Almut wollte noch die Festung Alhambra bei Granada ansehen. Es war mittlerweile halb drei geworden. Das Al deutet daraufhin, daß es sich um irgendwas Arabisches handeln mußte. Doch die finden wir trotz unserer ausgedehnten Suchaktion nicht. Dafür durchfuhren wir San Pedro de Alcântara. Da ist auch ein Al mit drin. Bis in das andere San Pedro, das an der Elfenbeinküste war noch ein Stück weit weg und es war nicht sicher, daß wir das jemals erreichen würden. Statt der Festung fanden wir einen Hain, in dem wir beinahe Almut loswurden. Ich bemerkte erst, daß sie ausgestiegen war, als sie wieder ins Auto hineinwollte. Das kommt davon, wenn man es unterläßt, anständige Meldungen zu machen.
Einmal noch Tanken in Gor - diesmal ohne Zwischenfälle - oder so und um 7:00 Uhr Morgens trafen wir in Tarifa vor der Kaserne ein, die ich noch von der Spanienfahrt im Oktober 1997 her kannte. Sie stand immer noch so da, wie wir sie verlassen hatten sogar das Wetter war das gleiche, nur die Möwen fehlten, dafür stand ein neues Parkverbotsschild da. Ist ein komplett anderes Gefühl, zu wissen, daß man diesmal "rüber" fährt. Damals schaute ich eine ganze Weile das Gebirge auf der anderen Seite der Meerenge an, heute war es nur ein kurzer Blick - würden wir bald von der Nähe sehen. Und das Gebirge wirkte schon gar nicht mehr so spektakulär wie damals. Damals war es das weite, große, fremde, geheimnissvolle, unbekannte, unerreichbare Afrika. Jetzt war es das Touriland Marokko, das wir in einigen Stunden zu Transit-Zwecken unter den Rädern haben würden.
N 36°00.357' / W 05°36.535' Unser Wendepunkt von 1997 wurde endlich zum Sprungbrett nach Afrika. |
3.104 Kilometer waren es bis hierher und ein paar sollen schon noch dazukommen. Nachdem unser Schlaf erst vom Militär, dann von der Polizei unterbrochen wurde, hatten wir keinen Bock mehr. Habe ich etwa geschrieben, daß die Spanier heuer wieder sehr umgänglich sind? Das war vor drei Jahren noch alles viel gemütlicher: "Können wir hier schlafen?" - "Ja, kein Problem. Stellt Euch halt ein bißchen weiter an die Seite, damit die Autos durchkönnen..." - War 1997 kein Thema. Verdammter EU-Dreck, ich hoffe, daß nicht ganz Spanien dermaßen eingedeutscht wurde, wäre schade. Um 10:30 Uhr drängte Igl darauf, daß wir endlich losfahren. "Kruzefix! Das hier ist zwar eine Kaserne, aber ich wußte nicht, daß wir hier Dienst tun..."
Eine Stunde brauchten wir noch, um umzuräumen und zu frühstücken, dann fuhren wir los nach Algeciras, auf die Fähre, die uns nach Ceuta bringen soll. Das war beabsichtigt, weil dann die Grenzormalitäten an Land vor sich gehen und nicht auf dem Schiff oder im Hafen, wo man eingesperrt ist und ungebetenen Helfern ein gutes Ziel bietet. Außerdem ist Ceuta sehr billig und da lohnt es sich, vollzutanken und wenn möglich, noch ein paar Kanister aufzufüllen. Bevor wir zur Fähre fuhren, mußte noch ein Supermarkt angefahren werden, um solche unentberhrlichen Sachen zu kaufen wie einen babyblauen Becher für Besi, damit er ja nicht sein kleines Schwesterlein vergißt. Während die Einkäufe erledigt wurden, versuchte ich auf den Blechen liegend ein wenig Schlaf nachzuholen, denn irgendwie war ich in der Nacht nicht dazugekommen.
Half nicht viel, die 20 Minuten reißen's auch nicht raus. Wir fuhren dahin, wo die "Ferry" ablegt und stellten uns einfach hinten an. Natürlich kam einer dieser Porteurs daher, der zur Eile antrieb und natürlich gingen wir ihm nach. Ich fragte nach dem billigsten Fährticket, es gab aber angeblich nur welche um die 300 DM. Ich hatte mit 150 gerechnet. Stand so im Internet, aber wir nahmen sie trotzdem und - natürlich - wollte der Kasper hinterher Geld. Wir gaben ihm unsere Münzen, die wir eh nicht mehr brauchen würden.
Es dauerte 20 Minuten, bis die Fähre ('Superfast': Algeciras - Ceuta: Eine Stunde) kam. Um 14:28 Uhr fuhren wir (wieder als die Vorletzten) auf die Fähre und verließen mit 638.132 Kilometern auf der Uhr den europäischen Kontinent. Diese 3.132 Kilometer waren vorerst für unabsehbare Zeit die letzten in Europa. "Nun, ade!, Du mein lieb Heimatland..."
