Wie ausgemacht, weckte uns ein Polizist um 6:45 Uhr (km 1.305). Wir füllten
die restlichen Dieselkanister voll, einen zweiten Wasserkanister und fuhren
dann los, entlang der Steilstufe des Jabal Nafusah durch wunderschöne Berglandschaft
in Richtung Nalut, das wir etwa zwei Stunden später erreichten. Ein paar Kilometer
nach Nalut hielten wir an einer Tankstelle. Der Tankwart (?) sprach sehr gut
deutsch, meinte aber, er hätte schon wieder alles vergessen.
Die Vegetation wird immer spärlicher und die ersten Dünen zeigen sich langsam.
Oft ist die Straße verweht. Um 13:12 Uhr (km 1.661) zeigte das Thermometer 49,5°C
an. Und das bei 110 km/h! Der Innenraum hielt seine angenehmen 23°C obwohl
ich über keine Wärmeschutzverglasung verfügte. Auf dieser sonst sehr gut ausgebauten
Strecke, die auf bestem Straßenbelag, durch einige Ortschaften und Wadis führt,
tat sich in einer Rechtskurve vor der Haube ein Mega-Schlagloch auf. Da ich
gerade die Landschaft bewunderte und auch noch mit Trinken beschäftigt war,
erkannte ich es erst viel zu spät, um noch bremsen zu können und vernahm nur
noch einen heftigen Schepperer. Wer rechnet auch schon mit sowas? Endergebnis:
Ein halber Liter Pepsi war schön über Kameras, Vordersitzen und Mittelkonsole
verteilt. Hier war mal wieder meine bei solchen Vorfällen übliche fachmännische
Diagnose fällig: Fluchen - anhalten - Kippe anzünden - Feststellung treffen:
Auto ist Made in Germany - Batz wegwischen - einsteigen - weiterfahren.
Immer wieder mal lagen links oder rechts der Straße traurige Autowracks. Diese
findet man in Libyen fast überall. Teilweise noch "frisch", von den meisten
aber ist nur noch das gesandstrahlte Gerippe übrig.Schrottplätze soll es zwar
auch geben, aber die meisten werfen die Autos irgendwo in die Landschaft. Interessiert
sowieso keinen. Nach und nach werden die noch brauchbaren Teile immer weniger
bis nur noch die Karkasse übrigbleibt, die im Laufe der Jahre vom Sand verweht
oder zerfressen wird. Doch komischerweise kein einziges Mercedeswrack, obwohl
wir bisher schon unzählige Mercedes gesehen hatten, meist die 200er Vergaserlimousinen
der Baureihe W123. Auch diese findet man in Libyen fast überall.
Schon hier in der Gegend tauchen immer öfter Kamele auf... |
Als wir in Darj angekommen zum Tanken anhielten kamen wir mit einem Passanten ins Gespräch - besser gesagt, er mit uns (er ist Marokkaner und spricht französisch, was uns viertelgebildeten Ex-Semi-Humanisten auch nur dank französichem Wörterbuch ein klein wenig weiter half). Er lud uns zum Tee und auf Marlboro ein und füllte unsere restlichen Wasserkanister auf. Wir erfuhren, daß er der Besitzer des Restaurants war, vor dem wir uns aufhielten, welches aber für das noch nicht Libyengewohnte Auge nicht auf den ersten Blick als solches zu erkennen war.
Restaurants ("Mad'aam", oder so ähnlich) erkennt man an den davor stehenden weißen Kunststoffstühlen und -Tischen (made in Libya), die unseren Gartengarnuíturen gleichen und oft auch an Grills, die am Eingang stehen. Da wir nun schon einmal da waren, beschlossen wir, hier einzukehren und Mittagspause abzuhalten. Beim Bezahlen mußte ich ihm das Geld eher aufdrängen. Ich hätte ihm ja gerne erklärt, daß es einfach nicht geht, ein Restaurant zu öffnen und den Gästen das Essen zu schenken, denn dann muß man über kurz oder lang schließen und davon hätte niemand etwas. Aber da war die Sprachbarriere, die mich daran hinderte, ihm dies mitzuteilen.
Unsere gemütliche Mittagspause in Darj bei ungefähr 45°C. |
Um zehn nach drei verließen wir Darj in südlicher Richtung. Wir wollten über die Piste Darj - Idri nach Brak. Im Reiseführer steht, daß dazu kein Geländewagen erforderlich sei und auch der Restaurantbesitzer meinte es wäre "no problem". Unmittelbar hinter dem Ortsausgang begann wieder die Wüste, die Hammada al-Hammra - eine endlose Kieswüste.
Anfangs war das Gelände noch etwas hügelig. Wir verließen bald darauf (bei km 1.750) die Straße und fuhren auf die Piste. Hier mußte ich feststellen, daß das Auto zu tief hing, um mit einer hohen Marschgeschwindigkeit zu fahren, denn es saß bei jeder kleinen Unebenheit auf. Es war nur Schleichfahrt möglich. So hatte es keinen Sinn.
