In der Früh gab es eine Einweisung durch Mr. Soi, dem Chief Officer. Die habe ich dann wohl verpaßt. Anschließend ging Almut auf die Brücke, um die Mondaufgangszeit festzustellen - 24:41 Uhr Ortszeit. Ich kam wenig später dazu. Amid hatte von 8:00 bis 12:00 und von 20:00 bis 24:00 Uhr Brückenwache. Ich besuchte ihn und sah mit die Brücke an. Zwei Radargeräte standen drin. Amid schaltete eines an, um mir zu zeigen, wie das Teil funktioniert. Alte Teile, wie man sie aus den Filmen kennt, eine grüne monochrom Röhre, die einen Kreis auf den Schirm projiziert und ein grüner Strich, der immer im Kreis wanderte. Wir hatten ein Echo in 36° und etwa 13 Seemeilen Entfernung (Angaben aus dem Gedächtnis). Das Gerät zeigte auch gleich Kurs und Geschwindigkeit des "Targets" an. Ich schnappte mir ein Glas und schaute in die Richtung, sah aber noch nichts. Ich kann mich an die Zeitspanne nicht mehr erinnern, aber irgendwann war das Echo da. Es war ein ganz kleines Schiffchen. Die Ipanema drosselte die Geschwindigkeit und leitete ein Ausweichmanöver ein.
Etwa 800 m vor dem Bug zieht die "EGTW Taton" vorbei. |
Erstens wollte ich wissen, was so eine Nußschale mitten im Atlantik verloren
hat. Sei vermutlich ein Fischerboot, genau wußte Amid es aber auch nicht. Und
dann wollte ich noch wissen, warum wir ausgewichen sind und nicht der
andere, war er doch viel kleiner und wendiger. Hat nichts damit zu tun. Auch
auf dem Atlantik gilt Rechts vor Links. Der Ozean selbst hat seine Rechte...
An diesem Tag sollten wir den Äquator kreuzen. Ich hatte das GPS mitgenommen
und stellte ab und zu die Position fest. Das Schiff machte zwischen 20.5 und
22 km/h. Etwa 13.5 kn. Die erwartete Ankunftszeit am Äquator war gegen 14 Uhr.
Es variierte immer ein wenig, da das Schiff mal schneller, mal langsamer fuhr.
Ich wollte das auf gar keinen Fall verpassen. Klar, ist ein Platz wie jeder
andere, aber wenn aus dem gewohnten N auf dem Gerät plötzlich ein S wird, das
hat schon was.
Um 14:24 Uhr GMT war es dann soweit. Wir überfuhren den Äquator bei W 10°18,747.
Eine Flaschenpost flog auch über Bord, nur, damit etwas getan ist.
Nach der Äquatorkippe gab es einen Äquatortee bzw. -zitrone für Almut, um ihre
Erkältung auszukurieren. Die beste Medizin gegen Erkältung bleibt aber die frische
Seeluft.
Das Verhältnis zur Besatzung wurde auch immer unverkrampfter. Ich mußte mich
wohl oder übel nun doch dieser Ruine einer Kultursprache, die landläufig als
Englisch bezeichnet wird widmen. Aber das Schwimmen lernt man ja auch
erst im Wasser. Es gab nämlich einen Videorekorder und einen VCD-Player, allerdings
dafür nur Filme in Englisch oder Hindi.
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