Panamericana-Tour 2002
Dienstag, 27. August

Wir mußten früh raus, sonst war es bis Freitag nicht zu schaffen. Dafür, daß ich nicht verschlafen konnte sorgte Gabi. Sie konnte ja weiterschlafen, also kein Streß. Um 06:30 Uhr war Appell - man kann es hier wirklich nicht anders nennen. Aber ich mußte feststellen, daß der Reifen hinten links platt war. Und ich muß gestehen, daß ich dabei eine gewisse Genugtuung empfand. Noch halb schlaftrunken machte ich mich daran, den Reifen zu wechseln. Ich durfte mir auf keinen Fall anmerken lassen, daß mir die Fähre sowas von egal war, daß es mir darum ging, nach Kolumbien zu fahren und nicht nach Panama zu hetzen. Und noch weniger durfte ich mir anmerken lassen, daß wir keine Chance hatten, rechtzeitig am Freitag dort zu sein. Da braucht bloß noch ein paar mal sowas sein, dann liegen wir nicht mehr 0,9 km/h über dem errechneten Schnitt. Und um meine Reifen war es nicht gut bestellt. Die sind immer grundsätzlich aus mindestens fünfter Hand. Das sind nun mal keine deutschen Autobahnen, auf denen wir uns bewegen, und wenn sie das mal kapiert, dann wird sie selbst einsehen, daß es nicht zu machen ist. Und vielleicht kommt sie dann mal langsam in Südamerika an. Und spätestens in Kulumbien würde es auch der Dümmste kapieren. Ich hatte also durchaus die Hoffnung, daß sie, wenn wir am anderen Ende aus Kolumbien kamen, ein brauchbarer Beifahrer sein würde. Sie hat schon ihre Qualitäten, so ist es nicht. Aber auf der einen Waagschale wirft man Koch-, Navigations- und Unterhaltungskunst, auf die andere Hetzerei, Besserwisserei, Deutschtümmelei und eine völlige Unfähigkeit einfache Sachverhalte zu erkennen und sie so zu nehmen wie sie nun mal sind: Eben nicht so, wie man es von Zuhause gewöhnt ist. Und hinzu kommt, daß ich, dadurch, daß ich irgendwann irgendwo eine ines und eine Almut traf, sehr genau, wie ein perfekter Beifahrer ist. Wenn man diesen Vergleich hat, ist es schwer, sich mit weniger zufriedenzugeben, aber es ist auch hart, wenn nicht unmöglich, für einen normalen Menschen eine solche stoische Ruhe an den Tag zu legen, in den aufregendsten Situationen. Ich zumindest kann's nichts. Umso bewundernswerter, daß Almut auch dann noch seelenruhig zusehen kann, wie ich aus lauter Wut irgendwas kurz und klein schlage und fluche wie ein Grabenkrieger. Was Beifahrer angeht, bin ich durch die beiden also schon etwas verwöhnt und glaube vielleicht, es sei immer so. Und so ist es nicht.

Platter Reifen
Der Bolide mit Plattfuß. Mittels Kompressor wurde der Reifen wieder aufgepumpt.

Es half nichts, irgendwann mußte ich an einer der zahlreichen Gomerias anhalten, um einen Reifen zu besorgen. Mindestens einen. Der Reifen hat nicht einfach so über Nacht ausgeatmet, sondern deswegen, weil er wohl schon ziemlich am Ende war. Wenn er neu war, war er aus Südargentinien, wenn er alt war, noch aus Deutschland. Jedenfalls war er mindestens ein halbes Jahr alt und hatte schon einen Begriff vom Sinn der Worte "schlechte Straßen" erhalten.

