 km außerhalb von L.A. wurde zum ersten mal die Bremse berührt. Der Stau verschwand in der Wüste und wieder wurden die 110 km/h angelegt und gehalten bis zum nächsten Anlegen, nach etwa zwei Stunden. Wieder ging es auf den Highway, die Staatsgrenze California - Nevada wurde von uns unbemerkt überquert, keine Ahnung, wo und wann, und die 110 km/h wurden wieder bis Las Vegas gehalten, das sich schon Stunden vorher durch einen fast unwirklichen Schein am Himmel ankündigte, das sich plötzich mitten im Nichts in blendendem Glanz vor uns auftat, und das wir gegen elf Uhr abends erreicht hatten. Als ich von Destroit zurückfuhr, war ich hier durchgefahren, doch diesmal wollten wir hier übernachten, da wir den Hoover-Damm bei Tageslicht sehen wollten. Nicht ganz vier Stunden für die etwa 450 km von Hollywood nach Vegas, wenn man bedenkt, daß wir erst gegen halb acht freie Fahrt hatten und eine leichte Verkehrsstauung wegen eines längeren Anstiegs. Das kann sich sehen lassen. Das Hofbräuhaus hatte leider zu, und fast alles andere auch, wie wir feststellen mußten. Das Hard-Rock-Café hatte geschlossene Gesellschaft, und es wurde immer später.


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