Die anderen waren schon lange wach, als ich in die Gänge kam. Erstmal weitersuchen. Das ist tagsüber etwas einfacher und nach kurzer Zeit hatten wir die Villa ausfindig gemacht. Da ich aber annahm, daß von den Bewohnern noch keiner wach sein konnte, denn hier wird gefeiert bis Ultimo, fuhren wir erstmal eine Bäckerei an. Wir frühstückten an der Straße, direkt am Meer. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich ein paar tote Quallen mit Steinen bombardierte. Anschließend entdeckte ich einen nigelnagelneuen Faust in meinem Reisegepäck. Sehr gut. Ninas Abschiedsgeschenk. Goethes Faust ist bei unseren Fahrten immer dabei, bisher als Reclam-Heft und genau so sieht es inzwischen auch aus: Einband weg, die Blätter zerknickt und zerknüllt und alles andere als weiß. Jetzt war ein neuer da, bei dem man noch die Buchstaben und alles erkannte, gebunden und gar nicht für Feindfahrten geeignet. Zu Schade dafür. Doch er kam mit.
Danach wieder ans Haus. Hier hatte sich was getan, aber klingeln wollte ich dennoch nicht. Hat sich auch schnell erledigt, weil uns die Essenholer schon ausgemacht hatten und bald saßen wir auf der Terrasse bei Cola und Kippen. Großes Hallo und geselliges Zusammensitzen unter spanischer Vormittagssonne, direkt am Strand. Das ist ein netter Auftakt. Noch mal kurz Urlaubsgefühle wachrufen, bevor es in die Wildnis geht. Noch einmal kurz entspannen.
Der LandRover, der schon Eingangs durch sein Expeditionsmäßiges Aussehen auffiel wurde zum Gesprächsthema. Der Besitzer ist der Autor von www.landy-reisen.de und heißt Markus Bölzle. Eine sehr gut ausgearbeitete Seite, über die ich schon des öfteren stolperte. Die Welt ist klein und sie wird immer kleiner, je langsamer das Verkehrsmittel ist, auch wenn es sich komisch anhört. Markus bekam laut eigener Aussage heuer schon den "zweiten Schlag ins Gesicht", als wir ihm auf seine Frage antworteten, wohin wir unterwegs seien. Er war in Tunesien gewesen und er hatte vor, Ende dieses Jahres nach Libyen zu fahren. Er fährt grundsätzlich alleine, was ich sehr mutig von ihm finde. Alleine fahre ich gerade mal in der augsburger Gegend auf und ab. Seine Begründung war die übliche: Man findet keine tauglichen Mitfahrer. Das ist wahr, das mußte ich auch schon feststellen. Die besten Mitfahrer trifft man unterwegs, wie ich damals auch Almut traf, als ich in Libyen unterwegs war. Ihm sei das bisher noch nicht geglückt und seine ganze Planung und seine Art zu Reisen sind auf eine Person ausgelegt. Das hat Vor- und Nachteile. Man spart eine Menge Gewicht, man braucht keine Rücksicht zu nehmen, man braucht nichts absprechen und kann tun und lassen, was man will, das Auto ist ein guter Zuhörer, der Diesel tröstet wie kein Mensch auf Erden. Meiner Ansicht nach überwiegen jedoch die Nachteile. Es bleibt niemand am Auto, wenn man sich auf der Landstraße einen Platten einfährt, man kann nichts parallel erledigen, man muß die Karre alleine ausgraben, selber navigieren, kochen, Imbiß bereiten, hat keinen PK-Mann und muß mit allen großen und kleinen Schwierigkeiten, die einem zweifelsohne unterwegs begegnen alleine klarkommen. Ich wäre niemals alleine losgefahren, nicht mal in die Schweiz, geschweige denn woanders hin, wobei mir klar ist, daß es wenige sind, die Lust und vor allem Zeit haben, einen auf solchen Reisen zu begleiten, besonders dann nicht, wenn sie nichts versprechen außer Ärger.
Ich lieh mir ein Endstellengerät für das drahtlose Wählnetz aus, um eine Textmeldung mit Ortsangabe an den Pajero zu schicken. Ich war der festen Überzeugung, daß er niemals wie ausgemacht in Tarifa sein würde. Konnte er doch gar nicht schaffen, schließlich ist es seine erste Feindfahrt. Als Antwort auf die Textmeldung kam: "Sind einen Tag später losgefahren und jetzt zwei Stunden vor Tarifa, leg 'ne Nachtschicht ein, Du Bummler, ich will nach Marokko!" Toll, wieder mal den falschen Maßstab benutzt. "Man soll nie von sich auf andere schließen..." Irgendwie müssen sie es doch geschafft haben, aber in La Manga war es gerade so gemütlich, daß ich mich nicht hetzen lassen wollte - sind schließlich im Urlaub und nicht auf der Flucht!
Ein Internet-Café soll in der Gegend sein und das wurde natürlich aufgesucht. Lagemeldung verschicken Homepage aktualisieren - auch wenn es noch absolut nichts zu schreiben gibt - und eMails aus der Heimat abrufen, wer weiß, wann man sich diesen Luxus wieder leisten kann. Auch die Anlaufstelle in Abidjan hat sich per eMail gemeldet und einen Camping auf der Straße nach Grand Bassam empfohlen. Meine Güte, ist das weit weg!
Ganz gegen meine Gewohnheiten, brachen wir noch vor dem Abendessen auf in Richtung Tarifa, ich schnorrte aber noch eine Klemme für die Hupe und eine Fliegenpasche, weil ich die vergessen hatte. Reisekilometer 2.412. In La Manga verfuhr ich mich erst mal gewohnheitsmäßig. Es gibt nur zwei Richtungen, in die man fahren kann: Nach Norden, ans Ende der Landzunge, oder nach Süden, zurück ans Festland. Ich brettlbreit genau in die falsche Richtung. "Die Sonne ist schon weg", war meine Ausrede für dieses Mal...
Die Nachtschicht brach an, ich war fit und ausgeschlafen. Gegessen wurde unterwegs Brot mit Nutella. Cigaretten waren auch noch reichlich da und die Fahrt war nett wie immer. Ich hatte aus Deutschland noch eine LOMO-Karte. Die wollte ich natürlich nutzen, solange es ging. Die letzte Tankstelle, die diese Karten akzeptiert liegt in Südspanien. Danach nur noch Bargeld. Doch die Bargeldreserven galt es möglichst lange zu schonen. Ich fuhr an einer BP hinaus, an der ein LOMO-Zeichen prangte. Erst volltanken, dann zahlen. Ist überall in Europa so. Doch beim Zahlen funktionierte die Karte nicht. Das Diesel konnten sie nicht wieder abpumpen und Bargelt hatten wir plötzlich keines. Abheben geht mit dieser Karte nicht. Ist ja keine Bankkarte. Kartennummer aufschreiben, Name aufschreiben, Kenzeichen aufschreiben, Rechnung drucken und ich unterschreibe. Keine Ahnung, ob und wieviel abgebucht wurde, aber man ließ uns weiterziehen.
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