Argentinienfahrt 2001
Samstag, 21. Juli

Als die Sonne zu nervig wurde ging es weiter. Die mit ihren verfluchten Mautstationen, es ist zum Kotzen. Man fährt auf beschissenem Belag, irgendwann kommen links oder rechts der Fahrbahn, als sicheres Zeichen dafür, daß bald wieder Geld fällig ist, riesige Plakate mit Bildern von deutschen Autobahnen und darunter steht: "Das schaffst Du mit Deinen Mautgebühren!" Was für ein schlechter Witz. Meine Mautgebühren verschwinden in der Tasche eines Mafioso, damit er sich das 20. importierte Auto mit Stern leisten kann und die Straße wird nur notdürftig ausgebessert - wenn überhaupt. Eine Autobahn, wie man sie aus Deutschland kennt und wie sie auf den Plakaten abgebildet ist, wird es hier nie geben, in hundert Jahren nicht. Als nächstes kommen dann die Drohplakate: Wenn man kein Geld dabeihat, dann muß man Strafe zahlen, wenn einem das Benzin ausgeht auch, und, wenn man versucht, die Mautstation zu umfahren, sowieso. Dahinter der jeweilige Paragraph aus dem Strafgesetzbuch oder die Gesetznummer. Das ist legalisierte Wegelagerei. Es ist nicht so, wie in Frankreich, daß man eine Alternativstrecke hat, die nicht so gut ausgebaut ist, aber dafür nichts kostet. Es ist auch nicht so, wie im Senegal, wo nicht jeder Wegelagerer was will und wo sie sich machmal mit dummem Geschwätz oder Kugelschreiber zufriedengeben. Hier gibt es eine einzige Möglichkeit von A nach B zu kommen und die ist mit Maut belegt. Auch baut nicht einer eine Straße und verlangt dann Maut, sondern der Staat überläßt ihm eine heruntergewirtschaftete Trasse, wie alles, was nicht einer ausländischen Firma gehört nun mal ist, diese bekommt er für ein Spottgeld, dann setzt er Mauthäuser hin und kassiert dicke, bevor er überhaupt einen Finger krumm macht. So "funktioniert" die Sache in der Fünften Welt (wenn es stimmt, daß Argentinien zur Dritten Welt gezählt wird).
Ich entschied mich für das Umfahren, das sollte am schnellsten gehen. Die Kunst besteht darin, den richtigen Feldweg zu finden oder zu erfragen.

In einem endlosen Weizenfeld, den ausgefahrenen Spuren folgend. Damit liegt man meist richtig.

Ich versuchte, immer nach der dreckigsten Stelle auf der Fahrbahn Ausschau zu halten. Die Autos, die durch den Acker fahren hinterlassen auf hunderten von Metern eine Dreckspur, wenn sie weieder auf Asphalt stoßen, besonders, wenn es zuvor geregnet hat. Wenn das nicht klappte, weil einfach alles voll Dreck war, dann fragte ich mich halt durch. Meistens wußte man bescheid und wies mir den Weg. Manchmal verfuhr ich mich auch in den Feldern und mußte nach einer Stunde aufgeben und doch blechen, in so einem Fall zahlt man drauf, auch wegen der verschenkten Stunde und ärgert sich die Pest an den Hals. Manchmal klappt es auch, wenn man einfach einigen LKW hinterherfährt, besonders denen, die nur eine einfache Plane haben und nicht den modernen Sattelzügen, zwar zahlt das die Firma und legt es auf den Endverbraucher um, aber die alten Hauber sind oft genug selbst Firmen.

Man halte sich an die Fernfahrer. Damit ist man immer gut beraten.

Ab und zu funktioniert es auch, wenn man sich einfach ans Mauthäuschen stellt und eine auf "Nix verstänn und nix Geld" macht. Manchmal, eher selten, lassen sie einen dann passieren - man steht ja im Weg. Im echten Afrika hat das aber öfter funktioniert.
Aber meist ging es ganz gut. Ich bezahlte insgesamt nur viermal. Von Puerto Iguazú bis Sau Paulo sind es bestimmt zwei Duzend dieser Stationen, von dort nach Buenos Aires, etwa die gleiche Strecke, sind es ganze drei. Und es kostet eine Unmenge Zeit, diesen Stuß zu umfahren. So schlau, mir die Koordinaten der Umleitungen einzugenben, war ich natürlich nicht. Das mache ich, damit ich beim nächsten mal, wenn ich diese Strecke fahre, also in ein paar Tagen, wieder grün und blau ärgern kann. War schon immer so.
Abends, gegen 23 Uhr war ich dann in Campinas angekommen. Gabis Flug war um einen Tag verschoben, sie kam also erst Montag an. Immerhin war ich diesmal rechtzeitig da, nicht, wie letztes mal, ölverschmiert, drei Stunden zu spät und mit streikendem Anlasser. Die Gelenkwelle hielt auch noch, obwohl der Fahrzeugunterboden um die obere Gelenkwellenmanschette schön geschmiert war. Ich wickelte Frischhaltefolie und Isolierband drumherum und hoffte, sie würde noch 500 km halten, dann wäre die Neue da und meine kleine Welt wieder in bester Ordnung...

Kilometerstand bei Ankunft: 685.446 km


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