Zunächst mußte ich meine Wäsche aufhängen, damit diese trocknen konnte. Ich hatte ja mehrere Garnituren im Handgepäck. Wir mußten zur Bank, diese idiotischen TravellerCheques umtauschen. Da könnte ich mich darüber aufregen. Was damit Zeit verloren geht... Das ist was für Rentner, die Urlaub in Italien oder Spanien machen. Hier sind die einfach nur lästig und bringen nichts. Nicht das Geringste. Man verliert nur ewig Zeit und Geld, denn Bank ist gleichbedeutend mit Schlangestehen und auf TravellerCheques sind Gebühren. Ich fand das in Brasilien schon so bescheuert, als mich Benno besuchte. Von den zwei Wochen, die er da war, verbrachte er mindestens zwei Tage damit, eine Bank zu finden, die TravellerCheques umtauscht. Am besten ist es, wenn man eine Stunde ansteht, nur um zu hören, daß die Bank mit diesem Schmarren nichts anfangen kann. Immer diese Pauschaltouristen. Die Welt außerhalb der Ferienressorts sieht nun mal anders aus, als in den Reiseprospekten. Es ist ihr Geld, wenn sie meint, daß sie mit TravellerCheques besonders sicher unterwegs ist, sollte mich das nicht wirklich kümmern. Doch ich hatte hier das Problem, daß Gabi nicht imstande war, das alleine zu erledigen. Da mußte ich mit, nur um präsent zu sein, denn den ganzen Papierkram mußte ja doch sie erledigen, denn die waren auf ihren Namen ausgestellt. Unter normalen Umständen ich mich um die Schiffsgeschichten gekümmert, und sie hätte diesen Schwachsinn gegen Währung eingetauscht. Aber das sprach ich gar nicht an, denn das stand überhaupt nicht zur Debatte. Manchmal kam ich mir vor, als wäre ich mit einem kleinen Kind unterwegs, um das man sich ständig kümmern muß...
Als das erledigt war, fuhren wir zurück zum Hotel, Gabi stieg aus, und ich fuhr weiter zum Hafen. Noch ein Versuch, hineinzukommen. Ich fragte nach einem Permiso. Und den bekam ich nicht. Die Zollinspektion war gestern, ich hätte im Hafen nichts mehr zu suchen. "Aber ich muß zum Kapitän von dieser "Green Modest", da. Unbedingt. Ich muß nämlich auch noch mit auf das Schiff", erzählte ich. "Dann brauchen Sie dazu ein Schreiben von der Naviera, die für sie bürgt. Ohne das kann ich Ihnen keinen Permiso ausstellen... Gehen Sie zu... Lassen Sie mal die Papiere sehen..." Ich reichte ihm den Stapel Papiere, den ich bei mir in einer Klarsichthülle hatte. Er sah sich die Papiere durch. "Hier", sagte er, "gehen Sie zu ECL und bitten Sie die, ihnen einen Brief zu schreiben mit einer Begründung, warum Sie in den Hafen müssen. Die sollen irgendwas schreiben, dann stelle ich Ihnen den Permiso aus. Denn dann kann mir keiner an den Karren fahren und ECL haftet, wenn sie etwas anstellen, oder zu Schaden kommen." Herrschaft! Das klingt ja schon wieder so industriell, davon wurde mir schon fast schlecht... Ich nahm meine Papiere und ging wieder los.
Ein Aufruf der Hafengesellschaft zur Zusammenarbeit gegen Drogenhandel und Schmuggel. Links unter anderem die Wappen der U.S.-Botschaft und der U.S. Narcotic Affair Section. |
Erst mal zum Jachthafen. Dort traf ich wieder Robert, den Amerikaner. Ihm erklärte ich, wie die Lage mittlerweile aussah. "Gibt es vielleicht hier ein Schiff, das heute oder morgen nach Panama ausläuft. "Nein. Soweit ich weiß, sind die alle schon weg... Aber laß mich mal nachfragen..." Er griff zu seinem Mobiltelephon und wählte. Ich hörte ihn die ganze Geschichte dem anderen Gesprächsteilnehmer erklären. Dann kurze Pause. "Nothing? OK, thanks a lot..." Dann legte er auf und probierte eine andere Nummer. Das hörte sich nicht ganz so niederschmetternd an. Er legte auf und meinte "Manfred is your last shot." Ich solle zu Manfred gehen, der findet immer irgendeinen Weg, um Leute nach Panama zu bringen. Ich ließ mir die Adresse und die Nummer von Manfred geben, bedankte mich und zog dann los. Beim nächsten Telephon wählte ich Manfreds Nummer. Er war Deutscher, also begrüßte ich ihn auch mit "Grüß Gott". Ohne Umschweife erzählte ich ihm, wer ich bin und was ich wollte. Er glaubte, schon von mir gehört zu haben und fragte, ob ich neulich schon im Clube Náutico war. "Ja", sagte ich. Er erklärte mir, daß er leider zur Zeit kein Schiff im Hafen hätte. Ich solle zu der Gesellschaft gehen, die mir die Autoverschiffung erledigt hatte. Also doch zu ECL.