Die Fahrt verlief ereignislos, die Fähre war nicht so gemütlich ausgestattet, wie die in Skandinavien, aber die Kürze der Überfahrt entschuldigt einiges - auch das Fehlen einer Dusche. Als wir aus dem Frachtraum fuhren hieß es "Nun aber die Michelin raus..." Es ist immer ein Anlaß für eine Cigarette, wenn die Michelin-Staßenkarten wieder im Einsatz sind.
Um 15:40 Uhr waren wir in Ceuta. Das ist eine spanische Exklave und dort ist wohl alles steuerfrei. Das ist sehr angenehm, hier werden die Diesel- bzw. Benzinvorräte ergänzt. Dazu mußten wir aber Geld wechseln. Wir mußten auch nicht lange suchen, denn schon bald kam einer dieser fliegenden Geldwechsler. Diesmal haben wir aber ihn übers Ohr gehauen, denn wir wechselten keine Währung, sondern nur Schillinge und die Hälfte davon war auch noch abgelaufen. Think african... Wenn man nicht wüßte, daß er sie sowieso dem nächsten Gauner andreht, dann könnte man glatt ein schlechtes Gewissen bekommen.
Nach dem Tanken und Cigarettenholen mußten wie damals 1997 noch zwei Postkarten aus Südspanien, diesmal von der anderen Seite der Meerenge nach Hause geschickt werden. Auf dem Weg zum Postkartenholen haben wir den Pajero verloren, der uns zwar hinterher aber gleichzeitig vorausfuhr. Das klappt nicht... Nicht bei dem Verkehr. Wir erhielten kurz nach dem Fühlungsverlust einen Anruf (das Handy vom Pajero-Man war irgendwie bei mir gelandet), daß wir uns an der Grenze aber noch auf spanischer Seite treffen sollten. Gut, wir erledigten die Post und fuhren denn zur Grenze.
Auf dem Weg zur Grenze, es waren nur noch ein paar hundert Meter, kam uns ein seltsamer Konvoi entgegen: Vorne ein Polizeiauto, dahinter unser Pajero und dahinter wieder ein Polizeiauto. "Öha! Do muaß ebbs passiert sei..." Im Vorbeifahren brüllt uns Igl etwas Unverständliches zu. Wir wenden und hängen uns hinten an den Konvoi. Ich konnte mir keinen Reim drauf machen und fuhr ihnen halt hinterher.
Bei der Polizeistation hielten wir. "Was los?" -"Unfall!" "Ach so... kann passieren." Ich ging mit auf die Polizeistation, konnte aber nicht viel ausrichten außer dem Igl zu erzählen, was die gerade untereinander sprechen und was für Papiere sie sehen wollen. Ich ließ mir vom Igl den Unfallhergang schildern: Also irgendwie fuhr Igl hinter einem LKW her und wollte links in die BP abbiegen. Ein Roller, der auf der Gegenfahrbahn unterwegs war, schaffte es nicht mehr auszuweichen und knallte gegen den nicht mehr ganz auf seiner Fahrbahn stehenden Pajero. Licht kaputt, Motorhaube verbeult, nicht weiter schlimm. Der Rollerfahrer kam ins Krankenhaus und wir auf die Polizeistation. Große Diskussion, Theater, Versicherung, ADAC und alles was dazugehört. Alles nicht so das Problem, nur hatte dieser kleine Blechschaden, der immer und überall passieren kann, und der der Reise keinen Abbruch tun sollte, auf den Beifahrer im Pajero einen solch starken Eindruck hinterlassen, daß er nur noch Heim zu Mammi wollte und warmen Kakao trinken. Das machte uns allen mehr Sorgen als der Unfall. Der Rollerfahrer kam auch noch an die Polizeistation und war schon wieder wohlauf und guter Dinge, wird ihm nicht zum letzten mal passiert sein und er sah das Ganze auch recht sportlich - freilich wäre er wohl nicht traurig, wenn er ein paar Pesetas von der Versicherung bekommen würde, aber das gehört nun mal dazu. Sind recht stabil, diese Spanier.
Mit Mühe, Not und betonter Gelassenheit konnten wir, vielmehr Igl und Almut, den Beifahrer dann doch dazu bringen, kompromißhalber noch ein Stück mitzufahren, wo wir doch schon einmal auf dem afrikanischen Kontinent waren. Das ist eben das mit der Auswahl der Beifahrer, man weiß nie, was für einen man erwischt, denn daheim, im sicheren Hafen sieht alles ein wenig anders aus. Man weiß ja und es ist schon abertausende von Malen angesprochen worden, daß "etwas passieren" kann. Das ist ja die Hauptsorge der Deutschen. "Ja, um Himmels Willen! Wenn was passiert?" Ist halt so. Ob in Schweden oder in Italien, so auch in Spanien, je wuseliger der Verkehr ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß man mit einer Dulle heimkommt, erstrecht, wenn man hier zum ersten mal richtigen Verkehr erlebt. Aber wenn es dann tatsächlich scheppert, dann kommen viele nicht damit klar. Typischer Fall. Schließlich hat sich an der Situation nichts geändert, außer, daß das Scheinwerferglas, der Kotflügel und die Motorhaube eben kaputt sind. Den Beifahrer braucht das überhaupt nicht zu kümmern, es berührt ihn nicht im Geringsten. Mit Logik ist dem allerdings nicht beizukommen. Einem kleinen Mädchen, das Angst im Dunkeln hat kann man auch erzählen was man will. Solange es hell ist, sieht es alles ein, macht man das Licht aus, dann fängt es an zu plärren.
