Afrika 2000
Die Überfahrt
Freitag, den 13. Oktober
Kilometerstand im Container: |
650.053 km |
Ich wartete, bis der Heini das Auto fixiert hatte. Vor und hinter jedes Rad kam eine Holzbohle mit etwa 10 cm Durchmesser und auf die beiden Bohlen an jedem Rad kam wieder eine Bohle, die das Auto gegen seitliches Verrutschen sichern sollte. Mit einem Stahldraht wurde das Auto hinten an der Abschleppöse und vorne am Unterfahrschutz an der Containerwand befestigt. Als der Container endlich zu war, machte ich eine provisorische Versiegelung dran. Sichert nicht gegen unbefugtes Öffnen, aber man erkennt, daß die Türe geöffnet wurde - dazu ist eine Versiegelung eigentlich auch gedacht.
Als das fertig war und ich mich für unbestimmte Zeit vom Auto verabschiedet hatte packten wir unsere 7 Sachen, meine Reisetasche, Almuts Bundeswehrrucksack, den Feldstecher - schon hier fehlte uns das Auto. Gefällt mir nicht, mag's wieder haben. Wieso können die nicht einfach eine Fähre von hier nach Südamerika einrichten? Ist das so schwer? Zum Glück ist es in Westafrika nirgends ein Problem, ein Taxi zu finden. Die sind auch sehr günstig. Wir nahmen eines und fuhren, bepackt wie die einheimischen Esel zu Brigitte. "Hallo Brigitte! Das Auto ist im Container!" - "Das ging aber schnell!" Ja, es war wirklich schnell gegangen. Viel zu schnell, ganz und gar unafrikanisch, denn - ich glaube es schon einmal erwähnt zu haben - hier geht nichts schnell, außer das Geld. Das geht schnell weg. Nun standen wir da. Mit Gepäck, dafür ohne Auto, denn Unglück kommt selten alleine. Was machen? Wir gingen auf Brigittes Vorschlag hin chinesisch Essen. Und damit ich zu weinen aufhörte durfte ich auch ihren Peugeot fahren. Immerhin... Sie mochte nicht gern fahren, ich hingegen mochte nicht gern irgendetwas anderes tun als fahren und das traf sich. Wir luden ab und fuhren zum Chinesen. Das Essen ist dort sehr fein. In Abidjan funktioniert halt was. Wir unterhielten und mit Brigitte über die Elfenbeinküste und über Brasilien. Sie war in den 80er Jahren von Goethe wegen in Rio stationiert und war davon begeistert. Außerdem offenbarte sie uns, daß sie am Vormittag die Konsulin getroffen hat und wir zu einer Party in ihrer Residenz eingeladen sind. Ich darf fahren. Passt!
Nach dem Chinesen luden wir Brigitte im Goetheinstitut ab und fuhren zu SIVOM, die letzten Meldungen einholen. Schließlich war das Auto unterwegs auf das Schiff und wir durften es nicht verpassen. Das wäre eine Katastrophe. Es war gestern Abend was angekommen.
Houston an Abidjan, 12. Oktober 2000, 22:47 Uhr (Ortszeit Abidjan)
Subject: m/v "Clipper Ipanema"
Samuel / Ronnie
Clipper Ipanema V.0023
Regarding your message today, Thomas is out of the office now and will only return on Monday at which time he will address (respond to) the passenger's request for a freight reduction.
The ship is only expected to sail Cotonou pm 13 October 2000. ETA Tema am 14 Oct 2000; awaiting info about berthing/sailing prospects Tema. Reverting.
ETA Abidjan 15 - 16 Oct 2000.
Reverting.
Brgds/CAI/RC
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Das war's mit der Preisermäßigung. Aber egal. Wir hatten unser Fisch. Wir müssen nur noch dranbleiben und zusehen, daß sie uns nicht hier in Abidjan "vergessen". Aber die Amerikaner sind schließlich "Businessmen" und uns gegen die Abmachung hier zu lassen wäre das afrikanische Geschäftsempfinden, nicht das amerikanische. Ist nur 'ne Theorie...
Das Schiff läuft also frühestens am Sonntag ein. Wir können nur warten und in Abidjan ein wenig Urlaub machen. Abidjan ist nicht der schlechteste Platz um auf ein Fisch zu warten. Ich stelle mir gerade vor, was wohl gewesen wäre, wenn wir dem Vorschlag des Schweizers gefolgt wären und in Dakar verschifft hätten. Oh, forget it, boy... Nur nicht dran denken. Wir hätten nicht nur das beste auf der ganzen Fahrt verpasst, sondern uns auch noch mit Halbaffen rumschlagen müssen bis zum erbrechen. War schon besser so, doch man soll den Tag bekanntlich nicht vor dem Abend loben. Noch waren wir nicht auf dem Fisch, noch konnte allerhand passieren. Für übernächsten Sonntag waren die Wahlen angesagt. Man sah auf den Straßen oftmals Fahrzeugkolonnen, die die Plakate ihres Kandidaten überall kleben hatten und die einen Heidenlärm machten. Ansonsten war nicht viel anders als sonst. Vielleicht etwas weniger los, am Abend, aber mehr nicht. Es wurden aber Unruhen erwartet. Dem Auto konnte nun nicht mehr viel passieren. Das war in Sicherheit. Nur uns durfte jetzt nichts verzögern. Wir mußten so schnell wie möglich an Bord.