Am ÄquatorWir fuhren gegen sieben Uhr los. Weiter in Richtung Nordosten, auf Ibarra zu. Das war das nächste und zugleich letzte größere Kaff vor der Grenze. Ich vertrieb mir die Zeit dadurch, das GPS zu beobachten, dessen Koordinatenangeben hinter dem S sich immer mehr dem Nullwert näherten. Nach ungefähr 678 Tagen sollten nun bald wieder ein N seinen Platz einnehmen.
Um 08:12 uhr passierten wir den Äquator. Hier soll es irgendwo ein nettes Äquator-Museum geben, das sich anzuschauen lohnt - natürlich nur für alle anderen, nicht für uns, denn wir hatten keine Zeit. Aber für ein Photo mußte Zeit sein. Ich hielt an, am einer Stelle an der Straße, die aussah wie jede andere auch, schoß ich ein Bild vom GPS, da die Straße und die Gegend nichts hergaben... Der Angabe auf dem Gerät kann man nicht nur die Höhe von fast 3000 Metern, sondern auch auch die Marschgeschwindigkeit entnehmen. Und die besagte, daß wir trotz der Reifenpanne gut vorankamen. Die Marschgeschwindigkeit betrug nun 43,7 km/h, lag nun also nicht mehr 0,9 km/h, sondern 2,7 km/k über dem Durchschnitt. Der Schnitt hatte sich also um 200 % gegenüber dem Vortag gesteigert. Allerdings rechnet das GPS nur, wenn man sich bewegt. Das hieß: Es war einerseits propagandistisch sehr wertvoll, das GPS zur Untermauerung der Behauptung heranziehen zu können, daß wir es locker schaffen würden bis Freitag und am Sontagabend in Panama sein würden. Aber nur solange man keine genaueren Untersuchungen anstellt, denn dann käme man schnell drauf, wie die Wirklichkeit aussieht, nämlich so: Wir hatten keine Chance, pünktlich in Cartagena zu sein.
Aus diesem Grunde mußte um halb Neun auch sofort eine Frühstückspause an einer Tankstelle eingelegt werden. Es gab Sandwiches. Sehr fein, weil irgendwie der Spirituskocher im Spiel war. Ich bemerkte, daß dieser brasilianische Tankstellen-Sprit nicht so sauber verbrannte wie gewöhnlicher Spiritus. An der Unterseite des Topfes war alles tiefschwarz und wenn man den Kopf über die Flamme hielt fingen Nase und Augen an zu brennen, und zwar nicht wegen der Hitze, sondern wegen des Geruchs. Die Sandwiches waren 1a. Nur die Senfdose, die kam mir blöd. Ich half etwas nach und hatte bald darauf den Senf über meiner Kluft verteilt. Fehler... "Na, wart, Du blöde Sau..."

Frühstückspause
08:30 bis 10:00 Uhr: Frühstückspause.

Ich spülte alles ab, räumte wieder alles in den Kofferraum, holte einen 1000er Knaller aus der Munitionskiste, richtete die Senfdose so her, daß nur die Zündschnur heraussah, stieg ein und fuhr weiter. Dann steckte ich mir eine Cigarrette an, kurbelte das Fenzter hinunter, nahm die Senfdose und hielt die Zündschnur an die Kippe. Mit der Linken warf ich dieses Ensemble heckwärts. Einige Sekunden später tat es einen leuten Knall, im Rückspiegel sah man Senf und Plastiksplitter meterhoch fliegen. Gabi sah nach hinten. 'Was war jetzt das?" "Die scheiß Senfdose hat mich aufgeregt." Die hat sich bestimmt gewundert, warum ich in dem Moment, als mir die Sule entgegenkam ganz ruhig geblieben war. Das ist immer so. Wenn ich mich gleich aufrege, ist die Wut auch gleich vorbei, wenn ich ruhig bleibe in einer Situation, in der jeder nur drauf wartet, daß ich ausraste, und der südländische Temperamentsausbruch bleibt aus, dann knallt's irgendwann von dem Moment an - es kann manchmal Jahre dauern. "Zum Glück reg ich Dich nicht auf!", meinte sie dazu. Und lag damit natürlich grottenfalsch.