Bei ECL kam ich eine halbe Stunde später an. Aber so sehr ich redete, sowenig ließ sich machen. Dann probierte ich es ganz unverhohlen mit Bestechung: "Jetzt Leute, bitte! Seid halt nicht so schwierig! Wieviel wollt Ihr denn, um mir den verdammten Zettel auszustellen? Ich will doch nur in den Hafen, das kann doch nicht so schwer sein." Zwar funktioniert das ganze Land hier auf dieser Basis, das wußten sie auch, aber einlassen wollten sie sich darauf dennoch nicht. War einfach zu offen. Das muß man mit viel mehr Gefühl machen, so daß der andere das Gefühlt hat, eine gute Tat zu vollbringen, und jemandem zu Helfen. Wenn man das Kind beim Namen nennt, dann funktioniert gar nichts. Korruption ist ganz schlimm. Das muß endlich aufhören. Wie anders hört sich dagegen "freiwillige Zuwendungen" an... Ich hätte den Brief sicher bekommen, wenn ich das beachtet hätte, und vielleicht, wenn ich den Betrag ein wenig erhöht hätte, aber da waren mir Grenzen gesetzt, denn wenn das Schmiergeld soviel ausmacht, wie das Flugticket kostet, wäre es ein Sandlergeschäft... Na gut, dann nicht....
Also fuhr ich wieder in Hotel. Yoyo hatte auch noch Beziehungen zu irgenwelchen Schiffsleuten, vielleicht konnte der da was machen. Wieder eine halbe Stunde später war ich im Hotel. Auf Yoyo mußte ich ein wenig warten, denn der war einen Kumpel in der Nachbarschaft besuchen... Als er zurückkam, fragte ich ihn, wie es aussieht. Er rief bei seinem Bekannten an und fragte ihn, ob er einen Permiso für den Hafen besorgen könnte. Dann redete er noch über Gott und die Welt. Als er auflegte, sagte er: "Erledigt. Ich schreibe Dir eine Adresse auf, da fährst Du morgen früh hin und holst das Papier ab..." Das was sehr gut, allerdings zu spät, denn die "Green Modest" würde heute abend auslaufen... Also ließ ich ihn nochmal anrufen, und das ganze annulieren. Blöd... Wieder nichts.
"Ich sah so manchen Hafen Und doch blieb ich stets allein..." |
Da half wirklich nur noch Manfred. Ich fuhr zu ihm. Die Adresse hatte ich ja von Robert bekommen. Vielleicht war dort ja noch was zu machen. Er wohnte nicht weit weg in einem Hochhaus, recht Zentrumsnah. Ich klingelte und er ließ mich hinein. "Grüß Gott", eröffnete ich meinen Monolog, "es hat irgendwie alles nicht hingehauen, keiner will mir einen Brief ausstellen, mit dem ich einen Permiso bekomme. Ich hätte zwar jemanden gehabt, der es macht, aber erst morgen, wobei ich aber heute in den Hafen müßte, weil das Schiff heute abend ausläuft... Vielleicht kennen Sie ja irgendwie eine Lösung für das Problem. Ich will einfach nur nach Colón, und das möglichst billig." Er telephonierte ein wenig durch die Weltgeschichte. Er hatte aber kein Schiff im Hafen und kannte auch niemand, der gerade eines dahatte. Am Ende war das einzige, was er mir bieten konnte, ein Flugticket zum Preis von einem, also für knappe 500 US$. Er erklärte mir, wie das geht: Er stellt mir ein Empfehlungsschreiben aus, damit gehe ich zu einem Reisebüro, das er mir nennen würde, dort kaufe ich zwei Flugtickets und bekommse auf jedes 50% Rabatt. Also setzte er sich an den LapTop und schrieb auf Englisch einen Brief auf einem recht offiziell aussehenden Papier. In diesem Brief stand, daß Gabi und ich Funker bzw. Maschinist auf der "Emsland" sind und zu unserem Schiff müßten, um unseren Dienst anzutreten. Und noch etwas von einer unvorhergesehenen Verzögerung. Den druckte er aus, setzte noch ein paar Firmenstempel und bald schon sah das ganze sehr offiziell aus. Ich gab ihm dafür eine "Bearbeitungsgebühr" - so läuft das nun mal - und ging dann damit zum Hotel, um Gabi abzuholen, damit sie das ganze bezahlt.
