Im Gegensatz zu Almut pflege ich - gerade im Urlaub - auszuschlafen. Heute aber nicht, ich nahm sogar am Frühstück Teil. Nach dem Frühstück eine rauchen und bei der Gelegenheit sah ich auch mal nach dem Container. Ich wollte nicht, wie Peter Kohle, hier schreiben müssen, daß sie unseren Container vergessen haben. Stand immer noch neben dem Schiff. Abwarten. Almut unterhielt sich währenddessen mit zwei Offizieren. Expected Time of Departure: Between 1300 and 1600 hs.
Der 2. Offizier brachte uns Helme, solche, wie man sie auf Baustellen auch trägt. Für den Fall, daß wir auf das Containerdeck (heißt das so?) wollten. Ich fragte hier und da mal nach, ob es auch sicher sei, daß diese Container da unten mitkämen und alle meinten "of course". Gut, dann bin ich beruhigt. Was noch dafür sprach war, daß sie immer noch mit dem Entladen beschäftigt waren. Sie entluden Zement auf Paletten.
Diese Paletten wurden mit Gabelstaplern in die Halle gefahren. |
Einer schaffte es natürlich, eine Palette im hohen Bogen vom Gabelstapler zu
schleudern. Wer hätte es gedacht?
Es gab für uns nicht mehr viel zu tun, außer darauf zu achten, daß der Container
mitkommt. Die Ausreise war erledigt, wir durften das Schiff nicht mehr verlassen.
Hatten wir ja auch nicht vor. Es kam immer einer an Bord, der in der Unteroffiziersmesse
saß und sein Handy für 1 US$ pro Minute an die Besatzung vermietete. Ich fragte
ihn, was ein Gespräch nach Abidjan kosten würde. Der Preis passte mir nicht
und ich ging wieder. Da aber im Hafen kein Telephon war und ich unbedingt noch
Brigitte anrufen wollte, ging ich doch wieder zu dem Typen und fing eine Diskussion
an. Wir einigten und schließlich auf 200 CFA pro Minute. Das war OK, zumal das
Geld für uns in ein paar Stunden überhaupt nichts mehr wert sein würde. Ich
rief Brigitte an und gab ihr eine eMailadresse durch - diesmal ganz - und bat
sie, an diese Adresse zu schreiben und die Adresse meines Onkels in Rio herausfinden
lassen. Das Gespräch dauerte 3:54 min, mehr als 600 CFA hatte ich aber nicht
und er ließ es auch dabei. War OK, so.
Es waren noch zwei Passagiere an Bord, nämlich die Frau eines Offiziers und
dessen Sohn. Er war etwa 8 Jahre alt und ein ziemlich verwöhnter und verzogener
Rotzlöffel, wie üblich in Ländern, in denen Söhne erwünscht, Töchter aber auch
hingenommen werden, wenn es sein muß. Kinder und Hunde sind mir nicht besonders
willkommene Gäste, weder in schwarz noch in weiß und schon gar nicht in grün.
Am späten Nachmittag ging ich mal wieder an Deck und mein Container war weg.
Ich in die Kabine gestürmt, den Helm auf - war Vorschrift - und wieder an Deck.
Da rief mir schon einer zu, daß mein Container gerade verladen werde. Ich bat
um die Erlaubnis, zuschauen zu dürfen. Kein Problem, ich solle auf die Steuerbordseite
gehen. Ich hin. Die Ladeluke war offen und leer, ein blauer Clipper-Container
wurde gerade hinuntergelassen. Schnell nach der Nummer geschaut, Endung 1937
- stimmte, war meiner. Es ging ganz schön weit runter. Links neben mir ein fluchender
und fuchtelnder Neger, rechts von mir der Chief Officer im Drillichzeug, das
war ein Blaumann mit der Aufschrift "Dockship". Im Kran saß ein Neger, einer
hing daneben. Dieser und der eine neben mir brüllten sich irgendwas unverständliches
zu, natürlich nicht abwechselnd. Im Laderaum stand nur mein Container - um den
ging es gerade - ganz alleine und wurde hin- und hergeräumt.
Der Daimler im Container im Laderaum. |
Beide brüllten, dann wurde der Container vorne abgesetzt, dann brüllten sie
wieder und der Container kommt wieder hinter und jedes mal schlug die Kiste
irgendwo an. Der Chief Officer regte sich über den idiotischen "Operator" auf
- und ich auch, weil der es auf keinem Auge blickt und nahm die Sache selbst
in die Hand indem er den Igenieur in den anderen Kran beorderte und selbst die
Anweisungen gab. Plötzlich stand der Container da, wo er laut Plan hingehörte.
Sah nicht sehr schwierig aus. Als dieser eine Container endlich stand, gingen
die Neger, die an Deck standen. Sie wollten Feierabend machen. Der Chief Officer
sah ihn äußerst verständnislos an: "Und der Rest?" -"Demmand, tomorro!" -"Was?
