Libyen 2008 / 2009
Sonntag, 21. Dezember

Abfahrt war um 18:45 Uhr. Zunächst zur Tankstelle und den Tank vollassen. Laut ADAC war der Diesel in Italien teurer als in der BRD. Mein Versuch, Heizöl aufzustellen scheiterte an der massiven Bewachung des Objekts. Bei der Tankstelle stellte ich fest, daß ich das Kopfkissen vergessen hatte. Typisch. Also nochmal zurück und ein Kopfkissen vom Sofa gestohlen, wieder hinein in die Kanzel. Es war beabsichtigt, erst nach Einbruch der Dunkelheit loszufahren. Da ist man für das Bullengesindel schwerer erkennbar. Der Nachteil besteht natürlich darin, daß man sie auch erst spät erkennt. Jedoch öffnet die Dunkelheit wiederum gewisse Möglichkeiten zu verschwinden. Kurz vor Sieben waren wir auf der B17, die nach Süden zur Grenze führt. Es ging sehr zügig voran, da um diese Uhrzeit am Sonntag nur wenig Deutsche unterwegs sind.

"Hier hab ich mal geheiratet", meinte Almut, als wir durch Ettal fuhren. "Echt? Wann war das? Muß ja ein schöner Depp sein, der Dich heiratet..." Wir fuhren nach Garmisch weiter und von dort nach Mittenwald. Weit war es nicht mehr bis zur Grenze. Vielleicht noch 10 oder 15 Kilometer. Aber genau da sehe ich auch schon im Rückspiegel ein Blaulicht und die grellrote Schrift "Halt! Polizei!" "Scheiße! Scheiß Bullen! Fuck!", fluchte ich los. Für einen Fahrerwechsel war es nun zu spät. Vor lauter SMSen hatte ich in Garmisch einen Bullenkarren übersehen, der mit eingeschalteten Scheinwerfern den Verkehr anleuchtete. Die Schweine müssen das durchgegeben haben. Bei der Kennzeichenabfrage wird natürlich mein Name ausgespuckt. Almut hatte sie zwar gesehen, aber keine Meldung gemacht - das erzählte sie mir erst während der nun folgenden Kontrolle. Führerschein hatte ich nur den abgelaufenen amerikanischen. Der funktioniert nicht, denn damit hatten sie uns im Mai schon mal angehalten, als wir von Norwegen zurückkamen. Da aber nie etwas zugestellt wurde, ging ich davon aus, daß das Verfahren eingestellt wurde. Ein Mordstheater. Hätten mich genausogut weiterfahren lassen können, dann wäre ich aus dem Land und damit aus ihrem Zuständigkeitsbereich gewesen.

Es wurde telephoniert wie bei den Großen. Mit Schleswig-Holstein, mit Leipzig, mit Augsburg, mit allen möglichen Staatsanwälten. Lauter Zeug, mit dem man nichts zu tun haben will. Sollen mich doch einfach in Ruhe lassen, ich will doch gar nichts von dem ganzen Gesindel. "Warum hat man Ihnen damals den Führerschein genommen?", fragte er. "Wegen Nichts, natürlich." "Das sagt jeder." "Ja, weil ich ein gefährlicher Raser bin, wissen Sie? Mit einem 200D! Sowas Lächerliches." Er stimmte mir sogar in gewisser Weise zu, aber "er macht nur seinen Job". Die Ausrede hat schon in Nürnberg nicht funktioniert. Dann heißt es wieder, ich hätte nicht aus der Geschichte gelernt... Gemacht hatte ich ja nun wirklich nichts. Aber es ist und bleibt eine Demokratie. Wie im Großen, so im Kleinen. Bei der Wahl kann man zwischen Idioten und Vollidioten wählen. Ich konnte nun wählen, ob ich 600 Euro zahle oder verhaftet werde. Eigentlich wollten sie 2000 haben. Zähneknirschend plünderten wir die Reisekasse. Und warum? Wegen nichts. Nun blieben uns noch 200 US$. Damit kommen wir nicht mal bis Genua. Wo ist die Antifa, wenn man sie braucht? Die werden einem immer sympathischer, je älter man wird: "Haut den Bullen die Fresse ein! Zertrümmert die Knochen vom Bullenschwein!"

