Wir mußten nun dem Polizeichef erklären, was wir hier vorhatten. "Was zum Henker
wollen deutsche Touristen mitten in der Nacht in einer Stadt wie Siirt, in der
es nichts zu sehen gibt und die dafür bekannt ist, daß laufend Anschläge verübt
werden?" Das wußten wir nicht. Wir wußten auch nicht, daß nicht weit entfernt,
in Bingöl, einige Stunden vor unserem Eintreffen in Siirt, eine Bombe hochgegangen
war. Die arabischen Einreisestempel in meinem Paß sprachen auch nicht gerade
für mich. "Was haben Sie in Libyen gemacht?" wollte er wissen. "Urlaub" antwortete
ich wahrheitsgemäß. Aber ich konnte ihn nicht überzeugen. Wer macht auch schon
10 Tage Urlaub in einem Land wie Libyen?
Ich hätte es an seiner Stelle ehrlich gesagt auch nicht geglaubt. Er sagte noch,
ich würde ins Stadtbuch kommen, als erster Deutscher in Siirt. Es gab noch Essen,
Tee und Zigarretten. Ich legte mich kurz hin. Wir wurden von den Polizisten
sehr korrekt und höflich behandelt. Auch der Polizeichef war höflich und zuvorkommend,
wir unterhielten uns lange, mit Zehra als Dolmetscher, über allerlei, auch über
Politisches und Geschichtliches. Er fing an, mir irgendwas von den großartigen
sozialen Ideen von Adolf Hitler zu erzählen, warum ich überhaupt auf
die Idee gekommen sei, durch die Welt zu fahren, anstatt in Deutschland zu bleiben,
Kinder zu produzieren und auf die Art und Weise für den Fortbestand des
deustchen Volkes zu sorgen. Darauf wußte ich, so gefragt, natürlich
keine Antwort. Als es ihm zu blöd wurde, schickte er mich aus dem Raum.
Was dann geschah, erzählte mir Zehra hinterher: Er hätte sie gefragt,
wie ich heiße. "Markus Besold", antwortete sie, ebenfalls wahrheitsgemäß.
Er schlug einen anderen Ton an: "Ich frage Dich jetzt zum letzten Mal:
Ich will wissen, wie er wirklich heißt." Sie war eingeschüchtert
und antwortete: "Ich kenne ihn nur unter diesem Namen. Falls er einen anderen
hat, dann weiß ich es nicht." Nach einer weile wurde ich wieder in
den Raum geholt. Ob ich Hunger hätte. "Nein, danke. Ich bin nur müde."
Er fragte, ob ich bei der Armee sei. "Nein", sagte ich. Stimmte auch.
Die wollten mich damals nicht haben. Er winkte mich an seinen Schreibtisch.
"Was ist das für eine Uniform?", fragte er und zeigte auf mein
Paßbild. Verdammt. Das hatte ich glatt vergessen. Wie erkläre ich
ihm das nun? "Das ist eine Uniform aus dem zweiten Weltkrieg", sagte
ich. Und es stimmte auch, nur glaubte er mir halt nicht die Bohne. "Doch,
schau, da sieht man sogar noch den Adler", versuchte ich es dennoch. Daß
ich zu jung war, um am Kriege teilgenommen zu haben, das war nun offensichtlich.
"Das war ein Scherz, den ich mir mit den deutschen Behörden erlaubt
habe. Die Uniform ist verboten, aber wenn ich sie im Paßbild anhabe, dann
habe ich immer einen amtlichen Nachweis, wie bescheuert sie sind, verstehen
sie? Verbieten etwas, aber kapieren nicht, wenn es vor ihrer Nase liegt."
Und wer gab ihm die Garantie, daß ich mir nicht gerade mit den türkischen
Behörden einen Scherz erlaubte? Was soll man darauf antworten? Hin und
her... Ende vom Lied: Wir mußten wieder abreisen, und zwar nach Westen.
Um 5:45 Uhr traten wir den Rückweg an. Bis zur Stadtgrenze mit Polizeieskorte. Hier mein und des Daimlers östlichster Punkt: Das Stadtzentrum von Siirt. |
Um 9:00 Uhr (km 4.881) waren wir wieder in Diyarbakir und tankten, obwohl keine
Notwendigkeit bestand. Ich packte den Schlafsack aus und haute mich an der Tankstelle
aufs Ohr. Punkt Mittag ging es weiter. Wir fuhren wieder über Sanliurfa und
Adana nach Tarsus, wo der Bruder von der Mitbewohnerin von der Ayse wohnte,
den wir am nächsten Tag mit nach Alanya nehmen sollten. Die Fahrt verlief ohne
weitere Zwischenfälle, an den Polizeikontrollstellen wurden wir durchgewinkt.
Die Polizisten von Siirt riefen noch zweimal an, um sich zu erkundigen, wie
es uns geht, wo wir sind und ob es irgendwelche Probleme gab. Die Autobahn ist
bestens ausgebaut und bei der Maut handelt es sich um lächerliche Beträge (etwa
2,- DM pro 100 km). Dreispurig, in der Not verfügt sie also über 6 Fahrbahnen
in jede Richtung, da nicht die Striche, sondern allein die Breite der Straße
entscheidend ist. Und diese hier ist wirklich breit und hat einen babypopoglattem
Belag, auf dem es sich Butterweich fährt. Um 20:00 Uhr (km 5.439) waren wir
da.
In Tarsus angekommen erfuhren wir in den Nachrichten, daß in Adana ein Flugzeug
abgestürzt war und daß es am Bayramwochenende 190 Verkehrstote gegeben hatte.
Was beweist das? Daß die Türken im Gegensatz zu den Deutschen fahren können,
denn 86 Verkehrstote am Osterwochenende in Österreich sind nicht schlecht, man
muß das ganze nur prozentual betrachten.
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