Tomorrow I'll kick your asses! An die Arbeit!" Es ging also weiter. Ich blieb
noch eine Weile und sah zu, wie Container auf Container an Bord gehievt wurde
und sich der Laderaum langsam füllte.
Als es dunkel war und mein Container unter einer Menge
anderer begraben war, ging ich zurück. Um 18:00 Uhr war Abendessen. Der Koch,
"J.B." (Tschäi-Bih), wie ihn alle nannten, hatte herausgefunden, daß Almut Pflanzenfresserin
ist und fortan bekam sie immer einen vegetarischen Extrateller. Kann es einen
besseren Service geben? Was noch ein Vorteil war: Wir durfte auf dem Schiff
alles machen, alles anschauen, es hätte bestimmt auch niemand etwas gesagt,
wenn jemand von uns angefangen hätte, auf der Reling Balance-Übungen abzuhalten.
Auf einem normalen Passagierdampfer wahrscheinlich ein Ding der Unmöglichkeit,
aber dank der LOI hatten sie keine Haftungsprobleme.
Nach dem Abendessen unterhielt Almut den kleinen Flegel. Das war vielleicht
eine Plage! Wenn es nach mir ginge, wäre er entweder in die "Common Toilet"
oder "over board" geflogen. Aber mich ließ er in Ruhe, allen anderen fiel er
auf den Wecker mit seinem ewigen Rumgespringe, Geschrei, Gebeiße und Streß-Gemache.
Kinder und Hunde mag ich nur, wenn sie gemeinsam in einem geschlossenen Raum
eingesperrt sind.
Nun konnte nicht mehr viel schiefgehen. Unsere Pässe hatte der Käpt'n, der Chief
Officer brachte mir die Bill of Lading, wir und das Auto waren an Bord. Von
uns aus konnte es losgehen. Gegen halb Acht war die Ladetätigkeit beendet. Zwei
Tage zum Entladen, ein paar Stunden zum Beladen. Ich schließe
daraus, daß hier also mehr Angekarrt wird, als von hier aus hinausgeschickt
wird. Will sagen, daß die Ivorer sich selbst mehr schaden als den anderen, wenn
sie ihre dummen Spielchen mit 300 Dollar hier, 300 Dollar da treiben. Brauchen
sich nicht wundern, wenn immer weniger Schiffe ihre Häfen anlaufen. Alles, was
es hier gibt ist importiert, sie verjagen die Malinesen und Burkinabesen von
den Feldern, sind selbst aber zu blöd, diese Felder zu bestellen und haben kein
Geld, sich Importware leisten zu können. Ähnlich wie in Zimbabwe, denken haben
sie einfach nicht gelernt, wie der Mensch an sich in der Masse.
Um 20:00 Uhr hieß es dann endlich und doch etwas unerwartet
"Leinen Los!". Ich kam gerade zufällig an Deck, um eine zu rauchen und sah,
daß am Achterdeck etwa 8 Mann die Leinen einholten. Ein letzter Blick auf Abidjan.
Schade, daß ich nur noch die Billigkamera hatte, das wäre ein Bild wert gewesen...
Die Halle wurde immer kleiner, dann der Hafen, die Lichter von Abidjan. Bald
würde nichts mehr zu sehen sein. Als das Schiff an den Wellenbrechern vorbeifuhr,
begann es augenblicklich zu rollen. Das würde es für die nächsten zwei Wochen
machen, aber Almut und ich waren seefest. Ich unterhielt mich mit dem Koch,
der auch noch an Deck kam. Er hatte Feierabend. Irgendwann ging er wieder und
ich stand da und sah den letzten Lichtern nach, wie sie in der Ferne entschwanden.
Ich konnte es nicht fassen. Wir hatten es geschafft, wir waren mit dem Auto
auf einem Schiff, das soeben abgelegt hatte und nach Brasilien unterwegs war.
Noch vor 10 Tagen ein Ding der Unmöglichkeit. Wieder einmal bewahrheitet sich
der Spruch In Afrika ist nichts unmöglich. Das war's mit Afrika.
Ich glaube, in diesem Bericht hört sich vieles schlimmer an, als es ist, aber
es steht auch fest, daß es jeder anders erlebt und was heute so ist kann morgen
schon ganz anders sein, auch und gerade in Afrika. Hier war Schluß, es beginnt
ein neues Kapitel, ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie es weitergehen
sollte. Geld hatten wir praktisch keines mehr, aber irgendwie geht es immer
weiter...
Fast zwei Monate waren wir nun auf diesem Kontinent unterwegs gewesen, haben
vieles gesehen und wenig begriffen, aber es war schön und es hat sich gelohnt.
Als von Afrika nichts mehr zu sehen war und uns nichts mehr umgab außer einer
ungewöhnlichen Dunkelheit, ging ich in die Kabine. Almut hatte Zitronenlimmo
gebraut.
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