Nach der täglichen SIVOM-Sitzung wollten wir erst zur Post - ich erwartete einen Brief - und dann zum Camping zum bezahlen. Der Camping war näher, ist aber immer offen, die Post macht um 17:00 Uhr zu. Um 17:00 Uhr müssen wir Brigitte vom Institut abholen, also erst Camping, dann auf dem Weg zum Institut schnell bei der Post vorbeischauen. Wir fuhren zum Camping und ich genoß es
in dem kleinen Hupferl zu fahren. Ein Turbodiesel, straffes Fahrwerk, man saust im Slalom durch den Verkehr und hat das Gefühl, 10 Jahre jünger und 100 kg leichter zu sein. Kein Schwanken vor jeder Kurve sondern alles ZACKZACK. Man mußte nicht wie bei einem Zug die Bremsmanöver 10 km vorher einleiten oder schon nach dem fünften Auto, das man zu überholen gedenkt ausschau halten.
Man kann aus der Situation heraus handeln. Das kann man mit dem bepackten und überladenen Daimler natürlich auch, sonst wären wir längst wo dagegen gefahren, aber alles ist wesentlich langwieriger. Ein Spurwechsel im Daimler geht elegant und langsam, alles schön der Reihe nach und rhythmisch (wenn das wort jetzt nicht falsch gewählt ist). Sobald ein plötzliches Manöver kommt schwankt und rutscht und fliegt alles durch die Kanzel. Kurze, abgehackte Lenkbewegungen
zeigen, wenn überhaupt, erst nach einigen Sekunden Wirkung. Beim Hupferl war das anders. Er hatte was, was der Benz nicht hat: Beschleunigung. Beim losfahren an der Ampel schon alle überholen - nicht erst nach 500 m - und das ganz ohne die Drehzahl nach oben zu jagen, den LKW rechts überholen, nach links rüber, kurz anbremsen, weiter nach links, das Taxi rechts überholen, wieder
in die mittlere Spur usw...
Wir kamen am Camping an, bezahlten die Rechnung schnell und fuhren gleich weiter. Es eilte. Dieser Camping ist sehr empfehlenswert. 1.500 CFA pro Person und Nacht. Jetzt stand noch die Post an. Ich erwartete einen Brief und am Montag würden wir wohl schon auf dem Schiff sein. Letzte Gelegenheit. Doch am Kreisel standen wieder die Bullen. Ich hielt extra an und fuhr los, nachdem ich mich vergewissert hatte, daß da nichts kommt. Der Fettsack zog undtrotzdem raus. Wir hätten nicht geblinkt. Natürlich hatte ich nicht geblinkt. Mach ich selten, wenn ich geradeaus fahre, so ein Depp! Diskussion. Eine dreiviertel Stunde zog sie sich hin. 2.500 CFA zahlten wir dann doch und konnten losfahren "Tschüß, Du schwarze Pestbeule! Ich wünsche Euch einen gesegneten Bürgerkrieg, der so einen unnützen Dreck wie Dich in Stücke zerhackt in den Straßengraben befördert, Du lebender Müll". Gas! Brigitte wartete. Als wir loskamen war es kurz nach fünf. Die Post konnten wir abschreiben und somit meinen Brief. Drecksbulle!
Wir kamen im Goetheinstitut an und fuhren nach einigen Minuten gleich weiter zu Walters Wirtschaft. Dort blieben wir kurz und fuhren zur Frau Konsulin. Nette Gegend und wieder eine Gartenparty. Bedienungen, die meine Cola nicht leer werden ließen, 1a Essen und lauter wichtige Leute. Hatte was. "Yesterday I was sleeping under a tree and now, here I am in the grandest House in Abidjan having a coke with you fine people... oder so ähnlich. Am Schluß saßen
Brigitte, Almut, Ich und die Botschafterin höchst persönlich an einem Tisch. "Ach, ihr seid die mit dem alten Mercedes mit den vielen Kanistern auf dem Dach..." Alles 'ne Nummer zu groß für mich, aber war echt nett. Es gab Weißwein - bäh! - aber den anderen schien er zu schmecken. Eine Gartenparty im Oktober. Es gab keine Mücken und es war angenehm warm. So soll es sein. Das Essen
schmeckte vorzüglich. Kochen konnte die Konsulin hervorragend.
Dann ging es wieder zu Walters Wirtschaft. Obwohl die Ausgangssperre aufgehoben war, waren die Straßen ziemlich leer, was uns aber nicht störte. Die Leute hatten Angst, das spürte man. Es war überall nur Militär zu sehen. Die Soldaten saßen rum, lasen Zeitung und machten eine auf Gemütlich. Gut so. Wir saßen noch einige Stunden bei Walter, der mit dem Alkohol nicht geizte. Passte alles wunderbar. Die anderen saufen und ich fahre. So soll es sein. Almut grinste den
ganzen abend schon wie ein Pfannkuchen. Sie hatte auch Grund. es war alles prima gelaufen bisher, das mußte begossen werden. Im Laufe des Abends wurde aus dem Grinsen ein regelrechtes Strahlen. Tschenobyl konnte nichts dagegen.
Danach wieder zu Brigitte und Feierabend für heute. Wir hatten einiges geschafft und waren auch ziemlich geschafft.