Aber für mich galt es, das Beste aus der Situation zu machen. Ich brauchte sie - oder vielmehr ihre Kreditkarte. Und je mehr wir uns der Grenze näherten, desto mehr beschlich mich ein mulmiges Gefühl. Gabi ist keine Almut, und sie wird es niemals werden. Sie ist einfach nicht aus dem Holz geschnitzt, das für solche Touren taugt. Man ist wochen-, manches Mal auch monatelang auf wenigen Quadratmetern zumsammen. Tag und Nacht. Allein das ist schon ein Grund für Meinungsverschiedenheiten. Da muß man zwangsläufig einen Weg finden, miteinander auszukommen. Und mit dem einen klappt es, mit dem anderen eben nicht. Gabi war nicht krisenfest, total unsicher, ja ängstlich, schottet sich ab in einem Maß, daß man sich fragen muß, warum sie überhaupt Stadtbergen verläßt, um in die böse Welt zu gehen. Und keine Bereitschaft, auch nur einen Millimeter von vorgefaßten Meinungen abzuweichen. Wenn ich, wie in Peru sage, daß wir hier gerade nicht eine Strafe zahlen für zu schnelles Fahren, sondern lediglich das Gehalt eines korrupten Bullen aufbessern, wenn wir bezahlen, dann kommt das bei ihr nicht an. So kann es nicht sein, denn es ist ja ein Polizist. Damit Ende der Diskussion. Ganz so war es in diesem konkreten Fall zwar nicht, aber so läßt sich dieser Mißstand am deutlichsten schildern.

Deshalb hatte ich auch meine Bedenken, mit ihr nach Kolumbien zu fahren. Eine Almut zieht etwas, das sie angefangen hat, kompromißlos und mit rücksichtsloser Härte durch. Niemals, egal, wie dick es kommt, würde sie sich verabschieden und sagen: "Also, Markus, viel Glück noch. Ich geh jetzt - mit Verlaub: ich bin auch kein Held..." Die bleibt, und tobt der Sturm auch noch so grimmig. Gabi würde sofort desertieren, bei der kleinsten Brise - und wenn diese nur in ihrem Kopf weht. Vielleicht schätzte ich sie falsch ein, aber das war hic et nunc meine Ansicht. Ich hatte keine Ahnung, wie es in Kolumbien tatsächlich aussah, aber ich mußte alles tun, daß sie nichts mitbekam, sollten sich brenzlige Situaitionen ergeben.

Dieses mulmige Gefühl begleitete mich weiterhin, ich wurde es nicht los. Ich sah mich schon allein in Kolumbien stehen und bei Almut anrufen. "SOS! Wann hast Du mal Zeit? hast Bock auf 'ne kleine Tour nach Mexiko oder Brasilien?" Und dann Wochen oder Monate mich irgendwie ohne Geld in Kolumbien durchschlagen. Kein schöner Gedanke. Das das allein war es nicht. Ich konnte ja auch nicht mit Gabi darüber reden, sondern ich mußte einfach nach außen hin den Eindruck machen, daß die Fahrt eine reine Spazierfahrt werden würde und, daß ich alles im Griff hätte. Und das durfte ich nicht mal ausspechen, denn Gabi kannte mich lange genug. Sie weiß, welche Reaktion ich bei den meisten Menschen hervorrufe, wenn ich sage "Ich hab alles im Griff": Entweder sie gehen sofort in Deckung, oder sie rennen schreiend weg...

Und was aus dem Vorhaben dieser Tanja wurde, weiß wohl der tote Geier in Manta. "Diesmal will sie auf jeden Fall nachkommen!", hieß es. ich war mir nicht sicher, ob das ein Fluch oder ein Segen war. Ganz sicher wollte ich nicht auch noch für irgendeine Tanja das Kindermädchen spielen. Wahrscheinlich auch so eine, die schnell mal in Urlaub irgendwohin fliegt, um dagewesen zu sein. Aber da wird es wohl beim Wunsch bleiben. Da gibt es wohl irgendein Buch, in dem sich zwei Bären unterhalten über eine Reise nach Panamá, dann aber doch daheimbleiben, weil sie einsehen, daß es da am Schönsten ist. So, oder so ähnlich hat es Gabi beschrieben, als wir über Tanja sprachen. Sollten mal langsam anfangen Donald Duck zu lesen, das bringt gewiß mehr...