Die Dulle, die der Roller am Pajero hinterließ. |
Man konnte ihn nicht überzeugen, aber immerhin gelang es, ihn zu überreden sich zusammenzunehmen und nicht 500 m vor der marokkanischen Grenze umzukehren, wenn auch knapp. Das wäre mir zu dumm, das war uns allen zu dumm, man stelle sich nur vor, wie sich das anhört: "Wo warst Du im Urlaub?" -"In Ceuta, kurz einen Unfall bauen undd dann wieder heim." Außerdem hätten wir doch noch einen Abstecher nach Verdun machen können, wenn wir das gewußt hätten. Ha! Und wären wir ein paar Stunden später losgefahren, dann wäre da kein Rollerfahrer gewesen - kann man hinterher leicht sagen...
Um 20:15 Uhr waren wir endlich an der Grenze. Erinnert leicht an die libysche. Hangar, saharagelbe Uniformierte, Araber, die vor den Schaltern schlange stehen. Und wir gleich mal dem ersten "Porteur" aufgesessen - das war der feine Unterschied zur libyschen Grenze. Dort halfen uns die Uniformierten ohne etwas zu verlangen. Bin auch immer noch Anfänger. Egal, wird noch öfter passieren.
Igl erzählte mir, daß einer dieser Typen, die auch auf der Polizeistation waren versucht hatte, ihm einen Zettel für 8.000 Pesetas anzudrehen, mit dem Hinweis, daß man den an der Grenze unbedingt braucht, sonst würden einen die Marokkaner nicht reinlassen. In Wirklichkeit bekommt man diese Zettel von den Marokkanern, ob man sie will oder nicht, sie sind Teil der Einreiseformalitäten. Es war auch der gleiche Typ, der dabei war als der Unfall passierte und der den Igl fragte, ob er einen braunen Mercedes suchen würde. Igl bejahte und der Typ meinte, er wüßte, wo der Mercedes sei und für 2.000 Pesetas würde er es ihm auch zeigen. Allerdings fiel Igl auf keinen seiner Versuche rein. In Ceuta ging der Punkt an uns - wir hatten sie über den Tisch gezogen mit den abgelaufenen Schillingen und nicht umgekehrt. In Marokko fielen wir erstmal auf einen Porteur rein, mal gewinnt man, mal verliert man, c'est la vie, c'est la guerre...
Der Polizist der sich die Doppelkarte ansah, schaute zu genau, ganz anders als damals in Tunesien. Die Idioten bei Gerling haben mir einfach ein schönes schwarzes Kreuz auf meine Versicherungsdoppelkarte gemacht, genau auf das Länderkürzel für Marokko. Das Kostet uns 120,- DM für 10 Tage Versicherung in Marokko. Als hätte ich Aramäisch geredet, als ich sagte, daß ich sie für Marokko gültiggeschrieben haben will... Wenn man nicht alles sofort nachkontrolliert...
Um 21:38 Uhr (Rkm 3.159) war das Prozedere beendet und wir konnten die Fahrt
fortsetzen. Es war bereits dunkel geworden als wir loskamen und der Wind war
relativ stark. Auf der kurvenreichen Küstenstrecke, die nach Tanger führte, suchten
wir eine Gelegenheit, die Straße zu verlassen. Bei km 14 ab Grenze fanden wir
etwas Passendes. Wir übernachteten an einem kleinen Hang, an dem ein Weg zu
einem kleinen Haus führte. Das Haus war bewohnt und der Chef hatte nichts dagegen,
daß wir daneben übernachten, er lud uns sogar noch zum Tee ein.
Die blöde Geschichte mit dem Roller und der Grenzübergang hatten uns eine Menge
Zeit gekostet. Ganze 69 km hatten wir heute zurückgelegt, das war gerde ein
Zehntel des geplanten. Nachts war es kalt und windig. Jacke wäre was gewesen,
in Augsburg hängt sie gut...
Wir kochten noch Ravioli, tranken später noch einen Tee mit dem Besitzer des Hauses, mit dem sich nur Almut verständigen konnte und schliefen hinterher in aller Ruhe an der Hauswand ein. Die Uhr wurde umgestellt. Hier ist eine andere Zeitzone.
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