Auch auf tunesischer Seite ging es relativ rasch, denn sie war schon um 0:45
(23:45 Uhr tunesische Zeit) Uhr beendet. Noch 32 Stunden bis zum Ablegen der
Fähre. Im Vergleich zum letzten Jahr hatte sich in Tunesien einiges gebessert.
Ich kann mich erinnern, daß damals unser Wechselgeld von 9 TD einbehalten wurde
(siehe Libyen 98
Teil III). Dieses Jahr bezahlte ein Zöllner den einen Dinar für uns. Gut.
Nun schulden sie mir nur noch 8 TD. Trotzdem: am Besten gleich weg. Auch die
libyschen Dinare wurden nicht - wie es immer noch üblich ist - eingewechselt.
Die brauchen wir vielleicht doch noch, und sei es doch nur, um sie an die Wand
zu hängen. Wir fuhren in Richtung Tataouine und suchten uns einen Nachtplatz
in einer Gegend, die ziemlich verlassen schien.
Als die Nacht ihren wohltuenden Schleier vom Land nahm, zeigte sich, daß das
hier mit Wüste nichts mehr zu tun hatte. Wir standen eher an einem Acker mit
Feldweg daneben. Egal. Weiter...
In Medenine wurden 50 US$ gewechselt und wir fuhren auch gleich weiter. Ich
war mal wieder in ein Gespräch vertieft. Es ging um Südafrika, und da war ich
natürlich ganz Ohr und das Autofahren erledigt das Unterbewußtsein. Plötzlich
gibt mir ein Polizist auf dem Krad ein Zeichen zum Anhalten.
"Mist! Auch das noch. Was will denn der jetzt?"
Almut erklärte es mir: "Den hast Du gerade überholt, der fuhr vor dem grünen
VW-Bus her."
"Hä? Was'n für'n VW-Bus? Hab' ich nicht gesehen. Aber was soll das? Bin doch
nicht zu schnell gefahren und es kam ja niemand."
"Schon, aber da war Überholverbot."
"Oooo...stimmt. Hier muß man ja wieder auf die Schilder achten." Ich hielt also
an und der Polizist erzählte mir irgendwas auf Französisch. Ich muß ihn angeschaut
haben, als hätte er gerade aramäisch gesprochen und sagte "Wissen's des war
aso... Ich hab's verwechselt, weil... Hilfe! Almut, hab Angst! Mach was!" Almut
kurbelte das Fenster herunter und schwallte ihn auf Arabisch voll. Das funktionierte
schon besser. Sein Gesicht wurde äußerst freundlich und er war ganz entzückt,
daß eine Europäerin Arabisch konnte. Er sagte ihr dann, sie soll "ihrem Mann"
doch bitte sagen, daß er auf die Verkehrsregeln achten möge und ließ uns ungeschoren
davonfahren. Passt. Harri saß auf dem Beifahrersitz und Almut hinten. Diese
Sitzordnung wurde während der ganzen Reise beibehalten, denn erstens sieht es
für einen Araber blöd aus, wenn Frau vorne sitzt und zweitens wird bei Polizeikontrollen
immer der Fahrer angesprochen, so daß es besser ist, wenn sie versteht, was
die Leute da sagen.
Wir fuhren weiter und vielleicht noch 35 Kilometer vor Kairouan passierte, was
wir alle befürchtet hatten und woran wir uns schon fast gewöhnt hatten: Wieder
ein Platten... wieder hinten links und wieder der Hankook, wie es der Monteur
in Schweyrif prophezeit hatte.
"Oaner geht no..." |
Auf beiden Seiten der Straße waren Kakteenplantagen. Das Handtuch, das ich
vorne in das Fenster geklemmt hatte wirkte wahre Wunder. Draußen war es sehr
heiß, aber die Klimaanlage mußte auf Minimum laufen, da es sonst "zu kalt" wurde.
So muß es sein. Leider kam ich auf diesen Trick erst in Tunesien. In Libyen
wäre er auch verkehrstechnisch geschickter gewesen, weil man den Rückspiegel
außerhalb der Ortschaften nie braucht.Wir hatten ja in der Zwischenzeit schon
etwas Routine, wenn es um Reifenwechsel ging. Das Dumme war nur, daß wir eben
nicht mehr in Libyen waren. Auto hoch, Reifen ab und darauf warten, daß vielleicht
mal einer anhält. Zum Latschen hatte ich keinen Bock. Almut hätte das nicht
gestört, wahrscheinlich hätte sie auch noch den Reifen getragen, aber wir wußten
zunächst nicht, wohin. In Libyen hätte das erste Auto gestoppt, hier mußte man
länger warten. Nach einer Zeit hielt ein Taxi an und der Fahrer sagte, das sei
die falsche Richtung. Sieben Kilometer zurück läge eine Ortschaft - die wir
alle übersehen hatten. Ist ja schon mal was. Also stellten wir uns auf der anderen
Seite der Straße an. Wieder nach einer Weile hielt erneut ein Sammeltaxi an.