Um 14:00 Uhr (750.631) kamen wir an der Grenze an. Die Ausreise war in etwa so kompliziert wie die Einreise. Die Päss wurden irgendwann abgestempelt, aber für das Auto fühlte sich keiner zuständig. Aber nun hatte ich diesen blöden Stempel im Paß. Und keiner wollte mir die Ausfuhr bestätigen. Nach zwanzig Minuten hatte ich die Schnauze voll. Das Auto war in meinem Besitz, alles andere interessiert mich einen feuchten Kehricht. Den Zollzettel nahm ich mit. Um 14:35 Uhr waren wir mit der Ausreise fertig.

Ausreise Ecuador
Blick aus dem Niemandsland zurück nach Ecuador.

Wir stellten uns an. Sollte nun in Kolumbien etwas schiefgehen, war Ärger an der equadorianischen Grenze gewiß. Die checken sicher, daß ich ein Auto einführe, das das Land niemals offiziell verlassen hat. Aber ein Rückweg war in meinem Konzept nicht vorgesehen - wie so viele andere Sachen, die mir im Laufe des Lebens passiert waren, die nach meinem Konzept auch nie vorgesehen waren.

Dann kam die Einreise in Kolumbien. Ich parkte das Auto und ging zur Imigración. Als ich endlich dran war, wollte er aber, daß Gabi auch zu ihm käme. Ungewöhnlich. Interessiert sonst eigentlich niemanden. Es sind europäische Pässe. Die werden abgestempelt und fertig. Aber gut... Ich holte Gabi und wir stellten uns erneut an. Gabi wurde von einem kleinen Kind getreten. Manchmal mag ich kleine Kinder... Als wir endlich drankamen, wurden die Pässe abgestempelt und wir durften weiter. Ich fragte noch wo der Zoll sei, wegen des Fahrzeugs. Er meinte "Nebenan", und bat den Nächsten an den Schalter. Nebenan... Mittlerweile war es 15:00 Uhr geworden. gabi schickte ich zum Auto zurück und ich ging zu einem Gebäude, das wichtig aussah. Dort erklärte mir, der Zoll sei ein Stückchen weiter. Ich stieg also ins Auto und fuhr los. Immer auf der Suche nach einem Gebäude, das irgendwie Offiziell aussah. Eh wir uns versahen, waren wir schon mitten im Land. Überall Geschäfte, Tankstellen, sogar eine Kaserne.

Kampfaufrufe
Nichts und niemand wird uns auf dem Schlachtfeld
versagen lassen
(in unserer Pflichterfüllung)
dem kolumbianischen Volke gegenüber.

Ich fragte mich durch und kam tatsächlich an ein Gebäude, das offiziös aussah. Das Auto ließ ich von Gabi bewachen und ich ging in das Gebäude. Da war alles Mögliche vertreten, aber nichts, was Aduana, also Zoll hieß. Ich ging also im Parterre, in dem sich etwa 40 oder 50 Menschen befanden, und in dem alles durcheinander zu gehen schien, zu irgendeinem Beamten und fragte den einfach. Während er mir erklärte, wo ich hinzugehen hatte, machte sich in der Menge Aufregung breit. An der Treppe, die in den ersten Stock hinaufführte, hatte gerade einer einen epileptischen Anfall - und die Treppe kein Geländer. Gute Voraussetzungen für größere Verletzungen. Er fiel natürlich rücklings mit dem Kopf voraus auf den Steinboden, was einen deutlichen Dumpfen verursachte. Einige Leute waren zwar hingesprungen und versuchten, das zu verhindern, aber die hatten keine Chance. Es ging zu schnell. Er zitterte noch eine Weile und dann lag er ruhig da.
"Nun, wo waren wir stehengeblieben?", holte ich den Beamten wieder zurück. "Das Auto muß an der Grenze abgefertigt werden", meinte er. Laut Beschreibung also das Gebäude, in dem ich nach dem Zoll gefragt hatte. Diesmal waren die Zollpapiere extrem wichtig. Sonst gibt es bei der Verschiffung Extraaufwand. Den wollen wir nicht.

