Schon wieder Zeitumstellung. Was die für ein Theater veranstalten mit ihrer Zeitumstellung... Als käme es hier auf eine Stunde hin oder her überhaupt an. Auffälig war, daß das Bild der kleinen Dörfer, durch die wir fuhren, viel sauberer und bunter war, als noch vor zehn Jahren. Viel Leuchtreklame, wie ich sie sonst nur aus dem Gelobten Land kannte. Überall blitzte und blinkte es. Nur lesen konnte ich nichts. Als ich in einen Laden ging, um etwas zu Trinken aufzustellen, fiel mir auf, daß fast alle verpackten Produkte Aufschriften in Arabisch und Englisch trugen. Sehr gut, jetzt kann ich auch mitlesen. Aber ich nahm nur eine Flasche Fanta Strohbeere, die ich im Zweifelsfall auch ohne Lateinische Schriftzeichen identifiziert hätte. Auch an den kleinen Knabbereien an der Kasse merkte man, daß das Embargo aufgehoben war. Snickers aus Deutschland, Cigarretten aus den USA, Chips aus China... Und alles zu sehr günstigen Preisen. Bis etwa 100 km im Landesinneren funktionierte das Handy noch. Da zeigte es "TUNTEL" an. Aber danach war der Empfang weg und nichts ging mehr. Auch das amerikanische Handy funktionierte nicht mehr. Das amerikanische Handy geht überall, wenn es nicht funktioniert, dann kann man sicher sein, man befindet sich in einem "Schurkenstaat". Dazu zählt Libyen zumindest offiziell nicht mehr, aber das müssen sich noch umstellen.
Langsam kamen wir in die Vororte von Tripolis. Alle Straßen schienen neu zu sein. Erstklassig. Dagegen sind deutsche Autobahnen bessere Schotterpisten. In der Nacht ist es schwierig, sich an den libyschen Verkehr zu gewöhnen, denn es ist kaum was los. Wir fuhren über eine zweispurige Straße in eine Ortschaft hinein. Ein Schild stand am rechten Straßenrand, auf dem 50 km/h stand. Ich nahm es zur Kenntnis, fuhr mit 120 km/h weiter, allerdings nur, um im nächsten Moment von einer E-Klasse mit mindestens 200 überholt zu werden. In einer Nische stand ein Police Interceptor der Polizei. Die werden wohl mittlerweile von den Amerikanern ausgerüstet. Die beiden Polizisten interessierten sich jedoch weder für die E-Klasse, noch für uns. Das 50er-Schild dient wohl nur der Zierde, oder hïchstens dazu, hinterher den Schuldigen bestimmen zu können. Das hier ist ein freies Land: Jeder darf fahren wie er will. So ein Manöver würde in jedem anderen Land mindestens eine stundenlange Diskussion nach sich ziehen. Aber die libyschen Polizisten sind nicht korrupt, und von der Strafe - wenn es überhaupt dafür eine gibt - haben sie nichts. Warum sollten sie also etwas unternehmen? Die Straße ist doch frei.
Um dreiviertel drei waren wir in Tripolis. Almut lotste mich zum Haus unserer Gastgeber, ich parkte das Auto unter dem Baum. "Du gehst ins Bett, gib mir den Schlüssel, ich trag den Rest hoch", sagte Almut. Ich ging hoch, sagte "Grüß Gott" und wachte erst am Nachmittag wieder auf.
Ich machte mich zivilisiert und stellte mich bei unseren Gastgebern vor. Als ich wieder in unser Zimmer ging, fiel mir gegenüber von der Tür ein Bild auf, das in der Mitte Ghadaffi zeigte, und links und rechts davon unsere beiden Gastgeber. Das erklärte alles. Deshalb hatten wir das Visum so einfach und so preiswert bekommen. Er ist Libyer, sie aus Deutschland und sie haben zusammen vier Töchter. "Also, Ihnen haben wir es zu verdanken, daß das mit dem Visum so glatt lief... Vielen Dank!", sagte ich. "Kein Problem. Almut ist wie meine kleine Schwester, für die tue ich fast alles. Und da ihr verheiratet seid, schließt Dich das mit ein", sagte der Herr Professor, als wir hinuntergingen zum Parkplatz, wo ich ihm noch einige "Präsente" überreichte. So funktioniert es eben in diesem Teil der Welt. Der eine hat Recht, der andere kennt jemanden. Im Endeffekt ist es überall so, auch wenn es in den westlichen Demokratien gerne schöngeredet wird. Fakt ist und bleibt: Wer mehr Geld hat, hat mehr Recht - auch in Deutschland.
Das Weihnachtsessen war vorzüglich. Und ich mußte Almut Recht geben: Das beste Weißbrot gibt es in Libyen. Das sagte sie immer, obwohl sie kein Weißbrot mag, aber sie ißt es, wenn es eben kein anderes gibt. Das Baguette könnte ich pur fressen, bis ich platze. Und es kostet nichts. Da kriegt man zehn Stück für umgerechnet 15 Cent geschenkt. Der Hausherr fragte mich durch die Blume, ob ich irgendwie schwul sei, weil ich freiwillig Geschirr spüle. "Bin ich nicht. Die Akademiker arbeiten mit der Stirn, die ungebildeten mit der Faust. Das ist bei Euch nicht anders, nur ist bei mir halt die Frau die Akademikerin..."
Der Mechaniker hatte mir die Hupe sinnvollerweise so eingebaut, daß sie bei der Betätigung des Schalters loshupte. Das hatte ich ihm nicht erklärt, weil ich es für selbstverständlich erachtet hatte, daß man mit dem Schalter nur die zusätzliche Hupe abstellt. Der einzige Sinn des Schalters ist doch die Polizeistaatkompatibilität, weil in der Drecksrepublik dort oben so eine 120dB-Hupe eine große Gefahr für die Gesellschaft darstellt. Daher der Schalter. So kann man die Hupe abschalten, wenn man zum TÜV fährt, oder wenn die Drecksbullen einen anhalten, weil man irgendeinen anderen Idioten groß angehupt hat. Aber wenn ich erst nach dem Schalter fummeln muß, um die Hupe zu betätigen, dann brauche ich sie nicht. Der Gedanke ist mir fremd, der dem Mechaniker im Kopf stak, als er diesen Quatsch in das Auto eingebaut hat. Jedenfalls nutzte ich den Abend, um das zu ändern. Es gelang mir, die Drähte so zu legen, daß entweder keine oder die große Hupe ging. Schließt man die Drähte an der Standardhupe zusammen, dann geht nur die normale. Eigentlich wollte ich, daß entweder die normale, oder aber beide gehen. Das bekam ich nicht hin. Das war's dann auch schon wieder. Den Rest des Tages unterhielt ich mich mit Janette und Mohammed.
Unter Palmen und Zypressen... |