Die Piste Darj - Idri. Für eine unbeladene robuste Limo kein Problem... |
Das konnte ich nur bedauern, denn hier würde es richtig Spaß zu fahren. Einfach quer durch die Ebene, die grenzenlose Freiheit genießen. Hier entdeckte ich eine ganz neue Dimension in Sachen ASutofahren: Pisten. In der Michelin schlicht als "Tracks" bezeichnet sind diese alten Verkehrsverbindungen für mich etwas ganz neues gewesen. Es sind keine Feldwege, die man benutzt, um möglichst schnell von Gablingen nach Neusäß zu kommen, sondern es sind wichtige ale Karawannenwege mitten durch das nichts. Hier fährt man um des Fahrens Willen, ich könnte Tagelang auf so einer alten Piste fahren.
Die Gefahr dabei ist, daß man sich leicht verfahren kann, aber just dafür hatte ich den besten Navigator der Compagnie dabei. Und wenn er nichts kann, navigieren kann Michel wie kein zweiter. Man gibt ihn Karte, Gps, Taschenrechner, Zirkel und Lineal in die Hand und dann ist er in seinem Element, da macht ihm keiner so leicht was vor. Allerdings darf man das Zeug das man ihm gegeben hat hinterher nicht mehr Anschauen, denn Karten sehen nach der Benutzung aus wie Putzlappen.
...robust ist er, aber leider nicht unbeladen, wie man sieht. |
Wir mußten uns also damit abfinden, daß wir an den guten libyschen Asphalt gebunden waren und setzten die Fahrt auf der Straße Darj - Brak fort. Manchem mag sie vielleicht langweilig vorkommen und ich wäre auch lieber auf der Piste gefahren, aber allein die Tatsache, daß man solche Straßen in Europa nirgendwo finden wird, verlieh ihr einen gewissen Reiz. Und die Piste läuft ja auch nicht weg. Noch in diesem Jahrtausend werde ich auf dieser Piste fahren.
Schon nach wenigen Kilometern waren die Hügel links und rechts der Straße nicht
mehr zu sehen und eine unendlich scheinende Fläche tat sich auf. Alles schien
bretteben zu sein und man kann hier sehr gut die Erdkrümmung sehen, ähnlich
wie auf dem Meer - zumindest kann man sich das prima einbilden.
Die Dromedare, Notrufsäulen (alle 6 km) und Stromleitungen, die uns bis kurz
vor Darj begleitet hatten waren längst verschwunden, und das erste Auto sahen
wir erst wieder im über 300 km entfernten Gariyat. Die einzigen Anzeichen menschlicher
Zivilisation waren das graue schnurgerade Asphaltband, und immer wieder Reifen
am Straßenrand. Hier ist die Straße, die im "Göttler" (Libyen-Reiseführer) als
A7 bezeichnet wird:
Nach 100 km... |
...nach 200 km... |
...am nächsten Tag, etwa 100 km weiter. |
Weil jeder beim Anblick dieser Bilder fragt: "Und was, wenn Du hier eine Panne
hast?" Antwort: "Ich rechne eher damit, daß mir hier eine Eisbärenfamilie begegnet."
Das sind Straßen, auf denen man einen Porsche austrappen kann: Erstklassiger
Belag, butterweich zu befahren, keine Schlaglöcher, keine Spurrillen, fast keine
Kurven, keine Ampeln, keine Kreuzungen und vor allem kein Verkehr, also auch
für Frauen am Steuer geeignet.
Doch gerade hier in Libyen bekam ich weder einen
Porsche (Neueste 7er BMW und S-Klassen dafür jede Menge) noch eine Frau am Steuer
(außer in den großen Städten) eines Wagens zu sehen, dafür aber 8-jährige Pimpfe.
Verkehrte Welt...
Die Nachtplatzsuche fiel uns nicht schwer. Wir fuhren einfach kurz vor Sonnenuntergang
im 90°-Winkel von der Straße ab, behielten den Kurs für einige Kilometer
bei und fertig. Die Straße war nicht mehr zu sehen und um uns herum nur die
unendliche Weite der Sahara. Kein Hügel, keine Pflanze, kein Viech, kein Geräusch.
Nichts mehr außer Kies und der unaufhörlich wehende Wind.
Hier erlebten wir zum ersten mal die Wüste. Unendliche Weite, unendliche Ruhe alles ist tot und doch in Ordnung. |
Uns fiel auf, daß wir seit dem Frühstück auf der Fähre abgesehen vom dem Happen im "Restaurant" des Marrokaners nichts gegessen hatten. Aber Hunger hatte keiner und so begnügten wir uns mit Tee und libyschen Cigaretten.
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