Ich ging zurück zum Auto und fuhr zurück zur Grenze. Ich ging in das Gebäude, in dem ich schon vorhin gestanden hatte, traf den selben Typen wieder, der mich planlos in die Stadt geschickt hatte und fuhr ihn an: "Was ist das hier eigentlich? Sie schicken mich zu denen, die schicken mich wieder hierher! Es ist zwar witzig, aber mir wäre es ganz recht, wenn wir nun ernsthaft Zollpapiere ausfüllen könnten, ich muß nämlich weiter, wenn's nicht stört." Er fragte mich, was ich denn genau wollte. "Ich will nach Cartagena, hab ein Auto dabei, das nach Panama verschifft werden soll. Deshalb brauche ich Zollpapiere!" "Achso!", sagte er, "Ich dachte, sie wollen ein Auto aus Deutschland nach Kolumbien importieren. Aber Sie haben es dabei, sagen sie... Wo ist es denn?" "Na, draußen auf dem Parkplatz." Er sah hinaus. "Der braune, da?" "Genau..." "Und der hat deutsche Kennzeichen dran?" "Jawohl!" "Weiter weg... Kommen Sie mit." Ich ging mit. Alles dauerte über Gebühr, aber sie machten keinerlei Schwieriglkeiten. Und keiner wollte Geld. Sehr angenehm. Als Ausfuhrhafen wurde Cartagena eingetragen, die Papiere alle zusammengeklammert, wir hatten nun einen Permit für einen Monat. kann nicht jedes Land so unkompliziert sein wie Uruguay, aber Kolumbien schnitt nicht schlecht ab. Besser als Peru und Ecuador, das muß man sagen. Keine Taxi-Zettel, kein Gezeter wegen Reifen...

16:00 Uhr (750.643): Die Einreise in Kolumbien ist vollzogen. Sehr gut. Nun waren wir da, ein zurück gab es nicht mehr. Nun wird aus Gabi in den nächsten Tagen entweder eine brauchbare Beifahrerin, oder man kann sie in die Tonne treten. Wenn sie es hier nicht lernt, dann lernt sie es nirgendwo mehr. Diese Roßkur mußte ich ihr antun, bevor ich sie komplett abschreibe. Kolumbien war die letzte Chance.

Karambolaasch
Massenkarambolage auf der Straße Richtung Cali.

Wir fuhren nun über eine hervorragend asphaltierte Straße. Soll noch mal einer sagen, Kokain ist schädlich. Jedenfalls nicht für meine Stoßdämpfer. So gute Straßen hatten wir zuletzt in Argentinien. Ich muß sagen, der erste Eindruck von Kolumbien war nichts schlecht, soweit. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben - der würde übrigens bald hereinbrechen.

