Afrika 2000
Zweite Etappe
Sonntag, den 24. September

Morgenandacht, wieder mit einigen Zuschauern. Almut mixte noch Zitronenlimonade zusammen und als ein leichter Regen einsetzte, der die Zuschauer vertrieb, zogen wir uns ins Auto zurück und tranken warmen Kakao. Um 10:30 Uhr / km 646464 ging es gemütlich weiter nach Burkina. Wieder ein Grenzübergang und wir waren auf Burkina Faso gespannt. Burkina Faso heißt übersetzt "Die Unbestechlichen", hoffentlich ist das nicht sowas wie "Deutsche Demokratische Republik", also eine Beschreibung des Gegenteils. Keine anderthalb Stunden später war die Ausreise aus Mali bei km-Stand 646506 problemlos erfolgt. Den Passavant Touristique hätten wir sogar behalten können, aber wir hielten uns zu genau an den Reiseführer. Bei der Ausreise muß man den Zoll nämlich gar nicht anfahren. Auch der letzte Polizeiposten war sehr freundlich und fast tat es mir ein bißchen Leid, auszureisen. Die Malinesen sind sehr freundlich, man kann sich wirklich nicht beschweren. Auch hier wieder: Nervtypen gibt es, wie in jedem Land das wir seit Spanien unter die Räder nahmen, aber der überwiegende Teil der Leute ist freundlich und zurückhaltend und auch Landschaftlich hat es einiges zu bieten, wesentlich mehr als der Senegal. Nicht zu vergessen, daß die Straßen in recht ordentlichem Zustand sind. Und daß hier Schlaglöcher weit eher zu verzeihen wären, als im Senegal, denn Mali ist bitterarm ebenso wie das nächste Land, Burkina Faso, das wir um 11:45 Uhr nach 6 km erreicht hatten.

Die Einreise war ebenso unproblematisch und kurz wie die nach Mali. Die Polizeiformalitäten wurden an der Grenze, die Zollformalitäten in Fô, 25 km weiter, erledigt. Der Zollststionsvorsteher war recht nett und konnte Englisch, viel besser als ich, und wir unterhielten uns einige Zeit. "Woher?" - Germany. "Wohin?" - Elfenbeinküste. "Verheiratet?" - Um gottes Willen! Seh ich so bescheuert aus? - "Wie alt?" - 25 - "Wieso nicht verheiratet?" - No woman, no problem. "Nö, so kann man das nicht sehen. Es sei doch schön, verheiratet zu sein" - "Ja, zweifellos - wenn man nichts mehr vorhat und mit dem Leben abgeschlossen hat, dann ja." - "Denkt ihr in Deutschland alle so? Kein Wunder, daß die Deutschen aussterben." - "Nö, nicht alle, es gibt auch in Deutschland Männer, die sich gerne vorschreiben lassen wollen, was sie anziehen, was sie essen und was sie sagen dürfen und was nicht, ich gehöre aber nicht dazu. Allerdings würde ich es mir nochmal überlegen, wenn er mir eine Frau wüßte, die sehr hübsch und sehr dumm und sehr reich ist, wobei diese auch potthäßlich und umso reicher sein dürfte, wenn ich mich dafür auf ein baldiges Witwerdasein freuen dürfte usw. er kannte keine. Wir waren ja auch nicht in der Schweiz, sondern in Mali und er konnte mich jedenfalls nicht die Bohne überzeugen und ich ihn auch nicht.