Und ich wurde gewarnt, daß das in Österreich, Italien und Tunesien nicht anders sein würde, was natürlich völliger Quatsch ist. "Der Unterschied ist halt der: Die da unten interessieren sich nicht für solche Lappalien", war meine Antwort. Er war anderer Meinung: "Gerade in Italien sind sie sehr rigoros. Da meint man immer in Deutschland sind die Strafen so hoch. Wenn die Sie in Italien erwischen, dann ist es nicht mit 600 Euro getan." Kann sein. Aber dort bekommt man eine Strafe, wenn man Scheiße baut, und nicht, wie hier, wegen nichts und wieder nichts. Kein italienischer Polizist hätte mich in dieser Situation angehalten. Das machen nur die scheiß Deutschen. "Sie fahren ohne Fahrerlaubnis. Ist das Nichts?" "Nein. Eine Million Kilometer, viele davon in über 30 Ländern, und das auch noch ohne Versicherung. Ich würde schon sagen, daß ich nichts getan habe, außer gegen irgendwelche idiotischen Regeln zu verstoßen." Aber so einem Apparatschik braucht man das nicht zu erzählen, woher soll er wissen, daß in den Meisten Ländern erst der Mensch kommt und dann erst die Menschenordnung? Kommt ja höchstens für drei Wochen im Jahr raus und fährt dann nach Mallorca oder Italien an den Strand, wo man Schnitzel frißt und Deutsch spricht. Dort draußen habe ich jedenfalls noch keinen von denen getroffen. Ich würde mich mal gerne mit so einem in Bir Rimit oder irgendwo in Rio unterhalten, oder sonstwo, wo er sich nicht hinter seiner Uniform verstecken kann. Und zwar in der Sprache, die er wohl allein versteht. Hier kann ich nichts ausrichten. Almut fuhr das letzte Stück bis zur Grenze und ich hatte einen Haß. Und die Drecksösterreicher sollen bloß in ihren Höhlen bleiben und mir nicht auch noch auf den Zeiger gehen.

Um fünf nach Zehn waren wir in Österreich. "Soll ich jetzt wieder übernehmen?", fragte ich sie. "Von mir aus gern. Da kommen wir wenigstens voran." Wir übten ein paar Mal den Fahrerwechsel. Das Problem dabei ist, daß man es sieht. Man muß irgendeine Heckjalousie installieren oder sowas. Beim Aussteigen fiel ich beinahe auf die Schnauze. "Oh! Glatt ist es..." Dieses Wetter ist mir am liebsten. Bei diesem Wetter flackert der Darwinismus auf deutschen Straßen wieder auf. Da bleiben diese ewigen Bremser einfach zuhause und die paar, die es nicht lassen können verschwinden zumindest mal in meinem Rückspiegel. Wenn sie sich zu blöd anstellen, dann kann es auch passieren, daß sie im Straßengraben verschwinden. Wenn man viel Glück hat, verschwinden sie aus dem Genpool der Menschheit, weil sie unter einen LKW geraten. Jedenfalls fuhr nun ich wieder weiter. Schon bald waren wir in Innsbruck. Ein Navi ist echt was feines. Ich stellte es so ein, daß Mautstraßen verboten waren. Irgendwann standen wir an einem gesperrten Paß. "Was soll den der Dreck schon wieder? Kann man das nicht irgendwo vorher anschreiben?" Ich fuhr zurück nach Innsbruck. Almut füllte die 600 Euro wieder um, und zwar vom Geldautomat in die Reisekasse, was ich mit einem lauten "Scheiß Bullen!" quittierte. An der Tankstelle erkundigte ich mich, ob es einen anderen Weg nach Italien gibt, als über die gesperrte Straße. "Ja. über die Autobahn..." "Muß ich dann trotzdem eine Vignette kaufen?" "Ja." Abzocker! Ich ging zurück zum Auto und überbrachte die frohe Botschaft: "Scheiß Österreicher! Wären wir 1938 nicht gekommen, hätten die heute noch überhaupt kein elektrisches Licht, geschweige denn Autobahnen!" "Was willst Du mir mitteilen?" Die Message war wohl nicht rübergekommen. "Wir müssen über die Autobahn und dazu brauchen wir eine Vignette. Für unsere eigenen Straßen müssen wir jetzt auch noch Geld zahlen." "Aha", sagte sie nur und kramte ihren Geldbeutel hervor. Wenn man sie kennt, kann man das dechiffrieren. Das heißt soviel wie: "Da hast Du Dein Geld für Deine Straßen, Du verwöhnter Bengel." Ich kaufte die Vignette für zwei Monate, tat einen Tropfen Duschgel drauf und pappte sie an die Scheibe. Die Teile kriegt man sonst nur noch mit einem Arbeitsaufwand von einem Tag ab. Wieder eine Stunde verloren. Ich rief in Südtirol an und meldete, daß wir wohl länger brauchen würden. Resy ließ die Hintertür auf und das Zimmer offen. Nun aber mit Vollgas dahin, wo die Welt noch in Ordnung ist.


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© by Markus Besold