Reifen aufs Dach und zum nächsten Reifenhändler - "one Dinar". Dort einen Schlauch
einziehen lassen - war nicht viel teurer als in Libyen - und ab zum Sammeltaxistand.
Dort warteten wir, bis sich genug Leute eingefunden hatten und fuhren dann wieder
mit dem Reifen auf dem Dach zum Auto zurück. Wieder kostete es "one Dinar".
War günstig, aber kostete Zeit. Beim Reifenaufziehen krachte noch schnell der
Wagenheber zusammen, ich konnte die Hände aber noch rechtzeitig aus dem Radkasten
herausziehen. Die wären wahrscheinlich ins Reifenprofil integriert worden. Doch
nicht so weit her mit der Routine... Vielleicht trete ich beim nächsten mal
die Feststellbremse?
Wir sahen zu, daß wir nach Tunis kamen. Möglichst ohne weitere Zeit- und Geldverluste,
denn sonst würde es wieder knapp werden mit beidem. Wenn in Tunis ein Reifen
ausfiele, dann wäre ich zur Not auch auf der blanken Felge auf die Fähre geeiert
und hätte in Italien den ADAC kommen lassen müssen. Da wir schon in Kairouan
waren, wollten wir auch einen kleinen Abstecher zu einer der ältesten Moscheen
machen. Hier bekamen wir eine Gratisprobe tunesischer "Gastfreundschaft", wie
sie im Buche (z.B. im Göttler) steht: "Wer wiederholt in anderen Sahara-Ländern
unterwegs war, kennt die oft falschen oder mit Hintergedanken verbundenen Rituale
der Gastfreundschaft: Die Einladung zum Tee, um ein Verkaufsgespräch zu führen,
die Einladung zum Essen, um die Adresse des Gastes zur Erlangung eines Einreisevisums
erbitten zu können... immer dem Motto folgend: 'Sei mein Gast, damit ich Dich
um etwas bitten kann.' " Wir fuhren also frisch, fromm, fröhlich, frei durch
Kairouan, als uns zwei junge Burschen ein Zeichen gaben, das Fenster herunterzukurbeln.
Bitte... Harri dachte sich wohl auch nichts und tat dies. Sie fragten auf Deutsch
(!), was wir denn suchten. Wir erklärten, wir wollten die und die Moschee besichtigen.
Sie gaben uns ein Zeichen, ihnen zu folgen und fuhren voraus. An der Moschee
erklärten sie, man dürfe hier nicht parken. Sie würden uns zum Parkplatz führen.
Gut, wir fuhren ihnen nach. Sie sagten, daß die Moschee geschlossen hätte, wir
aber von diesem Dach dort einen guten Blick auf sie hätten und Photos machen
könnten. Die zwei, Almut und Harri gingen mit, während ich es vorzog, im Auto
sitzen zu bleiben. Wir waren schließlich in Tunesien, wo es viele Touristen
gibt und wo viele Touristen sind, ist viel Geld und wo viel Geld ist, da sammeln
sich allerlei zwielichtige Gestalten. Als einer davon bemerkte, daß ich nicht
mitgegangen war, kam er zurück und sagte, ich solle doch auch aussteigen. Ich
sagte ihm, daß ich lieber im Auto sitze, weil es mir draußen zu heiß wäre und
mich sowieso nicht für Kultur interessierte, doch er ließ sich nicht abwimmeln.
Er erzählte, daß Kairouan die Hauptstadt der Teppichknüpferei sei und daß das
sehr interessant sei. "Mag sein. Tibetanische Literatur ist sicher auch sehr
interessant, aber nicht für mich." Meine Freunde wären schon oben. Also gut.
Ich machte den Motor aus, sperrte ab und ging in die "Teppichknüpferei" hinein.
Ein Mann, Mitte vierzig, stand am Eingang und hieß mich auf Deutsch willkommen.
Er sagte, ich solle die Treppen hinaufgehen, meine Freunde wären dort oben.
Das Treppenhaus war ziemlich dunkel und als er mir sagte, er könne nicht mit,
da sein Knie weh tat, kam mir das Ganze etwas suspekt vor. Oben war nichts zu
hören. Ich ging hinauf und sicherte immer nach hinten, damit nicht einer auf
die Idee kam, die Tür hinter mir zuzuschlagen und zu verriegeln. Oben vernahm
ich deutsche Wortfetzen, also waren sie doch oben. Gut. Und ein Blick aufs Auto
hatte man von der Dachterrasse aus auch. Noch besser. Nach den Ausführungen
schickte man uns alle wieder nach unten, wo der Mann Mitte Vierzig schon auf
uns wartete. Er hieß uns Platz nehmen und ließ einen Pfefferminztee anfahren.