Und klar hatte Gabi nicht vergessen, daß wir davor gewarnt wurden, Nachts zu fahren. Es ist natürlich wenig entspannend, eine paranoide Beifahrerin zu haben und die Neigung dazu war durchaus vorhanden. Klar. Hier ist krieg. Die Regierung mit großenteils korrupten Beamten gegen die Drogenbosse. Aber der normale Bürger spielt in diesem Kampf keine Rolle. Er ging uns sozusagen nichts an. Polizisten hier sind entweder korrupt, oder tot, oder sie haben lange schon resigniert. Wir sind auf uns allein gestellt. Aber wo ist das schon anders, auf diesem Kontinent, ja, in den meisten Ländern der Welt. Und verübeln kann man es niemandem, wenn er nicht scharf drauf ist, sich für ein paar Mark Fünfzig jeden Tag eine Schießerei mit Gesetzesbrechern zu liefern. Lieber kooperiert er und gibt Ruhe. Schlimmstenfalls lebt er dann länger, bestenfalls verdient er zusätzlich dazu auch noch gutes Geld. Und die Leute in den USA und Europa, die von dem weißen Pulver nicht loskommen, sind die einzigen, die dieses Schlamassel finanzieren. Ohne Konsum, kein Geschäft. Dann würden sie Kaffee anpflanzen. Aber in dieser Welt wirft der nicht soviel Geld ab. Und in dieses Land ist der Hauptexporteur von Kakain, deswegen ist der Drogenkrieg hier etwas heftiger, als in anderen Ländern. Alles was illegal ist, bringt nun mal besonders viel Geld, und für Geld tötet man, denn Geld bedeutet Macht. Ist so, kann man auch keinem übelnehmen. Andernorts ist es mit Marihuana so. Die Hippies finanzieren die Kriege, gegen die sie dann protestieren. Und was machen sie, wenn sie sich nicht gerade die hohle Birne zukiffen? Für Frieden demonstrieren. "Hurra!, wir verblöden, bezahlen tut der Staat..."

Und wieder entbrannte die alte Diskussion, die ins Nirwana führt: Wenn ich sage, hier sei es nicht mehr oder weniger gefährlich als in Chile oder Ecuador, hat sie als Argument nur: "Es ist einfach so dumm, zu sagen, daß dem und dem nichts passiert ist und daraus zu folgern, daß uns also auch nichts passieren könnte." Sagt ja auch so keiner. Aber es ist genauso dumm zu sagen, daß dem und dem was passiert ist, und daß uns deswegen auch was passiert. Sagt ja auch keiner, daß was passiert. Aber es könnte was passieren. Richtig. In Kolumbien, in Deutschland, in Ecuador, in Chile - Fahrfehler, gefolgt von einem 1.000-Meter-Absturz. Da stelle ich mir einen Überfall angenehmer vor. Jedenfalls sei statistisch erwiesen, daß Kolumbien gefährlicher sei als andere Länder. Nun, die Statistik möchte ich gerne sehen. Ich bin mir sicher, daß in Spanien mehr Touristen zu Schaden kommen, als in Kolumbien, und sei es nur deshalb, weil es dort mehr Touristen gibt. Und ich bin mir dennoch sicher, daß von hundert Touristen, die in andere Länder Südamerikas fahren, oder wie gesagt, nach Spanien oder Italien oder Ägypten, mehr zu Schaden kommen, als von hundert, die nach Kolumbien kommen. Leider bleibt eine solche Diskussion reine Gefühlssache, denn Statistiken hierzu wird es wohl nicht geben.
"Außerdem würde die Deutsche Botschaft nicht davor warnen, wenn es so friedlich wäre". Erstens: Blödsinn! Zweitens: Wer sich mal auch nur oberflächlich damit beschäftigt hat, wird feststellen, daß die Deutsche Botschaft vor jedem Land warnt. Wenn es nach der ginge, wáre kein Deutscher im Ausland, der nicht im offiziellen Auftrag unterwegs ist. Drittens - von Brigitte, Goethe Institut - las ich mal ein internes Papier, auf dem Österreich als gefährlicher eingestuft war als Kamerun - weil mal bei einem Botschafter eingebrochen wurde, oder Ähnliches. Es ist also, wie so vieles andere, reine Gefühlssache. Und das läßt sich nicht wegdiskutieren. Sie muß das Gefühl der Sicherheit haben, doch wie stelle ich das an, wo die Gefahr doch nicht real ist, sondern nur in ihrem Kopf existiert? Wir werden sehen...

Pflichtbild: Via PanAmericana Colombia
Ein Pflichtbild...