Wir gingen zu dem von Manfred genannten Reisebüro, ich legte den Brief vor, sie ging damit ins Büro, kam nach einer Weile wieder, meinte, es sei alles klar. Wir buchten die Flüge, alles lief reibungslos - bis es ans Zahlen ging. Sie nehmen keine MasterCard. Was ist denn das nun schon wieder für eine Kacke? Es war fünf Uhr Nachmittags und Freitag. Bank konnte man vergessen. Und selbst wenn, bis wir wieder zurücksind, ist das Reisebüro zu. "Haben Sie morgen geöffnet?", fragte ich. "Leider nein. Erst am Montag wieder." Auch das noch. Fuck!!! Also raus und zum nächsten Reisebüro. Bei dem klebte schon an der Tür der Aufkleber mit MasterCard. Da hinein. Nur war das leider kein Reisebüro, das Manfred empfohlen hätte, also fragte ich nach, ob ich hier auch 50% Rabatt bekäme als Seemann. Ich hielt ihr den Brief hin. Sie verschwand im Büro, kam bald darauf wieder zurück und sagte Ja. Gut. Immerhin. Dann wollte sie unsere Seemannsausweise sehen. "Die haben wir jetzt natürlich nicht dabei." Sie schlug vor, daß wir einfach morgen früh wieder kommen sollten mit den Ausweisen. "Reicht da auch eine Kopie?", fragte ich. "Ja, geht auch. Nur, daß ich eine Bestätigung habe."
Wir gingen zurück ins Hotel. So ein Käse. Jetzt mußte ich auch noch irgendwie zwei Ausweise herzaubern. Yoyo meinte, ich solle ihr erzählen, daß die Originalausweise schon zur Bearbeitung von den Bordpapieren und der Einreisegenehmigung in Panama bei unserer Schiffahrtsgesellschaft sind, und daß wir nur beglaubigte Kopien hätten. Schließlich sei unser Aufenthalt in Kolumbien nicht beabsichtigt gewesen. Dann sammelte ich alles Papiere bei ihm und Gabi ein, die halbwegs Offiziell aussahen. Den restlichen Abend verbrachte ich in einem Internetcafé um die Ecke. Es galt, eine beglaubigte Kopie eines Seemannsausweises herzustellen. Mit Internet, PhotoShop und einem handelsüblichen Kopierer gelang mir das nach ein paar Stunden auch. Den Stempel nahm ich von Almuts beglaubigter Paßkopie, die noch aus der Afrikafahrt stammte. Die Unterschrift auf dem Original stammte von Yoyo. Das ganze kopierte ich dann wiederum und fertig war der Laden. Das sollte hinhauen.
Man muß sich immer irgendwie durchmogeln und durchschlagen. Manchmal klappt's ganz ohne Anstrengung, manchmal klappt's trotz größter Mühe eben nicht. Es gibt keine vorgegebene Linie, keine Patentlösung, keine Faustregeln. In Deutschland ist es relativ einfach: Hast Du die und die Voraussetzungen erfüllt, kommst Du zum nächsten Schritt, wenn nicht, dann nicht. Da hilft kein Jammern und kein Betteln, und erstrecht keine "finanziellen Zuwendungen". Und hier hat man alle Möglichkeiten, plus Glück und Zufall. Mit den beiden Gesellen läßt sich halt schlecht rechnen. "Wir werden es erleben..." Mehr konnte ich dazu nicht sagen. Was im Rahmen des Möglichen war, habe ich, soweit ich es überschauen konnte, getan, nun mögen das Glück und der Zufall entscheiden. Wie oft haben mir eben diese beiden Gesellen schon Entscheidungen abgenommen? Warum nicht auch diesmal?