Argentinienfahrt 2001
Freitag, 20. Juli

Ein etwas ungemütlicher Nachtplatz.

Viel tat sich nicht. Der Diesel schnurrte, es ging immer geradeaus, die Kilometer wollten und wollten nicht weniger werden. Es ist langweilig, alleine zu reisen und es ist auch nicht gesund, weil man zum Kochen keinen Bock hat. Gut, daß das bald anders werden würde. Endlich mal wieder fahren, kilometerfressen, morgends nicht wissen, wo einen der Tag hinverschlägt... Und Gabi hat auch noch einen extrem hohen Unterhaltungswert! Also, nichts, wie schnell rein nach Brasilien, Gabi abholen, Gepäck aufladen und schnell wieder raus.

"Wohin Du auch gehst, vertraue Deinem guten Stern."

Um halb Neun abends war ich endlich an der Grenze. Was heißt "endlich"? In erster Linie bedeutet das zwar, daß die ersten 1.300 km geschafft sind, andererseits heißt es aber auch, daß die Straßen ab jetzt schlechter und natürlich auch teurer werden. Das ist immer so, je untererntwickelter das Land ist, desto mehr muß man für Dinge blechen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Von Buenos Aires bis zur Grenze waren es ganze drei Mautstationen. Drei! Die waren zwar recht teuer, aber das relativiert sich, weil in Argentinien nun mal alles teuer ist. Dafür hat man eine Straße, wie man sie von Europa gewöhnt ist, wenn man mal von der Beschilderung absieht - das müssen die Brüder erst noch lernen.
Die Grenzprozedur lief diesmal erstaunlich schnell und reibungslos. Auf argentinischer Seite hätt ich es nicht anders erwartet, aber auch die Brasilianer machten keinen Streß. Eine halbe Stunde, und ich konnte passieren. Keine Filze, kein Palaver, keine Wichtigmacher und man bekam kein Zollpapier. Das nenne ich Organisation, am Hafen und an anderen Grenzübergängen geht es auf gar keinen Fall ohne Zollpapier, hier bekommt man keines, das muß man nicht verstehen, man muß nur damit arbeiten. Ich habe es noch nie erlebt, daß mich einer nach dem Zollpapier gefragt hat. Im Zweifelsfall kann man es immer auf Schlamperei seitens der Behörden schieben, das funktioniert immer, weil jeder weiß, daß keiner den Durchblick hat. So eine aufgeblasene Bürokratur hat auch für ihre Macher viele Tücken und einen Plan haben sie nicht. So fuhr ich also los, ohne Zollpapier, mit Stempelchen im Paß und stellte keine Fragen nach dem Warum - kann man sich wieder schenken.

Kurz nach der Grenze kam die erste Mautstation und die wollte gleich mal zwei Dollar. Fängt ja gut an... das ist erst die Erste. In den ersten 50 Kilometern ist die Straße sogar halbwegs in Ordnung, zweispurig. Ich schätze, das liegt an der Nähe zur Grenze. Hier sind die Wasserfälle von Iguazú, die man unbedingt gesehen haben muß und entsprechend viele Touristen laßen ihre Dollars hier. Besonders viele Argentinier sind darunter. Die fahren natürlich gern nach Brasilien, weil sie für ihren Peso (1 Peso = 1 US-Dollar) hier ungefähr das dreifache bekommen. Von dem Geld profitiert wohl auch die Straße. Leider reicht ihr guter Zustand nicht lang, denn schon nach etwa 50 oder 60 Kilometern sieht sie wieder aus, wie man es gewohnt ist. Die Schlaglöcher werden mehr, der Standstreifen weniger, die Mautstationen werden mehr, die Beschilderung ist fast nicht mehr vorhanden und wenn doch, dann bei Dunkelkeit eh nicht zu lesen und falls doch, dann steht nichts Verwertbares drauf.