Es wurde langsam dunkel, Gabi langsam unruhig. Eine Mautstelle passierten wir. Ich fuhr noch ein wenig weiter. Es war natürlich völlig ausgeschlossen, daß wir irgendwo in der Pampa einen Nachtplatz suchten. Hier in Kolumbien mußten Hotels herhalten. Wenn es eienr auf Touristen abgesehen haben sollte, sucht er die nicht auf dem Feld draußen, wo nur Leute übernachten, die kein Geld haben, sondern er sucht danach in Hotels. Und ihm ist es egal, ob Deutsche oder Kolumbianer. Wer im Hotel übernachtet hat Geld, und mehr will er ja nicht. Logisch, zwar, aber nicht für Gabi. Ich hielt an einem Hotel Namens "Imperio de los Incas". Dort fragte ich, ob sie eine "Cochera", also einen Parkplatz hätten. Hatten sie nicht. Der Vorschlag, daß sie im Hotel bleibt und ich beim Auto stieß auf Ablehnung, noch bevor er zu Ende gesprochen war.

Um Sieben erreichten wir eine zweite Mautstelle. Wir beschlosse, davor Kehrt zu machen und uns hier etwas zu suchen, aber zunächst mußten wir etwas essen. Vor der Mautstation hatten wir einige offene Restaurants gesehen. Davon suchten wir uns ein passendes heraus. Einige hatten schon zu, die anderen waren zwar nicht zu, aber richtig auf hatten sie auch nicht mehr, Kúche geschlossen, nur noch Getränke. Aber in einem ging noch was. hinter dem Tresen befanden sich zwei Frauen. Eine dicke und eine dünne. Da ging ich gleich mal hinein und fragte nach, ob es denn noch etwas zu essen gibt. "Ja, aber nicht mehr viel. Nur noch den Plato del Dia", also das Tagesgericht. Gockel mit irgendeinem Grünzeug. Kartoffeln oder sowas. "Egal, tu her..." Ich fragte dann auch gleich nach einem Hotel. Sie meinten, einige Kilometer in Südlicher Richtung, sei das "Imperio de los Incas". Das sei das einzige an der Straße. "Hm. Da war ich schon. Aber die haben keine 'Cochera'", erklärte ich. "Keine was?", fragte die dünne. "Na keine Cochera, keinen Parqueadero, Estacionamento, Aparcamiento, für das Auto, Sie wissen schon..." Sie lachte nur, meinte aber. "Natürlich. Ist doch ein teures Hotel an der Landstraße, die müssen einen haben, die haben Dir bestimmt nur einen Schmarrn erzählt..."

In einem Restaurant an der Ruta 25
Sie grinste sich tot...

Ich hatte den Verdacht, daß Parkplatz hier nicht Cochera heißt, sondern irgendwie anders. Also fuhren wir nach dem Essen wieder zu dem Hotel und ich fragte ausdrücklich nach einem Platz, an dem ich das Auto abstellen könnte. "Einen Parqueadero? Na klar, selbstverständlich haben wir das... Sogar abgesperrt. Einzelzimmer?" "Nein dreifach... doppel. Und getrennte Betten, bitte..." Er sah nach. "Getrennt hätte er nichts, nur Doppelbetten." "Vielleicht doch ein Dreierzimmer?" Hatte er auch nicht. "Naja, dann halt nicht... Krieg ich dann wenigstens einen Rabatt?" "Wenn die Leute mich das fragen, sage ich zu ihnen, sie sollen ein anderes Hotel in der Nähe suchen." "Gibt's keine Hotels hier?" "Doch, mehrere, aber keines in der Nähe." "Na, gut. Dann kann man da wohl nichts machen..." "Nein. Hier unterschreiben, bitte..." Ich erledigte die Formalitäten, parkte das Auto, trug das Gepäck aufs Zimmer. Ich diktierte mir selbst den Eintrag fürs KTB: "2000 Ankunft Hotel 'Imperio de los Incas' 750.763", ging dann duschen und ab ins Bett. Morgen mußten wir früh raus und kilometerfressen.


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