Tja, und nach einigen Ausflügen in die christliche und islamische Religion und
Anekdoten über seine Töchter sahen wir uns auch schon mitten in einem Verkaufsgespräch
verwickelt. Er ließ Tonnen von Teppichen heranschaffen und erzählte zu jedem,
was das für ein einmaliges Wunderwerk orientalischer Handarbeit sei und daß
die Teppiche die kommenden Jahrtausende überdauern würden und eine gute Geldanlage
wären. Es half nichts, als ich ihm erzählte, daß wir nur das Geld haben, das
wir für die 50 libyschen Dinare an der Grenze bekommen hätten; das seien weniger
als 50 tunesische Dinare, die wir zum Essen und eventuell für Reifen bräuchten.
Sofort erklärte er, wir könnten mit D-Mark oder EC-Karte bezahlen. Hatten wir
natürlich auch nicht, wer nimmt schon nach Libyen eine EC-Karte mit? So ein
Blödsinn. Hätte uns genausogut nach indischen Rupien fragen können! Wir ließen
uns nichts andrehen; ganz abgesehen davon, daß wir wirklich kein Geld hatten,
außer Reiseschecks. Und was um Himmels willen hätten wir mit Teppichen anfangen
sollen? Was wir nicht ganz verstanden, war, daß er plötzlich so über die Libyer
schimpfte. Das seien doch alles Diebe, Betrüger und Verbrecher. Neid? Egal.
Soll er weiterschimpfen ("Was stört es eine libysche Akazie...?").
Wir bedankten und höflich und versuchten möglichst bald ins Auto zu kommen.
Er fragte noch, ob wir Reifen zu verkaufen hätten - ja, aber nur zerfetzte.
Das verstand auch wieder keiner, wir wollten es auch gar nicht verstehen, sondern
nur möglichst schnell nach Tunis. Als wir schon alle im Auto saßen und losfahren
wollten kamen wieder die zwei Typen, die uns mit dem Roller vorausgefahren waren
und verlangten "Trinkgeld für Benzin". Ich wollte ihnen schon ein paar Münzen
geben, doch da kam zum ersten mal auf der Reise Protest der Beifahrer auf. "Alter,
laß stecken, wo kommen wir denn da hin? Wir haben sie um nichts gebeten." Recht
hatten sie. Danke. Servus... und weg. Von jetzt ab würden wir uns nicht mehr
anquatschen lassen. Den Libyern gleichen die Tunesier nicht..."zu tief ist es
gefühlt!"
Wir gingen nun dazu über, das Geschwätz eines jeden, der uns ungefragt ansprach,
als potentiell infektiös zu betrachten, um uns weitere Unannehmlichkeiten und
Zeit zu ersparen. Als Almut und Harri in einem Laden waren, um Getränke zu besorgen,
sprach mich der Nächste an, keine Ahnung, was er außer Geld noch wollte, ob
er Französisch oder Arabisch redete, jedenfalls antwortete ich immer nur böhmischen
Stumpfsinn, gerade so, als wäre es ein deutscher Polizist: "Ja, genau. Das ist
mir auch passiert, als ich neulich beim Frisör saß." oder "Nein, da haben Sie
nicht Recht, ich habe nämlich erst vor zwei Wochen im 'Prager Tagblatt' gelesen,
daß blau schwerer ist als rot."
Wieder dieser Drang, möglichst schnell dieses Land zu verlassen. Es gefiel uns
immer noch nicht so recht, obwohl immerhin die Polizisten auf ihrem "Seid-lieb-zu-den-Touris-sonst-geht-das-Geschäft-kaputt-Lehrgang"
gut aufgepaßt hatten. Bis Tunis wurde nicht mehr angehalten. Es regnete zwischendurch.
Am frühen Abend waren wir in Tunis. Wir kauften im Supermarkt (so etwas hatten
wir schon seit einem Monat nicht mehr gesehen) die Zutaten fürs Abendessen.
Wir wollten eigentlich nocht Karthago besichtigen. Das kannte ich noch aus dem
Lateinunterricht ("ceterum censeo Carthaginem esse delendam"), aber entweder
hatten die Römer das so gründlich erledigt, daß man bis zum heutigen Tag nichts
mehr davon sieht, oder wir waren einfach zu blöd, es zu finden.
Das Schild hinter dem Auto mit der Aufschrift "Carthague" war das einzige, was wir von Karthago sahen. |
Keiner konnte uns sagen, wo es mehr zu sehen gab. Vielleicht muß man doch mit
einem Reiseunternehmen nach Tunesien fahren, um etwas von der vielgepriesenen
Kultur mitzubekommen. Oder man muß sich mehr Zeit nehmen. Das ist sowieso das
A und O in Afrika.
Wir fuhren an den Strand, wo wir zu Abend aßen und blieben dort über Nacht.
Wir waren so pleite, daß ein Platten uns vor ein größeres Geldproblem gestellt
hätte. Die Temperatur war angenehm. Einige Katzen nervten, aber die Tunesier
ließen uns in Ruhe. Almut und Harri schliefen draußen. Ich zog wieder die Rückbank
vor. Man konnte sogar bei offenem Fenster schlafen, denn Mücken gab es hier
nur eine und die hatte ich in der Nacht erschlagen.
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