In einer kleinen Ortschaft fährt ein Auto bedenklich Nah auf. Ein Kleinwagen. Es ist wenig Verkehr, ich fahre soweit Rechts, wie möglich, damit er überholen kann, aber er macht keine Anstalten. Komisch... was will denn der? Ich schalte runter und gebe Gas. Erstmal auf Geschwindigkeit kommen - für alle Fälle - bremsen geht immer schneller als beschleunigen. Der Typ hängt immer noch hinter mir als die Ortschaft vorbei ist. Kaum Verkehr. Dann zieht er langsam raus und fährt längsseits, es war ein weißer UNO, ich schau hinüber und der Beifahrer gibt mir ein Zeichen zum anhalten. "Überfall" - schoß es mir durch den Kopf. Verdammt, ich dachte, das passiert immer nur den anderen. Was nun? Eine Waffe habe ich nicht gesehen. Davonfahren kann ich nicht. Keine Chance gegen so ein Gaggerlauto. In einer Ortschaft könnte ich ihn abhängen - oder in die falsche Gegend gelangen - aber wir waren mitten in der Prärie. Keine Abzweigung, nichts da, nur geradeaus und links und rechts der Straßengraben. Anhalten und alles rausrücken? Die werden vielleicht etwas ungemütlich, wenn sie feststellen, daß ich gerade mal ein paar Real bei mir habe. Rammen! Ich hatte mal gesehen, wie sie amerikanischen Polizisten das machen. Nicht wie in den Filmen, das ist Blödsinn. Man muß ihn am Heck erwischen, weil die Hinterräder für die Spurstabilität zuständig sind. Wenn der Typ es nicht checkt und wenn er in die Fahrbahnmitte lenkt, statt gegenzulenken, dann fliegt er. Ich wollte also warten, bis er an mir vorbei war, aber er überholte immer noch nicht, sondern fuhr weiter schräg versetzt, halb auf der Gegenfahrbahn. Also mußte ich bremsen. Ich schaltete in den dritten, verlor an Schwung, der UNO kam auf gleiche Höhe. Ich sah hinüber und der Typ hielt mir eine Marke vor die Nase. Gottseidank! Bullen. Ich hielt an, stieg aus, vollgepumpt mit Adrenalin. Der Motor schwieg, dafür konnte man mein Herz sicher bis Rio de Janeiro rasen hören.beide waren in Zivil und zogen beim Aussteigen ihre blaue Weste an, darauf stand hinten in gelb "Policia Federal", Bundespolizei. "Wäre gut, wenn man Euch früher erkennt, ich dachte, ich werde überfallen." Nein, es sei nur eine Routinekontrolle. Sie baten mich, den Kofferraum aufzumachen und stellten gleich fest, daß ich wohl Tourist sei. Daraufhin wollten sie gar nichts mehr an Papieren sehen, baten vielmals um Entschuldigung und hießen mich weiterfahren. Ich sagte noch: "Tut mir leid, daß ich nicht gleich angehalten habe, aber ihr wart nicht als Polizisten zu erkennen, ich wollte Euch von der Straße fegen." Ja, das hätten sie sich schon gedacht und daher nicht überholt. Vielleicht sollte ich mir für den Ernstfall einen besseren Trick überlegen, weil wenn die das wissen, dann wissen das die gangster auch - wie überall...

Also, gut, die ganze Aufregung war umsonst, weiter geht's. Zwei Ortschaften weiter wieder Polizei. Diesmal mit weiß-blau-rotem Licht und nicht die Bundes- sondern die Militätpolizei. Ich hielt an und kramte meine Papiere raus, fragte beiläufig, was denn geht, ob sie jemanden suchen, oder ob man hier immer angehalten wird. Antwort: "Es ist wegen der paraguayischen Grenze..." Klar, hätte ich mir eigentlich denken können. Paraguay ist das Jugoslawien Südamerikas. Angeblich fährt der paraguanesische Justizminister einen in São Paulo gestohlenen 5er BMW. Allerdings hörte ich die gleiche Geschichte auch in Buenos Aires, nur war der BMW da nicht in São Paulo, sondern in Buenos Aires gestohlen. Jedenfalls kann man in Paraguay billig einkaufen...
Und weiter ging es wieder. Die Kontrollen waren nicht wirklich lästig, sobald sie feststellen, daß man Europäer ist, wollen sie gar nichts mehr sehen, scheinen wirklich nur die Schmuggler zu suchen.

Die nächste Mautstation versuchte ich zu umfahren. Erst fand ich ewig die "Umleitung" nicht, dann sagte mir einer, daß es schwer sei, durchzukommen, weil zwei LKW auf dem Schlamm ausgerutscht und in den Graben gefallen seien. Ich wollte es versuchen, mal sehen, ist eh schon Wurscht... Ich kam an der Stelle gerade so vorbei, breiter hätte der Benz allerdings nicht sein düfren. Solche spielchen sind nichts für die Nacht, das muß man tagsüber machen, wenn man das Gelände überblicken kann, und schon von weitem sieht, wie es beschaffen ist, wo der Feldweg hinführt und wo die Autos fahren.
Hinter Cascavél fuhr ich auf einen Acker und legte mich auf das Autodach zum Schlafen. Eigentlich eine Schnapsidee, den Gepäckträger abzunehmen. Der macht das Auto nur auffäliger und damit diebstahlsicherer, man hat alles Notwendige immer gleich dabei und die Sandbleche lassen sich mit ein paar Handgriffen zu einem gemütlichen Bett umfunktionieren.


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© by Markus Besold