Einige Stunden später waren wir in Bobo Dioulasso angekommen und suchten uns einen Campingplatz, der in einem der Reiseführer beschrieben ist. Wir suchten erstmal, weil im Lonely Planet keine Koordinaten stehen. Die hätten hier einiges geholfen. Wir fragten uns halt durch und fanden ihn auch irgendwann. Hier der Koordinaten des Camping "Casa Africa": N 11°10.151' / W 04°18.705' Der Platz wird geleitet von einer Französin, die wir nie gesehen haben, die wohl wie alle Europäer ab und zu vorbeischaut um nachzusehen, ob ihre Angestellten alles richtig machen und ansonsten durch die Welt trottet. Der Platz ist nicht schlecht, wenn auch einige Händler nervten, wobei ich mir doch das eine oder andere andrehen ließ. Ich habe nun mal eine Schwäche für Elephanten.
Am Abend kam irgendwer auf die Schnapsidee, in einem Restaurant essen zu gehen. Unter "Places to eat" war ein Restaurant mit togolesischen Spezialitäten beschrieben, wo das Essen recht passabel sein sollte. Wir suchten das Restaurant und fanden es auch, nur war davor eine Bühne aufgebaut, auf der ein Kasperl ein dermaßen unangenehmes Geplärr veranstaltete, daß man im Auto das eigene Wort nicht mehr verstand. Also zogen wir weiter und suchten ein anderes Restaurant. Das war nicht leicht, denn man weiß nicht, ob es sich um eine Teleboutique, um einen Laden oder um ein Restaurant handelt, sieht alles gleich aus. Irgendwo standen einmal Tische davor, auch der Rest sah leicht restaurantig aus und nachdem wir gefragt hatten, ob das ein Restaurant ist und diese Frage bejaht wurde, parkten genau davor und nahmen Platz. Essengehen in Afrika in einem Einheimischen Restaurant... das ist ein Abenteuer für sich.

Das Warten auf eine Bedienung erwies sich bald als absurd und wir holten selbst die Bedienung und fragten, ob es hier was zu essen gäbe. "Ja selbstverständlich, was wollt ihr denn?" Jetztdenkt man sich als Europäer vielleicht, daß es ganz sinnvoll wäre, wenn man eine Karte hätte, damit man weiß, was es denn gibt, denn es ist recht unwahrscheinlich, daß es hier zum Beispiel Weißwürste gibt. Ich bestellte eine Pizza, die anderen Reis mit Gemüse und Fleisch. Zum Trinken zwei Fanta und ein Cola. Er merkt sich die Zahl drei und bringt genau das Falsche. Genau diesen Satz habe ich in dem Bericht von Peter Kohle gelesen und genauso ging es uns. Ich holte genau diesen Reiseführer aus dem Auto, das etwa einen Meter vom Tisch weg stand - wenigstens war die Aussicht hier schön. Während der eine die Getränke brachte, schwang sich der Chef auf sein Mopped und fuhr weg. Wir merkten auch schon bald, warum. Er kam einige Minuten später wieder und legte mir eine gelbe Plastiktüte vor die Nase, in der sich ein blauer Karton befand, etwa 10x15 cm groß und 5 cm hoch. Aha. So geht das hier. Ich wartete noch, was mit dem Essen der anderen beiden los sei und ob vielleicht noch sowas wie Teller und Besteck nachkommt, aber er saß gemütlich am Tresen und rauchte eine. Ich Idiot. Besteck? Die essen doch mit Händen und Füßen und ich warte noch auf Besteck. Die Bedienung kam zwar, stellte aber nur ein Körbchen mit der Rechnung auf den Tisch. Ich packte den Inhalt der Tüte aus und erblickte irgendwo in einem Eck des Kartons verloren ein viereckiges Stück kalter Pizza mit Hackfleisch. Es war innerhalb einer Minute verschlungen. Etwa fünf oder Zehn Minuten später, wir waren nicht sicher, ob er die Bestellung überhaupt zur Kenntnis nahm, kam ein kleiner Junge und stellte drei Blechteller, die aufeinander gestapelt waren auf den Tisch. Im ersten war Reis, in den anderen beiden Gemüse, eher Algen, mit irgendwas, das entfernt an Fleisch erinnerte. Das einzige, was normal aussah war der Reis. Es wurde gegessen, soll uns keiner vorwerfen können, wir hätten es nicht probiert. Almut ist Vegetarierin und ich äußerte die Vermutung, daß sie als einzige den morgigen Tag erleben würde und Joe und ich elendiglich an Lasserfieber oder Schweinepest krepieren würden. Es gibt nichts dümmeres, als in Afrika Schweinefleisch zu fressen (essen wäre übertrieben, oder klingt das etwa besser, wenn man sagt: Den Fraß essen?), denn die Viecher fressen alles, was irgendwie rumliegt, aber wir hatten Hunger und keiner hatte Lust zu kochen. Außerdem waren wir so vor den Kopf geschlagen, daß uns das in dem Moment gar nicht auffiel, wir saßen nur da und warteten auf den nächsten Hammer, der ja kommen mußte, und wenn es nur die Rechnung war.
Danach ab zum Camping, hinlegen und sterben.


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© by Markus Besold